Vermögensübertragung bei vorweggenommener Erbfolge

Oktober 5, 2025

Vermögensübertragung bei vorweggenommener Erbfolge

Dieser Text fasst das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 15.01.2014 (1 K 1829/12) zur Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge für Laien zusammen.

Die Kernfrage: Rente oder Dauernde Last?

Im Zentrum des Falles stand die Frage, wie die monatlichen Zahlungen (300,00 €), die ein Sohn im Rahmen einer Hofübergabe an seine Eltern leistete, steuerlich zu behandeln sind.

Handelt es sich um eine Leibrente? Dann wäre beim Sohn (dem Zahler) nur der sogenannte Ertragsanteil (hier 26%) als Sonderausgabe abzugsfähig. Der Rest wäre steuerlich irrelevant.

Handelt es sich um eine Dauernde Last? Dann wäre der gesamte gezahlte Betrag (100%) als Sonderausgabe abzugsfähig.

Die Unterscheidung ist für den Steuerpflichtigen (den Sohn) sehr wichtig, da sie über die Höhe seiner steuerlichen Entlastung entscheidet.

Der Sachverhalt: Hofübergabe mit Auflagen

Der Kläger (Sohn) übernahm im Jahr 2006 von seinen Eltern einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Im Übergabevertrag wurden verschiedene Gegenleistungen vereinbart:

Wohnrecht:

Die Eltern behielten sich ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht im Haus vor. Der Sohn musste die Kosten für Schönheitsreparaturen, Heizung, Strom etc. tragen.

Verpflegungs- und Pflegerecht:

Der Sohn verpflichtete sich, die Eltern im übertragenen Haus zu verpflegen und bis zu 1,5 Stunden täglich zu pflegen, soweit dies ohne geschulte Kräfte zumutbar war. Wichtig: Kosten für Arzt, Krankenhaus, Pflegeheim oder geschulte Pflegekräfte waren ausdrücklich ausgeschlossen. Das Recht entfiel, wenn die Eltern nicht mehr im Haus wohnten.

Monatliche Zahlung (300 €):

Eine monatliche Zahlung, vertraglich als „Dauernde Last“ bezeichnet, wurde vereinbart.

Ihre Höhe sollte von der wirtschaftlichen Entwicklung und der Leistungsfähigkeit des Sohnes (insbesondere der Gewinnentwicklung des Betriebes) abhängen.

Wichtig:

Es wurde ausgeschlossen, dass die Höhe wegen eines Mehrbedarfs aufgrund auswärtiger Unterbringung (z.B. im Pflegeheim) angepasst werden kann.

Es wurde ausdrücklich auf §323 der Zivilprozessordnung (ZPO) verwiesen, der eine Anpassung von Verträgen bei wesentlichen Veränderungen der Verhältnisse ermöglicht.

Die Sichtweise des Finanzamtes (Beklagter)

Das Finanzamt erkannte die monatliche Zahlung nur als Leibrente an, was den Abzug beim Sohn auf den Ertragsanteil von 26% beschränkte.

Begründung:

Für eine Dauernde Last ist entscheidend, dass die wiederkehrenden Leistungen im Bedarfsfall (sowohl beim Bedarf der Eltern als auch bei der Leistungsfähigkeit des Sohnes) wesentlich abänderbar sind (Abänderbarkeit nach §323 ZPO).

Vermögensübertragung bei vorweggenommener Erbfolge

Durch den ausdrücklichen Ausschluss der Anpassung bei den wesentlichsten Veränderungen der Lebensbedürfnisse (Pflegebedürftigkeit und Heimunterbringung) sei die Abänderbarkeit der Zahlung auf einen unwesentlichen Umfang reduziert (im Prinzip nur eine Wertsicherungsklausel).

Daher liege trotz der vertraglichen Bezeichnung als „Dauernde Last“ und der Bezugnahme auf §323 ZPO in der Sache nur eine Leibrente vor.

Die Sichtweise des Finanzgerichts (Urteil)

Das Finanzgericht gab dem Kläger Recht und erkannte die monatliche Zahlung in voller Höhe als Dauernde Last an.

Begründung:

Bei einer Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge (private Versorgungsrente) wird die Gegenleistung typischerweise nicht nach dem Wert des Vermögens, sondern nach dem Versorgungsbedürfnis der Übergeber und der Leistungsfähigkeit des Übernehmers bemessen. Ziel ist die wirtschaftliche Sicherung der Eltern und der Erhalt des Familienbetriebs.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt für eine steuerrechtlich beachtliche Änderungsklausel der Vorbehalt der Rechte aus §323 ZPO.

Die vertraglich vereinbarte Beschränkung, dass bei Pflegekosten oder Heimunterbringung kein Mehrbedarf von den monatlichen 300 € abgedeckt werden muss, ist nicht schädlich.

Der Ausschluss soll den landwirtschaftlichen Betrieb vor einer existenziellen Belastung schützen. Diese Kosten könnten die Nettoerträge des Betriebes übersteigen und wären im Extremfall sowieso nicht aus dem Betrieb zu leisten.

In einem solchen Fall müssen ggf. auch die anderen Kinder im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht herangezogen werden.

Der Ausschluss betrifft also eine Belastung, die ohnehin außerhalb des Rahmens der Leistungsfähigkeit aus dem übergebenen Vermögen liegen kann.

Da die Abänderbarkeit der Zahlung hinsichtlich der übrigen wirtschaftlichen Entwicklung und der Gewinnentwicklung des Betriebes vertraglich vereinbart und auf §323 ZPO bezogen wurde, liegt eine Dauernde Last vor. Der Kläger kann die 300 € monatlich (im Streitjahr insgesamt 3.600 €) in voller Höhe als Sonderausgabe abziehen.

Da die Rechtsfrage umstritten war (insbesondere aufgrund von früheren BFH-Entscheidungen zur Heimunterbringung), ließ das Finanzgericht die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zu.

Kurz gesagt:

Das Finanzgericht entschied, dass der Ausschluss der Anpassung von Zahlungen bei Pflegebedürftigkeit oder Heimunterbringung nicht automatisch eine Dauernde Last zur steuerlich ungünstigeren Leibrente macht, solange die grundsätzliche Abänderbarkeit entsprechend der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Leistungsfähigkeit des Betriebes vertraglich gesichert ist.

Nachfolgende Anmerkung (zur Vollständigkeit):

Das anschließende Revisionsverfahren vor dem BFH (X R 16/14) bestätigte das Urteil des FG Rheinland-Pfalz. Die Revision des Finanzamtes wurde zurückgewiesen.

RA und Notar Krau

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein konstenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Trauer Grabstein

Pflichtteilsergänzungsanspruch auch bei Schenkung unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDR

November 9, 2025
Pflichtteilsergänzungsanspruch auch bei Schenkung unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDRZusammenfassung: BGH, Urteil vom 07.03.2001 – IV ZR…
Portrait Lana Berloznik Kanzlei Krau Rechtsanwälte

Pflichtteilsergänzungsanspruch – Miterben als Gesamtschuldner

November 9, 2025
Pflichtteilsergänzungsanspruch – Miterben als GesamtschuldnerHier ist eine Zusammenfassung des Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm (Az.: 1…
Apartmenthaus Wohnungseigentum

Beschlussmängelverfahren: Verwalterbestellung durch den teilenden Eigentümer in der „Aufteilungsphase“

November 5, 2025
Beschlussmängelverfahren: Verwalterbestellung durch den teilenden Eigentümer in der „Aufteilungsphase“ – Heilung von Einberufungsmängeln durch „Voll…