Vergessene Rechte im Grundbuch – Die Nachtragsliquidation in der notariellen Praxis
Aufsatz von Notarassessor Dr. Claus Ulrich Beisel, Ettlingen, und Notarassessor Dr. Lukas Wernert, Stuttgart, DNotZ 2025, 257
Die Abwicklung von Grundstücksgeschäften in der notariellen Praxis wird nicht selten durch die Notwendigkeit der Löschung von Rechten im Grundbuch erschwert.
Eine besondere Herausforderung stellt sich dar, wenn der Berechtigte eines solchen Rechts eine im Handelsregister bereits gelöschte (Handels-)Gesellschaft ist.
In solchen Fällen ist die Herbeiführung der Löschung ohne Weiteres nicht möglich, da die üblichen Wege – Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit oder Löschungsbewilligung des Betroffenen – versperrt sind.
Die Bestellung eines Nachtragsliquidators erweist sich in dieser Konstellation meist als unumgänglich, um die erforderliche Löschungsbewilligung zu erhalten.
Dieser Beitrag beleuchtet die Grundlagen und den Ablauf der Nachtragsliquidation, insbesondere im Kontext des GmbH-Rechts, welches in der notariellen Praxis eine hohe Relevanz besitzt.
Ziel ist es, Notaren und ihren Mitarbeitern Strategien für die Urkundsgestaltung und -abwicklung in Fällen zu vermitteln, in denen eine Nachtragsliquidation erforderlich wird.
Das Erfordernis einer Nachtragsliquidation gründet in der sogenannten Lehre vom Doppeltatbestand.
Demnach ist die Beendigung einer GmbH als Rechtssubjekt nicht allein mit der Eintragung des Erlöschens im Handelsregister vollzogen.
Vielmehr ist zusätzlich die tatsächliche Vermögenslosigkeit der Gesellschaft erforderlich.
Fehlt eine dieser Voraussetzungen, besteht die Gesellschaft rechtlich fort.
Man unterscheidet zwischen der „unechten“ Nachtragsliquidation gemäß § 66 Abs. 5 GmbHG und der „echten“ Nachtragsliquidation, die sich aus einer analogen Anwendung des § 273 Abs. 4 AktG ergibt.
Die „unechte“ Nachtragsliquidation kommt zum Tragen, wenn eine GmbH aufgrund von Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht wurde
und sich nachträglich herausstellt, dass doch noch Vermögen vorhanden ist.
In diesem Fall kann auf Antrag eines Beteiligten die erstmalige Liquidation durch Bestellung von Liquidatoren durch das Amtsgericht angeordnet werden.
Die „echte“ Nachtragsliquidation hingegen greift, wenn nach durchgeführter Liquidation und erfolgter Löschung im Handelsregister weiterer Handlungsbedarf besteht.
Dies kann die Verteilung von nachträglich aufgefundenem Vermögen betreffen, aber auch „sonstige Abwicklungsmaßnahmen“ erforderlich machen,
wie beispielsweise die Abgabe einer Löschungsbewilligung gegenüber dem Grundbuchamt.
Die analoge Anwendung des § 273 Abs. 4 AktG ist hier die maßgebliche Rechtsgrundlage, da diese Norm gerade nicht das Vorhandensein von verteilbarem Vermögen voraussetzt.
Die in Rechtsprechung und Literatur vereinzelt vertretenen alternativen Ansätze, wie die analoge Anwendung des § 74 Abs. 2 S. 2 GmbHG
oder die Heranziehung der Pflegschaft für unbekannte Beteiligte, werden als nicht überzeugend abgelehnt.
Die Veranlassung der Bestellung eines Nachtragsliquidators folgt einem regelmäßigen Muster:
Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hatte.
Das Verfahren erfordert einen Antrag antragsberechtigter Personen (Gesellschafter, Organmitglieder, Gläubiger etc.).
Der Antrag sollte die maßgeblichen Umstände, die die Notwendigkeit der Nachtragsliquidation begründen (vorhandenes Vermögen oder erforderliche Abwicklungsmaßnahmen), substantiiert darlegen.
