Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge und Rückwirkung der Aussetzung der Vollziehung bei Sicherheitsleistung
BFH (X. Senat), Beschluss vom 21.03.2025 – X B 21/25 (AdV)
Der Bundesfinanzhof (BFH), X. Senat, nahm in seinem Beschluss vom 21.03.2025 (X B 21/25 (AdV)) Stellung zur Verfassungsmäßigkeit
der Höhe von Säumniszuschlägen angesichts des signifikanten Anstiegs der Marktzinsen seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022.
Des Weiteren behandelte der Beschluss die Frage der Rückwirkung einer Aussetzung der Vollziehung (AdV),
wenn diese von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wird und die Sicherheitsleistung erst später erfolgt.
Der Fall betraf eine Antragstellerin, gegen die das Finanzamt (FA) einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2017 erlassen hatte, der zu einer Steuernachzahlung führte.
Das FA gewährte zunächst AdV ohne Sicherheitsleistung, widerrief diese aber später und machte die weitere AdV von der Erbringung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 108.000 € abhängig.
Im geänderten AdV-Bescheid vom 15.02.2022 hieß es, die Vollziehung werde „weiterhin ab Fälligkeit ausgesetzt (sofern die Sicherheitsleistung erbracht wird)“.
Die Antragstellerin bot verschiedene Sicherheiten an, die das FA zunächst ablehnte.
Schließlich wurde am 20.12.2022 eine Grundschuld zugunsten des FA im Grundbuch eingetragen.
Daraufhin gewährte das FA erneut AdV, jedoch erst ab dem 20.12.2022.
Für die Zeit vom 19.03.2022 bis zum 19.12.2022 setzte das FA Säumniszuschläge fest.
Gegen den Abrechnungsbescheid, der die Säumniszuschläge auswies, legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte beim Finanzgericht (FG) die Gewährung von AdV hinsichtlich der Säumniszuschläge.
Das FG gab dem Antrag statt und setzte die Vollziehung des Abrechnungsbescheids in voller Höhe aus, da es ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge ab März 2022 hegte.
Der BFH wies die Beschwerde des FA gegen die Entscheidung des FG zurück, korrigierte jedoch dessen Begründung hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge.
Der BFH stellte fest, dass aufgrund des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 jedenfalls ab März 2022 keine ernstlichen Zweifel
mehr an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung über die Höhe der Säumniszuschläge bestehen.
Er führte aus, dass selbst wenn man einen teilweisen Gegenleistungscharakter der Säumniszuschläge für den Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und den Liquiditätsnachteil des Fiskus annehmen wollte, die
Bemessung dieses Teils aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus nicht mehr als realitätsfremd angesehen werden könne.
Der BFH verwies auf die signifikanten Zinssteigerungen bei verschiedenen relevanten Marktzinssätzen zwischen Februar und Dezember 2022, die die vorherrschende Niedrigzinsphase beendet hatten.
Der BFH betonte, dass seine Entscheidung im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Senate stehe, die ebenfalls keine ernstlichen Zweifel
an der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge für Zeiträume ab 2019 gesehen hätten.
Ungeachtet der verneinten verfassungsrechtlichen Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge hielt der BFH die Entscheidung des FG, AdV zu gewähren, im Ergebnis für richtig.
Er begründete dies damit, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des FA bestünden,
die Vollziehung abweichend vom Wortlaut des geänderten AdV-Bescheids vom 15.02.2022 trotz der späteren Erbringung der Sicherheitsleistung nicht weiterhin ab Fälligkeit auszusetzen.
Der BFH legte den Wortlaut des Bescheids,
„Die Vollziehung wird weiterhin ab Fälligkeit ausgesetzt (sofern die Sicherheitsleistung erbracht wird)“,
als eindeutige Zusage aus, dass die AdV bei Erbringung der Sicherheit rückwirkend ab dem ursprünglichen Fälligkeitsdatum gelten solle.
Die spätere Leistung der Sicherheit (Eintragung der Grundschuld am 20.12.2022) bewirke somit, dass die AdV mit Rückwirkung
ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der AdV-Verfügung eintrete und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Der BFH verwies auf seine frühere Rechtsprechung, wonach die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall dazu führt, dass die AdV rückwirkend eintritt,
es sei denn, das FA habe ausdrücklich angeordnet, dass die Wirkung der AdV erst mit der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Eine solche ausdrückliche Anordnung sah der BFH im vorliegenden Fall nicht.
Die Ankündigung des FA, bis zum 18.03.2022 von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen, stehe dem nicht entgegen, da dies lediglich einen Schwebezustand bis zur möglichen Sicherheitsleistung begründe.
Der BFH wies die Beschwerde des FA als unbegründet zurück.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden dem FA auferlegt.
Der Beschluss des BFH stellt klar, dass jedenfalls seit März 2022 aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus keine ernsthaften verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Säumniszuschläge bestehen.
Gleichzeitig bekräftigt der BFH, dass eine von der Sicherheitsleistung abhängige AdV bei späterer Erbringung der Sicherheit im Regelfall rückwirkend ab dem Zeitpunkt der ursprünglichen AdV-Verfügung
wirksam wird, wodurch zuvor entstandene Säumniszuschläge entfallen können, es sei denn, das FA hat ausdrücklich einen späteren Wirkungsbeginn angeordnet.
Im vorliegenden Fall war die Formulierung des FA im AdV-Bescheid, die Vollziehung werde „weiterhin ab Fälligkeit ausgesetzt“, entscheidend für die Annahme der Rückwirkung.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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