Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs – Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung unter Lebenden

Mai 9, 2019

Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs – Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung unter Lebenden

BGH 9.3.1988 – IVa ZR 272/86

RA und Notar Krau

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 9. März 1988 (Az. IVa ZR 272/86) beschäftigt sich mit der Verjährung von Pflichtteils– und Pflichtteilsergänzungsansprüchen.

Der Fall betrifft zwei Brüder, von denen einer nach dem Tod der Eltern einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend macht.

Die Eltern hatten sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und dem Beklagten bereits zu Lebzeiten das Landgut übertragen, was der Kläger als gemischte Schenkung ansieht.

Der Kläger erfuhr erst nach dem Tod der Mutter von dieser Übertragung und machte daher erst dann seine Ansprüche geltend.

Der BGH entschied, dass die Verjährung eines Pflichtteilsanspruchs gemäß § 2332 BGB grundsätzlich in drei Jahren beginnt,

wenn der Berechtigte Kenntnis vom Erbfall und der ihn beeinträchtigenden Verfügung erlangt.

Dabei kann die „beeinträchtigende Verfügung“ entweder eine Verfügung von Todes wegen (z. B. ein Testament) oder ein Rechtsgeschäft unter Lebenden (z. B. eine Schenkung) sein.

Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs – Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung unter Lebenden

Der BGH stellte fest, dass die Verjährung für den Pflichtteilsergänzungsanspruch separat beginnt, wenn der Berechtigte erst später von einer weiteren ihn beeinträchtigenden Verfügung erfährt.

Im konkreten Fall betraf dies die Übertragung des Hofes, die der Kläger erst nach dem Tod der Mutter entdeckte.

Der BGH betonte, dass Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche eigenständig sind und daher unterschiedliche Verjährungsfristen haben können,

je nachdem, wann der Berechtigte von den verschiedenen beeinträchtigenden Verfügungen Kenntnis erlangt.

Der BGH gab der Ansicht den Vorzug, dass die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs erst mit der Kenntnis der letzten relevanten Verfügung beginnt,

um den Pflichtteilsberechtigten vor unzulässigen Benachteiligungen zu schützen.

Diese Entscheidung verdeutlicht die differenzierte Behandlung der Verjährung im Erbrecht und stellt sicher, dass Erben ihre Ansprüche effektiv geltend machen können.

Allgemeiner Hinweis:

Die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs richtet sich nach den allgemeinen Regeln der zivilrechtlichen Verjährung (§§ 195, 199 BGB).

Dies bedeutet, dass die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre beträgt.

Beginn der Verjährungsfrist:

Die Verjährungsfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis erlangt hat von:

dem Erbfall,
der ihn beeinträchtigenden Verfügung unter Lebenden (Schenkung) und
der Person des Beschenkten (Schuldner des Anspruchs).
Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung unter Lebenden:

Für den Beginn der Verjährung ist es entscheidend, wann der Pflichtteilsberechtigte tatsächliche Kenntnis von der Schenkung erlangt hat, die seinen Pflichtteilsanspruch schmälert.

Bloße Vermutungen oder eine allgemeine Kenntnis von Zuwendungen des Erblassers reichen hierfür nicht aus.

Der Pflichtteilsberechtigte muss die wesentlichen Umstände der Schenkung kennen, die den Anspruch begründen.

Dazu gehören in der Regel:

dass eine Schenkung stattgefunden hat,
der Gegenstand der Schenkung und
der Beschenkte.

Sonderfall:

Unkenntnis trotz grober Fahrlässigkeit:

Die Verjährungsfrist beginnt auch dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Kenntnis der oben genannten Umstände grob fahrlässig nicht erlangt hat.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Unkenntnis auf einer ungewöhnlich großen Sorglosigkeit beruht und das nicht beachtet wurde, was jedem hätte einleuchten müssen.

Höchstfrist:

Unabhängig von der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten verjährt der Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 199 Abs. 3a BGB spätestens 30 Jahre nach dem Erbfall.

Verjährung gegenüber dem Beschenkten:

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten (§ 2329 BGB) verjährt kenntnisunabhängig in drei Jahren ab dem Erbfall.

Zusammenfassend lässt sich sagen:

Die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs beginnt grundsätzlich mit dem Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte von der beeinträchtigenden Schenkung Kenntnis erlangt hat.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass es eine Höchstfrist von 30 Jahren ab dem Erbfall gibt und für Ansprüche gegen den Beschenkten

eine kenntnisunabhängige Verjährungsfrist von drei Jahren ab dem Erbfall gilt.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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