Verfahrensverstöße eines Schiedsrichters sind kein Befangenheitsgrund!
Gerne fasse ich den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) vom 7. November 2024 (Az.: 102 SchH 135/24 e) zusammen.
Dieser Beschluss befasst sich mit einem Ablehnungsgesuch gegen einen Schiedsrichter wegen angeblicher Befangenheit in einem komplexen Bauschiedsverfahren. Das Gericht wies den Antrag der Partei, die den Schiedsrichter ablehnen wollte, als unbegründet zurück.
Es gab ein Schiedsverfahren zwischen zwei Parteien (Antragstellerinnen/Schiedsbeklagte und Antragsgegnerin/Schiedsklägerin) wegen Honoraransprüchen aus einem Planervertrag für ein Bauvorhaben. Ein Schiedsgericht, bestehend aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern, sollte den Streit entscheiden.
Die Antragstellerinnen (Schiedsbeklagte) stellten einen Antrag, den Vorsitzenden Schiedsrichter abzulehnen, da sie ihn für befangen hielten. Sie begründeten dies mit einer „Summe von Festlegungen und Äußerungen“ des Vorsitzenden, die ihrer Meinung nach zu ihren Lasten gingen, sowie einer „gravierenden Ungleichbehandlung“ bei der Entscheidung über Fristverlängerungsanträge. Sie argumentierten, dass zwar jeder einzelne Punkt für sich genommen vielleicht unproblematisch sei, die Häufung und insbesondere die abgelehnte Fristverlängerung jedoch „das Fass zum Überlaufen gebracht“ und ernsthafte Zweifel an der Unparteilichkeit des Schiedsrichters ausgelöst hätten.
Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) wies den Antrag auf Bestätigung der Ablehnung zurück.
Es lagen keine berechtigten Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters vor.
Die Ablehnenden stützten ihren Antrag auf mehrere Punkte, die das Gericht einzeln und in ihrer Gesamtheit prüfte:
Die Gegenseite argumentierte, viele Ablehnungsgründe seien zu spät (später als zwei Wochen nach Bekanntwerden) geltend gemacht worden.
Grundsätzlich müssen Ablehnungsgründe innerhalb von zwei Wochen vorgebracht werden. Aussagen und Umstände, die länger zurückliegen, dürfen aber in die Gesamtbetrachtung einfließen, wenn sie sich als Teil eines Gesamttatbestands darstellen (z. B. wenn erst ein neues Ereignis, wie eine abgelehnte Frist, die früheren Punkte in einem neuen Licht erscheinen lässt). Das Gericht prüfte die Begründung jedoch in der Sache, unabhängig von der Frist.
Der Vorsitzende soll in einem früheren, verwandten Verfahren geäußert haben, die Zulässigkeit einer Feststellungsklage sei auch ein „pragmatischer Grund“, weil sich das Schiedsgericht inhaltlich bereits mit der Sache befasst habe. Zudem sei diese Äußerung trotz Bitte nicht protokolliert worden.
Die Äußerung allein begründet keine Besorgnis der Befangenheit. Solche Bemerkungen kommen in Gerichtsverfahren vor, ohne dass der Richter damit zum Ausdruck bringt, sich nicht an Recht und Gesetz halten zu wollen. Die Äußerung sei nicht geeignet, die Befürchtung zu wecken, der Schiedsrichter entscheide unabhängig von der Rechtslage. Die fehlende Protokollierung ist ebenfalls unbedenklich, da das Schiedsgericht den Umfang der Protokollierung selbst bestimmt und die Äußerung nicht als wesentlich (z. B. als richterlicher Hinweis oder Entscheidung) ansehen musste.
Der Vorsitzende habe sich nicht ausreichend oder nur oberflächlich mit den Einwänden der Ablehnenden (z. B. mangelnde Prüffähigkeit der Schlussrechnung, Fehlen eines wirksamen Ersatzangebots) auseinandergesetzt, frühzeitig eine ihnen ungünstige Rechtsauffassung vertreten und Beweisanträge abgelehnt.
Vorläufige Meinungsäußerungen und Einschätzungen zur Rechtslage sind grundsätzlich keine tauglichen Ablehnungsgründe. Richterliche Hinweise dienen dazu, die Parteien vor Überraschungsentscheidungen zu schützen und zum weiteren Vortrag anzuregen. Die vorläufige Rechtsauffassung des Schiedsgerichts muss dabei nicht alle Argumente umfassend widerlegen. Der Umstand, dass das Gericht eine andere Rechtsauffassung vertritt als eine Partei, begründet für sich genommen keine Befangenheit, solange die Entscheidung nicht willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist.
Der Vorsitzende habe bei Fristverlängerungsanträgen der beiden Parteien „mit zweierlei Maß“ gemessen. Einem Antrag der Gegenseite sei stattgegeben worden, ohne die Ablehnenden anzuhören; ihr eigener Antrag sei nur teilweise gewährt worden, nachdem die Gegenseite angehört wurde. Dies sei willkürlich zu ihren Lasten.
Verfahrensverstöße, die auf einem Irrtum oder einer unrichtigen Rechtsansicht beruhen, sind grundsätzlich kein Ablehnungsgrund. Das Gericht ist nicht zur Fehler- und Verfahrenskontrolle zuständig. Lediglich qualifizierte Verfahrensfehler, die den Schluss auf Parteilichkeit zulassen, können eine Befangenheit begründen. Hier lag aber höchstens ein einfacher Verfahrensfehler vor. Das Schiedsgericht habe seine Entscheidungen mit nachvollziehbaren Gründen (z. B. Beschleunigungsgebot, Komplikationen beim Projektleiter der Gegenseite) begründet, die nicht „schlechthin unhaltbar“ seien.
Das Bayerische Oberste Landesgericht kam zu dem Schluss, dass die Gesamtbetrachtung der vorgebrachten Punkte keinen objektiven Grund liefert, der bei einer vernünftigen und unvoreingenommenen Sichtweise die Besorgnis der Befangenheit gegen den Schiedsrichter begründen könnte. Die Antragstellerinnen müssen daher die Kosten des Ablehnungsverfahrens tragen.
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