OLG Köln 1 U 74/17

Oktober 19, 2021

OLG Köln 1 U 74/17

Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung gerichtet auf Abschluss eines Erbvertrags

RA und Notar Krau

Sachverhalt

Die Klägerin und der Beklagte sind Geschwister, deren Eltern, Herr H und Frau C, einen Erbvertrag abgeschlossen hatten,

der nach dem Tod eines Elternteils den überlebenden Ehegatten als befreiten Vorerben und die drei gemeinsamen Kinder als Nacherben bestimmte.

1995 übertrug die Mutter, Frau C, Grundbesitz im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu gleichen Teilen auf ihre Kinder,

mit der Auflage, dass die Tochter (Klägerin) sich erbvertraglich an die Bedingungen des ursprünglichen Erbvertrags von 1992 halten müsse,

um ihren Anteil am Erlös aus einer eventuellen Veräußerung des Grundbesitzes zu erhalten.

OLG Köln 1 U 74/17

Erstinstanzliches Urteil

Das Landgericht Köln wies die Klage der Klägerin ab, die verlangte, dass der Beklagte eine Willenserklärung abgibt,

die zur Einhaltung des ursprünglichen Erbvertrags von 1992 führt und nach der die Klägerin ihren Anteil an den Verkaufserlösen erhalten sollte.

Das Gericht begründete dies damit, dass die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass der Beklagte verpflichtet war, einen solchen Erbvertrag abzuschließen.

Berufungsurteil des OLG Köln

Das Oberlandesgericht Köln hob das Urteil des Landgerichts auf und entschied zugunsten der Klägerin.

Der Beklagte wurde verurteilt, eine Willenserklärung abzugeben, in der er den Abschluss eines Erbvertrages anbietet,

der den Vermächtnisnehmern, den Töchtern des Beklagten, jeweils ein Drittel des übertragenen Grundbesitzes zusichert.

OLG Köln 1 U 74/17

Entscheidungsgründe

  1. Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung:
    • Das OLG Köln stellte fest, dass der Beklagte verpflichtet ist, einen Erbvertrag abzuschließen, der sicherstellt, dass die Klägerin die Bedingungen des ursprünglichen Erbvertrags von 1992 erfüllt. Diese Verpflichtung ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung des Übergabevertrags von 1995. Der Vertrag enthielt eine Regelungslücke, da er nicht klar festlegte, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Erbvertrag abzuschließen, was jedoch notwendig ist, um den Zweck des Vertrages – die vorweggenommene Erbfolge und die wirtschaftliche Nutzung des Grundbesitzes – zu erreichen.
  2. Erfüllung der Auflagen:
    • Die Klägerin muss sich erbvertraglich binden, um ihren Anteil am Veräußerungserlös zu erhalten. Der Beklagte verweigerte dies treuwidrig. Eine ergänzende Vertragsauslegung war notwendig, um diese Lücke zu schließen und sicherzustellen, dass der Übergabevertrag seinen Zweck erfüllt.
  3. Vertragsfreiheit und ergänzende Vertragsauslegung:
    • Obwohl die Vertragsfreiheit grundsätzlich die negative Vertragsbegründungsfreiheit umfasst, können besondere Umstände, wie im vorliegenden Fall, eine vertragliche Verpflichtung zum Abschluss eines Vertrags rechtfertigen. Der Beklagte hatte im Übergabevertrag zugestimmt, die Auszahlung an die Klägerin von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig zu machen, und muss daher auch die notwendigen Schritte unternehmen, um dies zu ermöglichen.

OLG Köln 1 U 74/17

  1. Materielle Wirksamkeit und Formvorschriften:
    • Der Erbvertrag kann nach deutschem Recht geschlossen werden, indem die Klägerin eine Willenserklärung des Beklagten gerichtlich erzwingt und diese Erklärung dann notariell beurkundet. Dies entspricht den formalen Anforderungen der §§ 2274 ff. BGB, insbesondere dem Gebot der gleichzeitigen Anwesenheit beider Parteien vor dem Notar.
  2. Zahlung des Veräußerungserlöses:
    • Nach Abschluss des Erbvertrags hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung ihres Anteils am Veräußerungserlös der Grundstücke in Höhe von 44.687,91 Euro. Dieser Anspruch ergibt sich aus den Bestimmungen des Übergabevertrags und richtet sich gegen den Beklagten als Verwalter der Eigentümergemeinschaft.
  3. Zurückweisung von Einwänden des Beklagten:
    • Der Einwand des Beklagten, die Klägerin könne nicht nach deutschem Recht testieren, da sie (angeblich) auch die amerikanische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde zurückgewiesen. Der Beklagte konnte keine Beweise für seine Behauptungen vorlegen. Die EuErbVO erlaubt die Wahl des deutschen Rechts unabhängig von einer zusätzlichen ausländischen Staatsangehörigkeit.
    • Die Verwirkung des Anspruchs der Klägerin wurde ebenfalls verneint. Der Beklagte hatte sich treuwidrig geweigert, den Erbvertrag abzuschließen, und die Klägerin hatte ihr Recht nicht verwirkt.

OLG Köln 1 U 74/17

Schlussfolgerung

Das OLG Köln entschied zugunsten der Klägerin, indem es den Beklagten verpflichtete, die erforderliche Willenserklärung

abzugeben und den Erbvertrag abzuschließen, sowie die Zahlung von 44.687,91 Euro an die Klägerin zu leisten.

Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen, und das Urteil des Landgerichts aufgehoben.

RA und Notar Krau

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein konstenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

testament, hand, write, ballpoint pen, paper, letter, letters, pen, will, intention, decision, resolution, projects, attachment, declaration of intent, disposal, advance directive, notary, volition, testament, testament, testament, testament, testament, will, will, will, notary

Können Minderjährige wirksam ein Testament errichten?

November 9, 2025
Können Minderjährige wirksam ein Testament errichten?Minderjährige können unter bestimmten Voraussetzungen wirksam ein Testament errichten, um ü…
Trauer Grabstein

Pflichtteilsergänzungsanspruch auch bei Schenkung unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDR

November 9, 2025
Pflichtteilsergänzungsanspruch auch bei Schenkung unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDRZusammenfassung: BGH, Urteil vom 07.03.2001 – IV ZR…
Portrait Lana Berloznik Kanzlei Krau Rechtsanwälte

Pflichtteilsergänzungsanspruch – Miterben als Gesamtschuldner

November 9, 2025
Pflichtteilsergänzungsanspruch – Miterben als GesamtschuldnerHier ist eine Zusammenfassung des Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm (Az.: 1…