Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen – Anforderungen an den Übertragungsvertrag
OFD Frankfurt a. M., RdVfg. v. 22.9.2025 – S 2221 A-00111-0357-St 21; Textstellen, die gegenüber der Vorversion erheblich geändert wurden, werden in Fettschrift dargestellt.
Nach Rn. 52 des BMF-Schreibens v. 11.3.2010, ofix: EStG/10/21 (DStR 2010, 545) sind Versorgungsleistungen anlässlich einer begünstigten unentgeltlichen Vermögensübertragung beim Empfänger in vollem Umfang steuerpflichtig und beim Verpflichteten in vollem Umfang als Sonderausgaben abziehbar (Korrespondenzprinzip). Daher kommt es bei nach dem 1.1.2008 geschlossenen, begünstigten Übertragungsverträgen nicht mehr entscheidend darauf an, ob die wiederkehrende Versorgungsleistungen in Form von Renten oder dauernden Lasten geleistet werden.
Die steuerrechtliche Anerkennung des Übertragungsvertrags setzt u.a. voraus, dass die Leistungen wie vereinbart tatsächlich erbracht werden (Rn. 59 des BMF v. 11.3.2010, ofix: EStG/10/21, DStR 2010, 545).
So hat das FG Niedersachsen in seinem Urteil v. 27.6.2019 – 11 K 291/18, BeckRS 2019, 42673, in der Nichtdurchführung der vertraglichen Regelung im Übergabevertrag, welche eine Erhöhung des Baranteils ab einem bestimmten Zeitpunkt voraussieht (Vollendung des 65. Lebensjahres) eine Vertragsstörung gesehen. Erst nach rund 1,5 Jahren wurde dann tatsächlich ein höherer als der vereinbarte Baranteil überwiesen. Das FG schloss im Rahmen einer Gesamtwürdigung daraus, dass es den Beteiligten am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlte.
Der BFH hat mit Urteil v. 16.6.2021, Az. X R 3/20 (DStR 2022, 32) die Entscheidung des FG Niedersachsen aufgehoben und an das FG zur erneuten Entscheidung zurückgewiesen. Der BFH kam zum Ergebnis, dass die Erhöhung schlicht vergessen wurde, und machte deutlich, dass die unterbliebene Erhöhung der Barleistungen um monatlich 100 EUR bei einer Gesamtbetrachtung aller im Übergabevertrag vereinbarten Altenteilsleistungen nur von geringer Bedeutung gewesen sei. Nicht jede geringfügige Abweichung einzelner Umstände vom Üblichen schließe die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Maßgeblich sei vielmehr eine Fremdvergleichsprüfung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung. Nicht im BStBl. II veröffentlichte Entscheidungen binden nur die am Verfahren Beteiligten. Da das Urteil bislang nicht amtlich veröffentlicht wurde, ist es über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.
Da es nach den allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen über Verträge zwischen nahen Angehörigen den Vertragspartnern nicht freisteht, ob und in welchem Umfang sie ihren Vertragspflichten nachkommen wollen, müssen die Leistungen grundsätzlich wie vereinbart erbracht werden. Andererseits liegt es in der Rechtsnatur des Versorgungsvertrages begründet, dass die Vertragspartner zB auf veränderte Bedarfslagen angemessen reagieren. Eine Schwankung der Höhe nach muss aber, soll sie steuerlich anerkannt werden, durch idR nachweisbare Umstände veranlasst sein, die nach Maßgabe des Vertragstextes oder nach der Rechtsnatur des Vertrags rechtserheblich sind. Diese Umstände müssen eine grundsätzlich langfristig veränderte Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und/oder eine andere Bedarfslage des Berechtigten anzeigen. Unter diesen Umständen können auch solche neu vereinbarten Versorgungsleistungen als dauernde Last zu berücksichtigen sein, deren Wert den Wert der ursprünglich geschuldeten Leistungen übersteigt (BFH v. 27.8.1996 – IX R 86/93, BStBl. II 1997, 47, DStR 1996, 1926).
Änderungen des Rechtsverhältnisses können nur für die Zukunft getroffen werden; rückwirkende Vereinbarungen sind steuerlich nicht anzuerkennen (BFH v. 24.11.1993 – X R 123/90, BeckRS 1993, 8178, Ausnahmen s. Rn. 60 des BMF v. 11.3.2010, ofix: EStG/10/21, DStR 2010, 545).
