Verkehrssicherungspflicht: Umfang der Streupflicht auf dem Parkplatz eines Lebensmittelmarktes
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 17. April 2018, Az: 11 U 67/17, Urteil
vorgehend LG Itzehoe, 8. Mai 2017, Az: 6 O 33/16
Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 2. Juli 2019 (Az: VI ZR 184/18) zur Streupflicht auf dem Parkplatz eines Lebensmittelmarktes
Dieses Urteil befasst sich mit der Frage, wie weit die Pflicht eines Betreibers eines Lebensmittelmarktes geht, seinen Kundenparkplatz bei Glatteis zu streuen. Konkret ging es darum, ob die markierten Parkflächen selbst und die Bereiche zwischen den geparkten Autos gestreut werden müssen.
Eine Klägerin rutschte am frühen Morgen des 2. Dezember 2013 auf dem Parkplatz eines Lebensmittelmarktes aus, stürzte und verletzte sich. Zu dieser Zeit herrschten Minusgrade und allgemeine Glätte.
Die Klägerin hatte ihren Wagen auf einer markierten Stellfläche in der Nähe des Markteingangs abgestellt.
Sie behauptete, an der Stelle, an der sie ausrutschte, habe sich im Boden eine Vertiefung befunden, in der über Nacht gefrorenes Wasser zu einer Eisfläche wurde.
Die Klägerin war der Ansicht, sowohl der Marktbetreiber als auch der beauftragte Winterdienst (die Beklagten) hätten ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, da an der Unfallstelle nicht gestreut worden war – was unstreitig war.
Die Klage auf Schadensersatz wurde bereits von den Vorinstanzen (Landgericht und Oberlandesgericht) abgewiesen. Die Klägerin legte daraufhin Revision beim Bundesgerichtshof ein.
Der BGH wies die Revision der Klägerin zurück und bestätigte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen. Er sah keine Verletzung der Streupflicht durch die Beklagten für den konkreten Bereich, in dem der Unfall passierte.
Der BGH stellte klar: Auch wenn allgemeine Glätte herrscht, ist die Streupflicht nicht unbegrenzt. Sie gilt nur im Rahmen des Zumutbaren für den Pflichtigen.
Verkehrssicherungspflicht (hier: die Streupflicht) soll wirkliche Gefahren beseitigen, nicht bloße Unbequemlichkeiten verhindern.
Grundsätzlich müssen sich Verkehrsteilnehmer (Fußgänger, Kunden) auf gegebene winterliche Verhältnisse einstellen und selbst vorsichtig sein.
Diese Grundsätze gelten sowohl für öffentliche als auch für private Kundenparkplätze.
Der zentrale Punkt der Entscheidung ist, dass eine Streupflicht regelmäßig nicht für die markierten Parkstellflächen und die Bereiche zwischen den parkenden Fahrzeugen besteht:
Die Gefahr des Ausrutschens auf diesen Flächen wird als eher gering eingestuft, da man sie als Wageninsasse nur beim Ein- und Aussteigen betritt und sich dabei am Fahrzeug festhalten kann. Es ist den Kunden zumutbar, beim Ein- und Aussteigen sowie beim Be- und Entladen besondere Vorsicht walten zu lassen.
Bei einem großen Parkplatz mit ständigem Fahrzeugwechsel ist das maschinelle Streuen zwischen den eng stehenden Autos nicht möglich. Eine kontinuierliche, händische Bestreuung dieses Bereichs ist dem Betreiber wegen des hohen Aufwandes nicht zumutbar.
Obwohl der Parkplatz den Kunden dienen soll, um sie zum Einkauf zu bewegen, ergab sich daraus keine strengere Streupflicht für die markierten Stellflächen:
Die Kunden können erwarten, dass das Be- und Entladen möglichst sicher ist.
Es ist ihnen jedoch zumutbar, ihr Fahrzeug so abzustellen, dass sie durch die gestreuten Fahrwege das Heck zum Be- und Entladen gefahrlos erreichen können.
Die behauptete Vertiefung im Boden, in der das Eis entstand, stellte laut BGH keine besondere, schwer erkennbare Gefahr dar, die zwingend hätte beseitigt werden müssen:
Mit gewissen Vertiefungen und damit verbundenen örtlichen Glättestellen muss auf Parkplätzen stets gerechnet werden.
Die Beklagten durften erwarten, dass Kunden sich auf winterliche Verhältnisse einstellen und bei Unsicherheit Vorsicht walten lassen oder sich festhalten.
Die Betreiber des Lebensmittelmarktes mussten die Fahrwege räumen und streuen, um den gefahrlosen Zu- und Abgang zu gewährleisten. Sie mussten jedoch nicht die gesamte Parkfläche, insbesondere nicht die Bereiche zwischen den parkenden Autos, ständig von Glatteis freihalten.
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