Verjährung von Pflichtteils– und Pflichtteilsergänzungsansprüchen
BGH 23.02.1972 – IV ZR 135/70
RA und Notar Krau
In dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Februar 1972 ging es um die Verjährung von Pflichtteils– und Pflichtteilsergänzungsansprüchen.
Der Fall betraf eine Familie, in der die Eltern einen Ehe- und Erbvertrag abgeschlossen hatten, der die Kinder auf den Pflichtteil beschränkte.
Die Mutter schenkte vor ihrem Tod mehrere Grundstücke an zwei ihrer Söhne, während die Tochter erst nach dem Tod der Mutter und Vater von den Schenkungen erfuhr.
Der Vater setzte einen der Söhne zum Alleinerben ein.
Die Klägerin, die Tochter, machte erst nach dem Tod des Vaters Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend.
Der Beklagte, ihr Bruder, argumentierte, diese Ansprüche seien verjährt, da die Klägerin bereits seit 1961 von den Schenkungen wusste.
Die Klägerin hingegen behauptete, erst 1965 durch die Eröffnung des Ehe- und Erbvertrages von ihrem Ausschluss von der Erbfolge erfahren zu haben.
Der BGH entschied, dass die Verjährung erst mit der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von der letzten, für ihn nachteiligen Verfügung beginnt.
Da die Klägerin erst 1965 von ihrem Ausschluss von der Erbfolge erfuhr, begann die Verjährungsfrist erst zu diesem Zeitpunkt.
Daher waren ihre Ansprüche nicht verjährt.
Das Gericht stellte klar, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch und der Pflichtteilsanspruch grundsätzlich einheitlich verjähren,
wenn der Pflichtteilsberechtigte von beiden maßgeblichen Umständen – der Schenkung und dem Testament – Kenntnis erlangt hat.
Diese Entscheidung betont, dass der Beginn der Verjährung von der Kenntnis aller relevanten Informationen abhängt und nicht nur von der Kenntnis einzelner Aspekte der erbrechtlichen Situation.
Die Revision des Beklagten wurde daher zurückgewiesen, und die Klägerin konnte ihre Ansprüche weiterverfolgen.
Die Verjährung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen unterliegt in Deutschland unterschiedlichen Fristen und Regelungen:
Die regelmäßige Verjährungsfrist für den Pflichtteilsanspruch beträgt drei Jahre (§ 195 BGB).
Der Beginn der Verjährungsfrist ist jedoch speziell geregelt (§ 199 Abs. 1 BGB): Sie beginnt am Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte von folgenden Umständen Kenntnis erlangt hat:
Dem Erbfall
Der Enterbung (durch Testament oder Erbvertrag)
Der Person des Erben (als Schuldner des Anspruchs)
Beispiel: Verstirbt der Erblasser am 15. Juni 2025 und der enterbte Pflichtteilsberechtigte erfährt davon sowie vom Erben im August 2025,
so beginnt die dreijährige Verjährungsfrist am 31. Dezember 2025 und endet am 31. Dezember 2028.
Unabhängig von der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten verjährt der Pflichtteilsanspruch spätestens 30 Jahre nach dem Erbfall (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB).
Auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB).
Der Beginn der Verjährungsfrist ist hier ebenfalls an die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten geknüpft (§ 199 Abs. 1 BGB):
Kenntnis von der ihn beeinträchtigenden Verfügung unter Lebenden (der Schenkung)
Kenntnis vom Schuldner des Ergänzungsanspruchs (in der Regel der Erbe, in bestimmten Fällen auch der Beschenkte selbst gemäß § 2329 BGB)
Kenntnis von der Enterbung (sofern relevant für den Pflichtteilsanspruch, auf dessen Grundlage der Ergänzungsanspruch besteht)
Für den Pflichtteilsergänzungsanspruch spielt die sogenannte 10-Jahres-Frist (§ 2325 Abs. 3 BGB) eine wichtige Rolle. Schenkungen des Erblassers innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall werden bei
der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs berücksichtigt, wobei der Wert der Schenkung pro Jahr, das seit der Schenkung vergangen ist, um 10% absinkt („Abschmelzung“).
Schenkungen, die älter als zehn Jahre vor dem Erbfall liegen, bleiben in der Regel unberücksichtigt, was faktisch zu einem Entfallen des Ergänzungsanspruchs in Bezug auf diese Schenkungen führt.
Auch für den Pflichtteilsergänzungsanspruch gilt die kenntnisunabhängige Höchstfrist von 30 Jahren ab dem Erbfall (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB).
Gegenüber dem Beschenkten selbst verjährt der Anspruch gemäß § 2329 Abs. 2 Satz 2 BGB drei Jahre ab dem Erbfall, unabhängig von der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten.
Die Verjährung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen kann unter bestimmten Umständen gehemmt werden (§§ 203 ff. BGB).
Dies kann beispielsweise der Fall sein bei:
Verhandlungen zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und dem Erben/Beschenkten.
Rechtsverfolgung durch Klageerhebung oder Mahnverfahren.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.