Bei der Behauptung von vorhandenem Vermögen werden hohe Anforderungen an den Nachweis gestellt.
Bei „sonstigen Abwicklungsmaßnahmen“ genügt in der Regel die Vorlage eines aktuellen Grundbuchauszugs als Nachweis des Handlungsbedarfs.
Obwohl keine gesetzliche Pflicht zur Benennung besteht, wird von den Registergerichten in der Praxis regelmäßig erwartet,
dass der Antragsteller eine geeignete Person vorschlägt, die bereit ist, das Amt zu übernehmen.
Die Bestellung erfolgt durch das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei die Zustimmung der betreffenden Person zwingend erforderlich ist.
Umstritten ist, ob die Befugnisse des Nachtragsliquidators beschränkt werden können.
Während das OLG Koblenz eine Beschränkung ablehnt, befürwortet eine andere Ansicht die Möglichkeit und Gebotenheit der Beschränkung auf einzelne Maßnahmen, insbesondere bei „sonstigen Abwicklungsmaßnahmen“.
Erfolgt keine Eintragung der Gesellschaft und des Nachtragsliquidators im Handelsregister, ergibt sich die Vertretungsbefugnis allein aus dem Beschluss des Gerichts, der dann auch die Grenzen der Vertretungsmacht im Außenverhältnis bestimmt.
Während Teile der Lehre ausnahmslos eine erneute Eintragung der Gesellschaft fordern, besteht mittlerweile weitgehende Einigkeit, dass bei Beschränkung der Tätigkeit des Nachtragsliquidators auf
einzelne Abwicklungsmaßnahmen (wie die Löschung eines vergessenen Grundpfandrechts) eine Eintragung nicht erforderlich ist.
In diesen Fällen genügt der Bestellungsbeschluss des Registergerichts als Nachweis der Existenz der Gesellschaft und der Vertretungsberechtigung des Nachtragsliquidators.
Bei komplexeren Abwicklungsmaßnahmen oder verlorenem Grundschuldbrief kann eine Eintragung jedoch sinnvoll sein.
Die Zustimmung desdesignierten Nachtragsliquidators ist einzuholen. Registergerichte verlangen oft eine Erklärung,
dass keine Hinderungsgründe nach § 6 GmbHG vorliegen und auf die Geltendmachung von Kosten gegenüber der Staatskasse verzichtet wird.
Nach Abschluss der Nachtragsliquidation ist gegebenenfalls die erneute Löschung der Gesellschaft im Handelsregister zu beantragen oder dem Register die Erledigung der Abwicklungsmaßnahme mitzuteilen.
Da die gelöschte GmbH in der Regel vermögenslos ist, trägt in der Praxis meist der Verkäufer die Kosten des gerichtlichen Verfahrens und die Vergütung des Nachtragsliquidators.
Die gerichtlichen Gebühren für die Bestellung eines Nachtragsliquidators belaufen sich nach GNotKG auf eine doppelte Gebühr ausgehend von einem Geschäftswert von 60.000 EUR.
Die Vergütung des Liquidators wird in der Regel privatautonom vereinbart oder im Rahmen einer analogen Anwendung des § 265 Abs. 4 AktG durch das Gericht festgesetzt.
Gegen gerichtliche Entscheidungen betreffend die Bestellung eines Nachtragsliquidators ist die Beschwerde nach den §§ 58 ff., 402 FamFG statthaft.
Beschwerdebefugt sind unter anderem erfolglose Antragsteller sowie unter Umständen die Gesellschaft und ihre Gesellschafter,
wobei die Beschwerdebefugnis der Gesellschafter umstritten ist und in der Regel nur bei konkreter Gefährdung ihrer Interessen angenommen wird.
Der Nachtragsliquidator selbst ist grundsätzlich nicht beschwerdebefugt.
Neben der GmbH bestehen auch bei anderen Rechtsformen Besonderheiten hinsichtlich der Nachtragsliquidation:
Für die „unechte“ Nachtragsliquidation existiert eine Spezialnorm (§ 143 Abs. 1 S. 2 HGB).
