Verfassungsrecht Bedenken Fixierung Zwangsmedikation

Januar 12, 2025

Verfassungsrecht Bedenken Fixierung Zwangsmedikation

BVerfG 2 BvR 1458/23

Beschluss vom 1.8.2024

RA und Notar Krau

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 1.8.2024 (2 BvR 1458/23) befasst sich mit den verfassungsrechtlichen Bedenken

hinsichtlich der Fixierung und Zwangsmedikation einer psychisch erkrankten Person.

Im Zentrum steht die Frage, inwieweit diese Maßnahmen mit den Grundrechten auf Freiheit der Person (Art. 2 II 2 iVm Art. 104 GG) und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II 1 GG) vereinbar sind.

Der Fall:

Eine Frau wurde nach einem Vorfall, bei dem sie orientierungslos aufgegriffen wurde, gegen ihren Willen in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.

Während der Unterbringung wurde sie über einen Zeitraum von rund 14 Stunden fixiert und zwangsmediziert.

Diese Maßnahmen wurden ohne vorherige richterliche Genehmigung durchgeführt.

Verfassungsrecht Bedenken Fixierung Zwangsmedikation

Die Frau klagte gegen die Rechtmäßigkeit der Fixierung und Zwangsmedikation.

Das Amtsgericht (AG) wies die Klage ab, das Landgericht (LG) verwarf die Beschwerde als unzulässig.

Die Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da sie nicht substanziiert begründet war.

Dennoch äußerte das Gericht erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Beschluss des AG.

Fixierung:

Das BVerfG betonte, dass die Fixierung einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person darstellt.

Besonders die nicht nur kurzfristige Fixierung sämtlicher Gliedmaßen erfordert eine vorherige richterliche Anordnung (Art. 104 II 1 GG).

Das AG hatte sich in seiner Entscheidung nicht ausreichend mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG auseinandergesetzt und die Tragweite der Grundrechtseingriffe nicht ausreichend gewürdigt.

Verfassungsrecht Bedenken Fixierung Zwangsmedikation

Zwangsmedikation:

Auch die Zwangsmedikation stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit dar.

Das BVerfG hob hervor, dass die Zwangsbehandlung mit Neuroleptika besonders schwer wiegt, da sie die Persönlichkeit in ihrem Kernbereich betrifft und mit dem Risiko schwerer Nebenwirkungen verbunden ist.

Das AG hatte die Notwendigkeit der Zwangsmedikation nicht ausreichend begründet und insbesondere nicht dargelegt,

welche erheblichen Nachteile für die Gesundheit der Frau ohne die Medikamentengabe gedroht hätten.

Rechtsschutz:

Das BVerfG stellte fest, dass die knappe Begründung des LG zwar unbefriedigend war, aber keine Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz darstellte.

Da gegen die Entscheidung des Betreuungsgerichts über die Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahmen kein Rechtsmittel vorgesehen ist, war der Rechtsschutz der Frau durch die Entscheidung des LG nicht verkürzt.

Fazit:

Der Beschluss des BVerfG unterstreicht die Bedeutung der Grundrechte auf Freiheit der Person und körperliche Unversehrtheit im Kontext von Fixierung und Zwangsmedikation.

Gerichte müssen bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG berücksichtigen und die Verhältnismäßigkeit der Eingriffe sorgfältig abwägen.

Verfassungsrecht Bedenken Fixierung Zwangsmedikation

Insbesondere müssen sie die Notwendigkeit der Maßnahmen im Einzelfall konkret begründen und darlegen, warum mildere Mittel nicht ausreichend waren.

Zusammenfassend lässt sich festhalten:

  • Fixierung und Zwangsmedikation stellen schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte auf Freiheit der Person und körperliche Unversehrtheit dar.
  • Gerichte müssen die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen sorgfältig prüfen und die Verhältnismäßigkeit der Eingriffe im Einzelfall begründen.
  • Das BVerfG fordert eine umfassende Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben und der eigenen Rechtsprechung.
  • Der Beschluss stärkt die Rechte von psychisch erkrankten Menschen und betont die Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes.
RA und Notar Krau

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