Vererblichkeit Nacherbenanwartschaftsrecht – OLG Brandenburg 3 U 204/22

März 6, 2024

Vererblichkeit Nacherbenanwartschaftsrecht – OLG Brandenburg 3 U 204/22

Zusammenfassung RA und Notar Krau:

Der Fall dreht sich um eine Feststellungsklage bezüglich einer Nacherbenstellung gemäß dem Testament eines Ehepaars.

Sachverhalt:

Die Klägerin begehrte die Feststellung ihrer Nacherbenstellung nach ihrem Großvater.

Die Großeltern der Klägerin hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Vorerben und ihre drei Kinder zu Nacherben einsetzten.

Der Nacherbfall sollte mit dem Tod oder der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten eintreten.

Einer der Söhne (der Vater der Klägerin) verstarb vor dem Großvater und hinterließ ein Testament, in dem er seine Lebensgefährtin (die Beklagte) als Alleinerbin seines Hauses einsetzte.

Nach dem Tod des Großvaters verkaufte die Großmutter als Vorerbin die ihr gehörenden Grundstücke an ihre Enkelin.

Die Beklagte erhielt dabei als vermeintliche Nacherbin eine Ausgleichszahlung.

Vererblichkeit Nacherbenanwartschaftsrecht – OLG Brandenburg 3 U 204/22

Die Klägerin machte nun geltend, dass sie und ihre Schwester als Töchter des vorverstorbenen Sohnes die wahren Nacherbinnen seien.

Entscheidung des OLG Brandenburg:

Das OLG Brandenburg bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Cottbus und gab der Klage statt. Die Klägerin ist Nacherbin zu 1/6.

Begründung:

  • Zulässigkeit der Feststellungsklage: Das OLG bejahte die Zulässigkeit der Feststellungsklage trotz des noch nicht eingetretenen Nacherbfalls. Zwischen den Parteien bestehe ein Rechtsverhältnis als Nacherbprätendenten. Die Klägerin habe auch ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Klärung, da die Beklagte bereits als vermeintliche Nacherbin eine Ausgleichszahlung erhalten habe und die Gefahr bestehe, dass sie sich bei Eintritt des Nacherbfalls auf Entreicherung berufen könnte.
  • Auslegung des Testaments: Das OLG legte das Testament der Großeltern dahingehend aus, dass die Klägerin als Ersatznacherbin eingesetzt sei. Zwar enthalte das Testament keine ausdrückliche Regelung für den Fall des Vorversterbens eines Nacherben, jedoch sei ein auf den Ausschluss der Vererblichkeit des Nacherbenrechts gerichteter Wille der testierenden Ehegatten anzunehmen.
  • Konkludenter Vererblichkeitsausschluss: Das OLG führte aus, dass die Abkömmlinge der Nacherben von den Testierenden konkludent als Ersatznacherben berufen wurden. Als Anhaltspunkte dienten:
    • Die Verfügungen des Testaments kamen ausschließlich den nächsten Familienangehörigen zugute.
    • Die Wiederverheiratungsklausel sollte verhindern, dass Familienfremde Erbrechte erlangen.
    • Die schriftliche Erklärung der Großmutter bestätigte den Willen, dass der Nachlass in der Familie bleiben sollte.
    • Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass die Testierenden die Erhöhung der Kreditfähigkeit des Nacherben im Sinn hatten.

Vererblichkeit Nacherbenanwartschaftsrecht – OLG Brandenburg 3 U 204/22

  • Berücksichtigung der Auslegungsregel des § 2069 BGB: Obwohl § 2069 BGB im vorliegenden Fall nicht direkt anwendbar war, sei der dieser Vorschrift zugrunde liegende Gedanke bei der Auslegung verstärkt zu berücksichtigen. Demnach steht der Wille des Erblassers, das Vermögen im Familienbesitz zu erhalten, häufig im Vordergrund.

Konsequenzen:

Die Entscheidung des OLG Brandenburg stärkt die Rechte von Abkömmlingen von Nacherben.

Auch wenn das Testament keine ausdrückliche Regelung für den Fall des Vorversterbens eines Nacherben enthält,

ist im Wege der Testamentsauslegung zu prüfen, ob ein konkludenter Vererblichkeitsausschluss anzunehmen ist.

Besonderheiten des Falls:

  • Die Entscheidung des OLG Brandenburg steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, wonach § 2069 BGB im Zweifel nicht auf Nacherbenfälle anwendbar ist.
  • Das OLG Brandenburg hat die schriftliche Erklärung der Großmutter als Indiz für den Willen der Testierenden gewertet, den Nachlass im Familienbesitz zu halten.
  • Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung der Testamentsauslegung im Erbrecht, insbesondere bei komplexen Fallgestaltungen wie der Vor- und Nacherbschaft.

Vererblichkeit Nacherbenanwartschaftsrecht – OLG Brandenburg 3 U 204/22

Fazit:

Das OLG Brandenburg hat in seiner Entscheidung die Rechte der Klägerin als Nacherbin gestärkt und die Bedeutung der Testamentsauslegung im Erbrecht hervorgehoben.

Die Entscheidung ist für die Praxis relevant, da sie aufzeigt, dass auch bei fehlender ausdrücklicher Regelung im Testament ein

konkludenter Vererblichkeitsausschluss angenommen werden kann, wenn dies dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspricht.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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