Für die „echte“ Nachtragsliquidation ist nach herrschender Meinung keine solche notwendig; das Gericht kann die Löschung von Amts wegen löschen
und die Abwicklung durch die bisherigen Liquidatoren oder deren Erben fortgesetzt werden.
Eine analoge Anwendung des § 273 Abs. 4 AktG wird in Ausnahmefällen befürwortet, insbesondere wenn die Gesellschafter als Liquidatoren nicht erreichbar sind.
Hier wird die analoge Anwendung des § 273 Abs. 4 AktG anerkannt.
Für die „unechte“ Nachtragsliquidation gilt § 264 Abs. 2 AktG, für die „echte“ Nachtragsliquidation § 273 Abs. 4 AktG.
Bei Vorliegen von verteilbarem Vermögen oder Erfordernis weiterer Abwicklungsmaßnahmen bestellt das Gericht analog § 29 BGB die bisherigen oder andere Liquidatoren.
Eine erneute Eintragung im Vereinsregister ist nur bei nicht untergeordneten Handlungen erforderlich.
Für die „unechte“ Nachtragsliquidation existiert § 83 Abs. 5 GenG.
Für die „echte“ Nachtragsliquidation wird eine analoge Anwendung des § 273 Abs. 4 AktG befürwortet, verbunden mit der erneuten
Eintragung im Genossenschaftsregister bei nicht bloß einzelnen Abwicklungsmaßnahmen.
Grundsätzlich gelten die Grundsätze des Aktienrechts (§ 204 Abs. 3 VAG).
Bei kleineren Vereinen i.S.d. § 210 VAG richtet sich die Nachtragsliquidation nach § 29 BGB, wobei die Aufsichtsbehörde (BaFin) zuständig ist.
Um die Herausforderungen der Nachtragsliquidation im Rahmen von Grundstücksgeschäften zu bewältigen, stehen dem Notar verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung:
Eine frühzeitige Identifizierung des Erfordernisses der Nachtragsliquidation durch genaue Prüfung der Grundbuchbelastungen ist entscheidend.
Bei Eintragungen zugunsten gelöschter Gesellschaften sollten umgehend Recherchen im Handelsregister erfolgen.
Im Idealfall wird bereits vor Beurkundung ein Nachtragsliquidator bestellt, der die erforderliche Löschungsbewilligung erteilen kann.
Liegt zum Zeitpunkt der Beurkundung keine Löschungsbewilligung vor, kann der Notar verschiedene Gestaltungsansätze vorschlagen:
Vereinbarung, das Recht im Grundbuch bestehen zu lassen (insbesondere bei innerfamiliären Übertragungen, jedoch bei entgeltlichen Kaufverträgen kritisch zu prüfen).
Abwicklung über ein Notaranderkonto (Vorsicht hinsichtlich des berechtigten Sicherungsinteresses).
Zurückbehalt eines Teils des Kaufpreises zur Ablösung des Grundpfandrechts.
Koppelung des Vollzugs an die Vorlage der Löschungsunterlagen.
Wurde das Erfordernis der Nachtragsliquidation erst nach Beurkundung erkannt, können die oben genannten Kautelen in einem
Nachtrag beurkundet werden (persönliche Anwesenheit der Beteiligten erforderlich).
Der Notar hat die Beteiligten über das weitere Prozedere zu informieren und zu belehren.
Die Nachtragsliquidation zur Löschung vergessener Rechte im Grundbuch stellt in der notariellen Praxis ein erhebliches Hindernis dar und
verursacht für den Verkäufer oft erhebliche Mehrkosten und Verzögerungen.
Eine frühzeitige Identifizierung des Problems, eine umfassende Beratung der Beteiligten und eine zielgerichtete notarielle Begleitung
sind entscheidend, um die Situation möglichst rasch zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu führen.
Die Kenntnis der spezifischen Regelungen für die verschiedenen Rechtsformen und des typischen Ablaufs der Nachtragsliquidation ist für den Notar unerlässlich,
um seine Mandanten effektiv unterstützen zu können.
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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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