Verfassungsbeschwerde gegen die Zurückweisung von Ablehnungsgesuchen
Datum: 15.06.2021
Gericht: Verfassungsgerichtshof NRW
Spruchkörper: VERFASSUNGSGERICHTSHOF FÜR DAS LAND NORDRHEIN-WESTFALEN
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: VerfGH 189/20.VB-2
Gerne fasse ich den Sachverhalt und die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs NRW (VerfGH 189/20.VB-2 vom 15.06.2021) in einfacher Sprache für Sie zusammen.
Die Verfassungsbeschwerde wird teilweise als unzulässig, im Übrigen als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
Der Fall dreht sich um die Ablehnung von Richtern wegen Befangenheit (Verdacht auf Parteilichkeit).
Ein Rechtsanwalt (der Beschwerdeführer) führte vor dem Landgericht Köln einen Arzthaftungsprozess gegen seinen früheren Hausarzt. Ein Arzthaftungsprozess ist eine Klage, bei der ein Patient Schadensersatz fordert, weil er meint, der Arzt habe einen Fehler gemacht.
In diesem Prozess vor der 25. Zivilkammer lehnte der Anwalt mehrere Richter als befangen ab.
Der Hauptgrund für die Ablehnung war, dass die Kammer ohne Antrag beider Parteien Akten aus einem anderen Verfahren (einer Sache über den Grad seiner Behinderung vor dem Sozialgericht) zur Begutachtung an eine medizinische Sachverständige (ein Experte, der dem Gericht hilft) weiterleiten wollte.
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln bestätigte zwar, dass die Richter nicht befangen seien, äußerte aber Zweifel an der automatischen Beiziehung (Hinzunahme) der fremden Akten.
Nach dieser Entscheidung widersprach der Anwalt der Verwertung und Weitergabe der Sozialgerichtsakte an die Sachverständige.
Trotz dieses Widerspruchs verfügte der Vorsitzende Richter der Kammer am 5. Juni 2020 mithilfe eines Standard-Textbausteins die Versendung der gesamten Akte an die Sachverständige – einschließlich der widersprochenen Sozialgerichtsakte.
Der Anwalt sah darin eine Missachtung seines Widerspruchs und eine heimliche Weitergabe wichtiger persönlicher Daten. Er lehnte daraufhin erneut acht Richter der Kammer wegen des Verdachts der Befangenheit ab.
Das Landgericht wies das Ablehnungsgesuch zurück. Die erste Beiziehung der Akte sei bereits rechtskräftig (endgültig) entschieden. Die Übersendung an die Sachverständige sei kein Befangenheitsgrund, weil sie nicht bewusst verfügt worden sei, sondern nur ein Versehen (ein Fehler) war.
Das Oberlandesgericht (OLG) wies die sofortige Beschwerde (die Anfechtung dieser Entscheidung) des Anwalts zurück. Es sah die Versendung als offensichtliches Versehen, das der Vorsitzende Richter sofort korrigiert habe. Ein solcher Fehler begründe keinen Befangenheitsverdacht.
Der Beschwerdeführer legte gegen die Entscheidungen von Landgericht und OLG Verfassungsbeschwerde ein. Er sah sich in mehreren Grundrechten verletzt, vor allem im Recht auf den gesetzlichen Richter.
Die Verfassungsbeschwerde wurde teilweise als unzulässig, im Übrigen als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
Ein Teil der Beschwerde war unzulässig (durfte nicht entschieden werden), weil der Anwalt die Verletzung anderer Grundrechte (wie faires Verfahren, Willkürverbot) nicht ausreichend begründet hatte. Bei einer Verfassungsbeschwerde muss genau erklärt werden, wie das Gericht ein Grundrecht grundlegend verkannt (falsch verstanden) hat – es reicht nicht, nur das Recht zu nennen. Der Verfassungsgerichtshof ist kein „Superrevisionsgericht“ und prüft nicht jeden Fehler der Fachgerichte.
Der Hauptpunkt – die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter durch die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs – wurde als offensichtlich unbegründet angesehen.
Garantiert, dass niemand einem Richter entzogen wird, der für seinen Fall zuständig ist. Es sichert auch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter. Ein Richter muss abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit rechtfertigt (sog. Besorgnis der Befangenheit).
Eine Entscheidung ist willkürlich, wenn sie grob fehlerhaft ist, also auf einer groben Missachtung des Gesetzes beruht oder Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantien grundlegend verkennt. Ein bloßer Fehler im Prozess reicht nicht aus.
Die Gerichte durften annehmen, dass die Versendung der Akte durch den Vorsitzenden Richter ein einfaches Versehen (Unaufmerksamkeit), insbesondere durch die Verwendung eines Standard-Textbausteins, und keine Absicht war.
Diese Annahme sei nicht offensichtlich unhaltbar und verkenne die Verfassungsgarantie nicht grundlegend. Ein solches Versehen sei kein grober Verfahrensverstoß, der die Befangenheit begründen würde.
Auch die Gesamtbetrachtung aller vorgebrachten Ablehnungsgründe führt zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen vom einmaligen Versehen des Vorsitzenden Richters gab es in diesem Teil des Verfahrens keine weiteren Verfahrensfehler, die zusammengenommen den Eindruck der Parteilichkeit erwecken könnten.
Die Fachgerichte (Landgericht und OLG) haben die Ablehnungsgründe vertretbar und nicht willkürlich bewertet. Sie haben das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter nicht verletzt.
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