Werden die auf der Grundlage eines Übertragungsvertrags geschuldeten Versorgungsleistungen ohne Änderung der Verhältnisse, also willkürlich, nicht mehr erbracht, sind sie steuerrechtlich nicht anzuerkennen, auch wenn die vereinbarten Zahlungen später wieder aufgenommen werden (Rn. 63 des BMF v. 11.3.2010, ofix: EStG/10/21, DStR 2010, 545).
Diese Auffassung hat der BFH mit Urteil v. 15.9.2010 – X R 13/09, BStBl. II 2011, 641, DStR 2010, 2502, bestätigt. Zur Prüfung, ob die Aussetzung und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen, aber auch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags durch eine Änderung der Verhältnisse gerechtfertigt oder willkürlich sind, sei es erforderlich bzw. zumindest eine Erleichterung, wenn die Vertragsparteien die Aussetzung oder Änderung der Höhe der Versorgungsleistungen schriftlich niederlegen und begründen. Nach dem BFH-Urteil v. 15.9.2010 – X R 13/09 (DStR 2010, 2502 Rn. 29) sei es daher geboten, künftig über das Formerfordernis in § 761 BGB hinaus auch nachträgliche Einschränkungen einer Rentenverpflichtung schriftlich zu belegen. Andernfalls könnten derartige mündliche oder konkludente Vereinbarungen, die nach Bekanntwerden des Urteils getroffen worden seien, steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden.
Obwohl der BFH nur von Einschränkungen einer Rentenverpflichtung spricht, sind nach Auffassung des BMF aufgrund des Urteils nachträgliche Einschränkungen aller Versorgungsverpflichtungen, also auch dauernder Lasten, schriftlich zu dokumentieren (vgl. Fußnote zu den Anforderungen an den Übertragungsvertrag in Rn. 59 des BMF-Schreibens v. 11.3.2010, ofix: EStG/10/21, DStR 2010, 545).
Das BFH-Urteil ist am 29.7.2011 im Heft 13 des BStBl. veröffentlicht worden. Das geänderte Formerfordernis gilt daher für alle nach dem 29.7.2011 vorgenommenen Vertragsänderungen.
Das FG Münster hat mit Urteil v. 7.12.2022 – 6 K 2026/20 E, BeckRS 2022, 55293, die Verwaltungsauffassung (Rn. 63 des o.g. BMF-Schreibens) bestätigt. Im entschiedenen Streitfall wurden Barleistungen zunächst einvernehmlich eingestellt und erst nach zehn Jahren und vorheriger gerichtlicher Durchsetzung wieder gezahlt.
Die gegen das Urteil eingelegte NZB hatte Erfolg. Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter Aktenzeichen X R 6/24 geführt. Einsprüche, die sich auf dieses Verfahren beziehen, ruhen insoweit gemäß § 363 Abs. 2 S. 2 AO.
Nach Rn. 62 des BMF-Schreibens v. 11.3.2010, ofix: EStG/10/21, DStR 2010, 545 sind die die dauerhaften Erträge übersteigenden Zahlungen freiwillige Leistungen iSd § 12 Nr. 2 EStG, wenn die Versorgungsleistungen im Fall einer erheblichen Ertragsminderung infolge einer Betriebsverpachtung nicht angepasst werden, obwohl die Abänderbarkeit aufgrund wesentlich veränderter Bedingungen vertraglich nicht ausgeschlossen war.
Das FG Niedersachsen hat mit Urteil v. 27.11.2024 – 9 K 11023/22 die Verwaltungsauffassung im Ergebnis bestätigt. Im Urteilsfall erhielt der Kläger im Jahr 2007 durch Übergabevertrag einen (ausreichend Ertrag bringenden) land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von seinem Vater gegen Vereinbarung von Versorgungsleistungen. Nachdem der Kläger den Betrieb zunächst selbst bewirtschaftet hatte, verpachtete er diesen ab 2010. Die als Sonderausgaben geltend gemachten dauernden Lasten überstiegen fortan die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Das FA kürzte sodann im Hinblick auf Rn. 62 im BMF-Schreiben den als Sonderausgaben abziehbaren Altenteil auf die Höhe der erklärten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.
Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Aktenzeichen X R 7/25 geführt. Einschlägige Einspruchsverfahren ruhen nach § 363 Abs. 2 S. 2 AO.
Ändernder Verweis:
OFD Frankfurt a. M. v. 19.8.2011 – S 2221 A-82-St 218, DStR 2011, 2099 (Neuregelung)