Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen wiederkehrende Leistungen – Sonderausgabenabzug als Rente oder dauernde Last
BFH, Urt. v. 23.11.2016 – X R 16/14
Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz v. 15.1.2014 – 1 K 1829/12,
Gerne fasse ich den Sachverhalt und das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Vermögensübertragung gegen wiederkehrende Leistungen gegenständlich für Laien zusammen.
Wenn Vermögen (z.B. ein Hof oder eine Immobilie) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von der älteren auf die jüngere Generation übertragen wird, vereinbaren die Parteien oft wiederkehrende Leistungen (Geld- und/oder Sachleistungen) zur Versorgung der Übergeber (Eltern).
Für die Besteuerung ist entscheidend, ob diese wiederkehrenden Leistungen steuerlich als Leibrente oder als dauernde Last gelten:
Sie ist nur mit ihrem geringeren Ertragsanteil (abhängig vom Alter der Übergeber) als Sonderausgabe abziehbar.
Sie ist in voller Höhe als Sonderausgabe abziehbar.
Der Hauptunterschied liegt in der Abänderbarkeit der Leistungen:
Dauernde Last liegt vor, wenn die Leistungen an veränderte Lebensbedürfnisse des Übergebers (z.B. höhere Pflegekosten) oder die veränderte Leistungsfähigkeit des Übernehmers angepasst werden können. Sie ist also abänderbar.
Leibrente liegt vor, wenn die Höhe der Leistungen fest ist (oder sich nur an einem Index wie den Lebenshaltungskosten orientiert). Sie ist also nicht abänderbar.
Ein Landwirt (der Kläger) übernahm den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern. Im Hofübergabevertrag wurde Folgendes vereinbart:
Geldleistung: Eine monatliche Zahlung von 300 € als „Dauernde Last“. Die Höhe sollte von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung und der Leistungskraft des Betriebs abhängen und die Anwendung von § 323 Zivilprozessordnung (ZPO) – einer Vorschrift zur Vertragsanpassung bei veränderten Umständen – wurde vereinbart.
Sach- und Dienstleistungen: Die Eltern erhielten ein lebenslängliches Wohnrecht. Der Übernehmer verpflichtete sich außerdem zu:
Verpflegung der Eltern am Familientisch.
Reinigung von Kleidung, Wäsche und Räumen.
Fahrdienste zu Arztbesuchen.
Persönliche Betreuung und Pflege in alten und kranken Tagen, begrenzt auf bis zu 1,5 Stunden täglich, solange die Pflege zu Hause möglich und dem Übernehmer zumutbar war.
Explizit ausgeschlossen wurde die Verpflichtung des Übernehmers zur Übernahme der Kosten für ein Pflegeheim oder einer teuren Fremdpflege (durch geschulte Kräfte).
Das FA sah die monatlichen 300 € nur als Leibrente an, da die Abänderbarkeit bei den wesentlichen, im Alter zu erwartenden Veränderungen (Heimunterbringung, Fremdpflege) vertraglich ausgeschlossen wurde. Dieser Ausschluss zeige, dass die Parteien im Grunde gleichbleibende Zahlungen (wie eine Rente) gewollt hätten, die nur um die Inflation angepasst werden sollten.
Der BFH wies die Revision des Finanzamts zurück und bestätigte, dass es sich bei den wiederkehrenden Leistungen um eine in voller Höhe abziehbare dauernde Last handelt.
Abgrenzung: Bei der Abgrenzung zwischen Rente und dauernder Last ist nicht nur auf die Barleistungen, sondern auf die gesamte Vereinbarung (Geld- und Sachleistungen) abzustellen.
Die ausdrückliche Bezugnahme auf § 323 ZPO ist ein starkes Indiz für die gewollte Abänderbarkeit und damit für eine dauernde Last.
Obwohl die Übernahme von Heim- und Fremdpflegekosten vertraglich ausgeschlossen wurde, hat der Sohn eine nennenswerte eigene Pflege- und Betreuungsverpflichtung (täglich 1,5 Stunden persönliche Pflege, Verpflegung, Fahrdienste etc.) übernommen.
Aufgrund dieser umfassenden Verpflichtungen des Übernehmers und der grundsätzlichen Verweisbarkeit auf § 323 ZPO ist die Würdigung des Finanzgerichts, die Barleistungen seien materiell-rechtlich nicht auf bloße Wertsicherung reduziert, revisionsrechtlich haltbar. Der Ausschluss der Heimkosten stand in diesem speziellen Fall, bei dem eine umfangreiche persönliche Betreuung vereinbart wurde, der Qualifizierung als dauernde Last nicht entgegen.
Für die steuerliche Begünstigung der jüngeren Generation (Übernehmer) gilt:
Wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe sind nur dann als voll abziehbare dauernde Last anzusehen, wenn sie dem Grunde nach an veränderte Verhältnisse anpassbar sind.
Vertragliche Vereinbarungen sollten idealerweise explizit auf § 323 ZPO Bezug nehmen oder klarstellen, dass die Höhe der Leistung vom Versorgungsbedarf des Übergebers und der Leistungsfähigkeit des übergebenen Vermögens abhängen soll.
Schließt der Vertrag wichtige Versorgungsfälle (wie hohe Pflegekosten oder Heimunterbringung) von der Anpassung der Barleistungen aus, kann dies die Qualifizierung als Rente zur Folge haben.
Nach diesem Urteil kann die Vereinbarung einer nennenswerten persönlichen Pflege- und Betreuungsverpflichtung des Übernehmers den Ausschluss der Kosten für Fremdpflege oder Heimunterbringung kompensieren, sodass die Leistungen insgesamt trotzdem als voll abziehbare dauernde Last gelten. Hier zählt die Gesamtbetrachtung aller vereinbarten Leistungen.
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