Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers bei Überfahren eines Pfostenfußes
OLG Hamm (7. Zivilsenat), Hinweisbeschluss vom 21.01.2025 – 7 U 3/25
Gerne fasse ich den Hinweisbeschluss des OLG Hamm zum Thema Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers bei Überfahren eines Pfostenfußes für Sie zusammen.
Es geht um einen Rechtsstreit, bei dem ein Kläger nach einem Unfall auf dem Grundstück des Beklagten Schadensersatz forderte. Der Kläger ist über den Pfostenfuß eines Absperrpfostens gefahren, der aus seiner Verankerung gerissen war, und hat dadurch Schaden erlitten.
Der Kläger warf dem Grundstückseigentümer (dem Beklagten) eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor, also dass er das Grundstück nicht ausreichend gesichert hatte.
Das Landgericht hatte die Klage bereits abgewiesen.
Der Kläger legte Berufung ein, die das Oberlandesgericht (OLG) Hamm jedoch durch einen Hinweisbeschluss – also eine vorläufige Einschätzung – zurückweisen will.
Das OLG Hamm beabsichtigt, die Berufung des Klägers abzuweisen, weil es davon überzeugt ist, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zusteht.
Der zentrale Punkt ist, dass der Kläger nicht beweisen konnte, dass der Grundstückseigentümer seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.
Im sogenannten deliktischen Bereich (Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, hier § 823 BGB) muss der Geschädigte (der Kläger) beweisen, dass die Gegenseite (der Beklagte) eine Pflicht verletzt hat.
Der Kläger konnte nicht belegen, dass der abgerissene Pfostenfuß schon lange genug vor dem Unfall (morgens gegen 6:40 Uhr) existierte, sodass der Beklagte ihn hätte bemerken und absichern müssen.
Es steht ernsthaft zur Debatte und erzeugt Zweifel beim Gericht (§ 286 ZPO), ob der Pfosten nicht erst kurz vor dem Unfall (z. B. in der Nacht) durch unbekannte Dritte (Vandalismus) aus seiner Verankerung gerissen wurde.
Das Gericht stellt klar, dass eine Verkehrssicherungspflicht nicht bedeutet, jede erdenkliche Gefahr auszuschließen. Es muss nur die Sicherheit gewährleistet werden, die ein verständiger, umsichtiger Mensch unter den gegebenen Umständen für ausreichend hält.
Die Pflichten des Eigentümers richten sich nach der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, der Schwere des möglichen Schadens und den Kosten der Sicherung (Zumutbarkeit).Keine permanente Kontrolle: Es ist anerkannt, dass Verkehrsflächen, auch wenn dort Vandalismus bekannt ist, nicht ständig auf drohende Gefahren überprüft werden müssen (z. B. nicht nachts oder kurz vor Betriebsbeginn).
Obwohl auf dem Grundstück Vandalismus bekannt war, war der Beklagte nicht verpflichtet, den Absperrpfosten jederzeit oder am frühen Morgen des Unfalltages (vor 6:40 Uhr) auf seine ordnungsgemäße Befestigung zu kontrollieren.
Das Gericht stimmt dem Kläger zu, dass das Landgericht fälschlicherweise ein alleiniges Verschulden des Klägers angenommen hatte, was den Anspruch komplett ausschließen würde.
Der Kläger trifft ein Mitverschulden (§ 254 BGB), weil er entweder unvorsichtig durch Laub fuhr, welches den Pfostenfuß verdeckte, oder weil er bei freier Sicht gegen das Gebot der ständigen Vorsicht und Rücksichtnahme im Straßenverkehr (§ 3 Abs. 1 S. 4 StVO) verstoßen hat.
Ein Anspruch kann jedoch nur ausnahmsweise wegen Mitverschuldens vollständig entfallen, wenn das Verhalten des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet ist. Das sah das OLG in diesem Fall nicht als gegeben an.
Obwohl das Gericht das Mitverschulden des Klägers nicht als alleinigen Grund für die Abweisung ansieht, scheitert der Anspruch bereits daran, dass der Kläger keine Pflichtverletzung des Grundstückseigentümers im Sinne einer schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflicht beweisen konnte. Die Gefahr war vermutlich zu kurzfristig durch Dritte entstanden, als dass der Eigentümer sie hätte erkennen und beheben können und müssen.
Die Pflicht, Gefahren von öffentlich zugänglichen Grundstücken fernzuhalten.
Wer etwas behauptet, muss es im Zivilrecht beweisen (hier: Der Kläger muss die Pflichtverletzung beweisen).
Sicherungsmaßnahmen müssen zumutbar sein; eine ständige Überwachung ist in der Regel nicht zumutbar.
Wenn der Geschädigte den Schaden durch eigenes Fehlverhalten mitverursacht hat (§ 254 BGB).Dieser Beschluss zeigt einmal mehr, wie hoch die Hürden sind, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nachzuweisen, insbesondere wenn Gefahren plötzlich und durch Dritte entstehen.
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