Vererblichkeit der Nacherbenstellung
Gerne fasse ich den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 27.11.2023 (Az. 3 Wx 169/23) zur Vererblichkeit der Nacherbenstellung zusammen.
Bei einer Vor- und Nacherbschaft bestimmt der Erblasser, dass zunächst eine Person (Vorerbe) erbt und danach, beim Eintritt des sogenannten Nacherbfalls (oft der Tod des Vorerben), eine andere Person (Nacherbe) das Vermögen erhält.
Eine Erblasserin setzte ihre einzige Tochter als Vorerbin ein. Die Tochter war dabei „nicht befreite“ Vorerbin, d.h., sie durfte über wichtige Nachlassgegenstände (wie Grundstücke) nicht frei verfügen, um das Vermögen für den Nacherben zu erhalten (§ 2113 BGB).
Die einzige Enkelin (HK) wurde als Nacherbin bestimmt.
Zusätzlich erhielten die Enkelin (HK) und ihre einzige Tochter (die Urenkelin, jetzige Beteiligte) je ein Geldvermächtnis und ein lebenslanges Wohnrecht in der Immobilie der Erblasserin.
Die Erblasserin verstarb.
Die Nacherbin (HK) verstarb bereits vor dem Nacherbfall (also vor ihrer Mutter, der Vorerbin). Sie hatte in einem eigenen Testament ihren Lebensgefährten (RS) als Alleinerben eingesetzt.
Die Vorerbin (Tochter der Erblasserin) verstarb 2022, wodurch der Nacherbfall eintrat.
Nun stellte sich die Frage: Wer ist der rechtmäßige Nacherbe der Erblasserin?
Die Urenkelin (die Beteiligte) als Abkömmling der verstorbenen Nacherbin (HK)?
Oder der Lebensgefährte (RS) als testamentarischer Erbe der verstorbenen Nacherbin (HK)?
Grundsätzlich gilt nach §2108 Abs. 2 S. 1 BGB, dass das Recht des Nacherben auf dessen eigene Erben übergeht, wenn der Nacherbe nach dem Erbfall (Tod des Erblassers), aber vor dem Nacherbfall (Tod des Vorerben) stirbt. Das ist der Regelfall.
Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht, wenn ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist. Das Gericht muss also das ursprüngliche Testament der Erblasserin auslegen.
Das OLG Düsseldorf kommt zu dem Schluss, dass der Wille der Erblasserin eine Beschränkung der Vererblichkeit des Nacherbenrechts auf Familienangehörige beinhaltete:
Die Erblasserin hat in ihrem Testament ausschließlich enge Familienangehörige (Tochter, Enkelin, Urenkelin) bedacht. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass das Vermögen im Familienbesitz bleiben sollte.
Die Vorerbin war nicht befreit. Dies diente dazu, das Vermögen für die Enkelin (Nacherbin) zu sichern, was den Erhaltungswillen im Familienkreis unterstreicht.
Das lebenslange Wohnrecht für die Enkelin und die Urenkelin sicherte die Nutzung des Hausgrundstücks sogar für die übernächste Generation und belegt so den starken Wunsch der Erblasserin, die Familie langfristig zu begünstigen.
Diese Umstände belegen den Willen der Erblasserin, das eigene Vermögen über die nächsten Generationen im Familienbesitz zu erhalten. Daher war die Vererblichkeit der Nacherbenstellung auf Familienangehörige beschränkt.
Da die Nacherbenstellung auf Familienangehörige beschränkt war, konnte die Nacherbin (HK) das Nacherbenrecht nicht an ihren Lebensgefährten (RS) vererben.
Stattdessen musste das Gericht prüfen, ob die Urenkelin (die Beteiligte) als Abkömmling der verstorbenen Nacherbin die Position einnimmt.
Hier kommt die Auslegungsregel des §2069 BGB (Ersetzung des weggefallenen Abkömmlings) ins Spiel: Wenn ein Abkömmling des Erblassers bedacht wird (hier die Nacherbin HK) und dieser vor Eintritt des Erbfalls (oder Nacherbfalls) wegfällt, wird im Zweifel angenommen, dass dessen Abkömmlinge (hier die Urenkelin, die Beteiligte) an seiner Stelle treten.
Die testamentarische Erbeinsetzung des Lebensgefährten (RS) durch die verstorbene Nacherbin (HK) ging ins Leere, weil die Nacherbenstellung auf Familienangehörige der Erblasserin beschränkt war.
Die Urenkelin (die Beteiligte) ist nach §2069 BGB an die Stelle ihrer verstorbenen Mutter (HK) getreten und somit die Nacherbin der Erblasserin.
Das Gericht wies das Amtsgericht an, über den Antrag der Urenkelin auf einen Erbschein als Alleinerbin der Erblasserin unter Beachtung dieser Rechtsauffassung neu zu entscheiden. Die Urenkelin hat damit gute Aussichten, als Erbin bestätigt zu werden.
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