Verletzung der Verkehrssicherungspflicht eines Geschäftsbetreibers – Höhe des Schmerzensgeldes einer Kundin nach sturzbedingtem Ellebogenbruch
Gericht: OLG Zweibrücken 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 26.01.2022
Aktenzeichen: 1 U 209/20
Dokumenttyp: Urteil
Zusammenfassung des Urteils des OLG Zweibrücken (1 U 209/20)
Dieses Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 26. Januar 2022 befasst sich mit einem Fall, in dem eine Kundin auf dem Weg vom Einkaufscenter zu ihrem Auto auf dem Parkplatz stürzte und sich dabei einen komplizierten Ellenbogenbruch zuzog. Die Klägerin forderte Schmerzensgeld und Schadensersatz vom Betreiber des Einkaufscenters.
Die Kundin (Klägerin), damals knapp 54 Jahre alt, stürzte am 26. Januar 2013 auf dem Gehweg zwischen dem Supermarkt im Einkaufscenter und den Parkplätzen.
Eine quer über den Weg verlaufende Gummiabdeckung (vermutlich zur Abdichtung einer Dehnungsfuge), die an mehreren Stellen wellig hochstand und in den Laufbereich hineinragte, wurde als Stolperfalle identifiziert.
Die Klägerin erlitt eine schwere Ellenbogengelenksfraktur (offener Bruch) mit Gelenksluxation und erheblichen knöchernen Verletzungen, die mehrere Operationen und eine langwierige Heilbehandlung erforderten.
Die Klägerin forderte ursprünglich mindestens 120.000 € Schmerzensgeld, sowie Ersatz für Sachschäden (z.B. Fahrtkosten) und die Feststellung der Einstandspflicht für künftige Schäden.
Das OLG Zweibrücken bestätigte im Wesentlichen das Urteil der Vorinstanz (Landgericht Kaiserslautern):
Das Gericht bejahte eine Haftung des Betreibers des Einkaufscenters (Beklagte) wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.
Der Betreiber eines Ladengeschäfts muss sicherstellen, dass Kunden auf den dem Publikumsverkehr gewidmeten Flächen – einschließlich der Wege zwischen Parkplatz und Ladengeschäft – keinen vermeidbaren Gefahren ausgesetzt sind.
Die wellig hochstehende, etwa 40 cm breite Gummiabdeckung stellte eine solche vermeidbare Gefahr dar. Bei einem Niveauunterschied von über 3 cm im Laufbereich eines belebten Weges ist eine Beseitigung der Stolperfalle oder eine Warnung erforderlich. Die Beklagte hätte die Unebenheiten unverzüglich beseitigen müssen.
Aufgrund der Beweisaufnahme sah das Gericht es als erwiesen an, dass die Klägerin über diese hochstehende Abdeckung gestolpert und deshalb gestürzt ist.
Ein Mitverschulden der Klägerin lehnte das Gericht ab. Die Mängel waren bei Dunkelheit und Publikumsverkehr nicht leicht erkennbar, da die dunkle Abdeckung sich farblich kaum vom nassen Betonboden abhob. Die Klägerin habe sich nicht unverantwortlich sorglos verhalten.
Das Gericht hielt das bereits vom Landgericht zugesprochene Schmerzensgeld von 17.500 € für angemessen.
Bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes sind die Schwere der Verletzungen, die Leidensdauer, die subjektive Wahrnehmung der Beeinträchtigung, das Lebensalter des Verletzten und das Ausmaß des Verschuldens des Schädigers zu berücksichtigen. Auch die Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung spielt eine Rolle.
Trotz der schweren Verletzung (komplizierter Ellenbogenbruch), der mehreren Operationen, des langwierigen Heilungsverlaufs und der dauerhaft eingeschränkten Funktionsfähigkeit des Ellenbogens (teilweise aufgehobene Drehbeweglichkeit, eingeschränkte Grobkraft) liegt der Betrag von 17.500 € im oberen Bereich vergleichbarer Urteile.
Das Gericht berücksichtigte, dass der Sachverständige den unfallbedingten Grad der Behinderung nur mit 20 bezifferte (ein höherer GdB von 60 beruhte überwiegend auf Vorerkrankungen) und die Klägerin nach eigenen Angaben „wieder viel machen“ könne.
Die Forderung nach weiterem Schmerzensgeld (über die 17.500 € hinaus) wurde zurückgewiesen.
Die Forderungen nach Sachschäden wurden nur geringfügig (100 €) bestätigt, da die Notwendigkeit der weiten Fahrten zur Behandlung nicht ausreichend begründet war.
Die Feststellungsklage (Verpflichtung zum Ersatz künftiger, objektiv nicht vorhersehbarer Schäden) wurde neu gefasst, um klarzustellen, dass bereits absehbare künftige Verletzungsfolgen vom zugesprochenen Schmerzensgeld abgedeckt sind (Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes).
Dieses Urteil bekräftigt, dass Betreiber von öffentlich zugänglichen Flächen (wie Parkplätzen und Zugangswegen von Geschäften) eine umfassende Verkehrssicherungspflicht haben. Sie müssen ihre Flächen so gestalten und kontrollieren, dass Kunden nicht über leicht vermeidbare Gefahren wie stark hervorstehende Bodenabdeckungen stürzen. Bei schweren, langwierigen Verletzungen wie einem komplizierten Ellenbogenbruch mit dauerhaften Folgen kann ein Schmerzensgeld in einer Höhe von 17.500 € (zum Zeitpunkt des Urteils) angemessen sein.
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