Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers bei Überfahren eines Pfostenfußes

Oktober 29, 2025

Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers bei Überfahren eines Pfostenfußes

OLG Hamm (7. Zivilsenat), Hinweisbeschluss vom 21.01.2025 – 7 U 3/25

Gerne fasse ich den Hinweisbeschluss des OLG Hamm zum Thema Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers bei Überfahren eines Pfostenfußes für Sie zusammen.

Worum geht es in dem Fall?

Es geht um einen Rechtsstreit, bei dem ein Kläger nach einem Unfall auf dem Grundstück des Beklagten Schadensersatz forderte. Der Kläger ist über den Pfostenfuß eines Absperrpfostens gefahren, der aus seiner Verankerung gerissen war, und hat dadurch Schaden erlitten.

Der Kläger warf dem Grundstückseigentümer (dem Beklagten) eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor, also dass er das Grundstück nicht ausreichend gesichert hatte.

Das Landgericht hatte die Klage bereits abgewiesen.

Der Kläger legte Berufung ein, die das Oberlandesgericht (OLG) Hamm jedoch durch einen Hinweisbeschluss – also eine vorläufige Einschätzung – zurückweisen will.

Die Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm beabsichtigt, die Berufung des Klägers abzuweisen, weil es davon überzeugt ist, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zusteht.

1. Kein Nachweis einer Pflichtverletzung durch den Eigentümer

Der zentrale Punkt ist, dass der Kläger nicht beweisen konnte, dass der Grundstückseigentümer seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.

Beweislast liegt beim Geschädigten:

Im sogenannten deliktischen Bereich (Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, hier § 823 BGB) muss der Geschädigte (der Kläger) beweisen, dass die Gegenseite (der Beklagte) eine Pflicht verletzt hat.

Wann hätte der Eigentümer handeln müssen?

Der Kläger konnte nicht belegen, dass der abgerissene Pfostenfuß schon lange genug vor dem Unfall (morgens gegen 6:40 Uhr) existierte, sodass der Beklagte ihn hätte bemerken und absichern müssen.

Zweifel an der Entstehung der Gefahr:

Es steht ernsthaft zur Debatte und erzeugt Zweifel beim Gericht (§ 286 ZPO), ob der Pfosten nicht erst kurz vor dem Unfall (z. B. in der Nacht) durch unbekannte Dritte (Vandalismus) aus seiner Verankerung gerissen wurde.

2. Keine Pflicht zur ständigen Überwachung

Das Gericht stellt klar, dass eine Verkehrssicherungspflicht nicht bedeutet, jede erdenkliche Gefahr auszuschließen. Es muss nur die Sicherheit gewährleistet werden, die ein verständiger, umsichtiger Mensch unter den gegebenen Umständen für ausreichend hält.

Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers bei Überfahren eines Pfostenfußes

Zumutbarkeit von Sicherungen:

Die Pflichten des Eigentümers richten sich nach der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, der Schwere des möglichen Schadens und den Kosten der Sicherung (Zumutbarkeit).Keine permanente Kontrolle: Es ist anerkannt, dass Verkehrsflächen, auch wenn dort Vandalismus bekannt ist, nicht ständig auf drohende Gefahren überprüft werden müssen (z. B. nicht nachts oder kurz vor Betriebsbeginn).

Übertragung auf den Fall:

Obwohl auf dem Grundstück Vandalismus bekannt war, war der Beklagte nicht verpflichtet, den Absperrpfosten jederzeit oder am frühen Morgen des Unfalltages (vor 6:40 Uhr) auf seine ordnungsgemäße Befestigung zu kontrollieren.

3. Mitverschulden des Klägers (Aber nicht allein ausschlaggebend)

Das Gericht stimmt dem Kläger zu, dass das Landgericht fälschlicherweise ein alleiniges Verschulden des Klägers angenommen hatte, was den Anspruch komplett ausschließen würde.

Mitverschulden liegt vor:

Der Kläger trifft ein Mitverschulden (§ 254 BGB), weil er entweder unvorsichtig durch Laub fuhr, welches den Pfostenfuß verdeckte, oder weil er bei freier Sicht gegen das Gebot der ständigen Vorsicht und Rücksichtnahme im Straßenverkehr (§ 3 Abs. 1 S. 4 StVO) verstoßen hat.

Keine vollständige Kürzung:

Ein Anspruch kann jedoch nur ausnahmsweise wegen Mitverschuldens vollständig entfallen, wenn das Verhalten des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet ist. Das sah das OLG in diesem Fall nicht als gegeben an.

Fazit des OLG Hamm:

Obwohl das Gericht das Mitverschulden des Klägers nicht als alleinigen Grund für die Abweisung ansieht, scheitert der Anspruch bereits daran, dass der Kläger keine Pflichtverletzung des Grundstückseigentümers im Sinne einer schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflicht beweisen konnte. Die Gefahr war vermutlich zu kurzfristig durch Dritte entstanden, als dass der Eigentümer sie hätte erkennen und beheben können und müssen.

Wichtige Schlagworte zum Mitnehmen

Verkehrssicherungspflicht:

Die Pflicht, Gefahren von öffentlich zugänglichen Grundstücken fernzuhalten.

Beweislast:

Wer etwas behauptet, muss es im Zivilrecht beweisen (hier: Der Kläger muss die Pflichtverletzung beweisen).

Zumutbarkeit:

Sicherungsmaßnahmen müssen zumutbar sein; eine ständige Überwachung ist in der Regel nicht zumutbar.

Mitverschulden:

Wenn der Geschädigte den Schaden durch eigenes Fehlverhalten mitverursacht hat (§ 254 BGB).Dieser Beschluss zeigt einmal mehr, wie hoch die Hürden sind, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nachzuweisen, insbesondere wenn Gefahren plötzlich und durch Dritte entstehen.

RA und Notar Krau

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