Versäumung der Widerspruchsfrist gegen einen Rundfunkbeitragsbescheid

Juni 21, 2025

Versäumung der Widerspruchsfrist gegen einen Rundfunkbeitragsbescheid

RA und Notar Krau

Dieses Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein vom 26. Mai 2025 (Aktenzeichen: 6 LB 10/24) behandelt einen Fall zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen und insbesondere zur Frage, ob ein Einspruch gegen Beitragsbescheide zu spät eingereicht wurde.

Worum es in dem Fall ging

Ein Bürger, der seit 2013 in einer bestimmten Adresse gemeldet ist, sollte Rundfunkbeiträge zahlen. Die Beitragsstelle schickte ihm mehrere Bescheide über offene Beiträge für die Jahre 2013 bis 2015, sowie weitere für 2016/2017. Diese Bescheide wurden im Juni, Juli und Oktober 2015 sowie im März 2017 per Post verschickt.

Der Bürger behauptete jedoch, die Bescheide aus dem Jahr 2015 nie erhalten zu haben. Erst als er im Januar 2017 eine Ankündigung zur Zwangsvollstreckung von seiner Stadt erhielt, wurde er aktiv. Im Juli 2017 bat er die Beitragsstelle um Kopien der ursprünglichen Bescheide, die ihm dann im August 2017 zugesandt wurden.

Daraufhin legte der Bürger im März 2017 Widerspruch gegen den Bescheid vom März 2017 ein und im September 2017, also lange nach den ursprünglichen Bescheiddaten, vorsorglich auch Widerspruch gegen die Bescheide aus dem Jahr 2015. Er begründete dies damit, dass er die ursprünglichen Bescheide nie erhalten habe.

Entscheidung der Beitragsstelle und des Verwaltungsgerichts

Die Beitragsstelle wies die Widersprüche zurück. Die Widersprüche gegen die Bescheide von 2015 seien zu spät eingereicht worden und damit unzulässig. Der Widerspruch gegen den Bescheid von 2017 sei zwar fristgerecht, aber inhaltlich unbegründet.

Der Bürger zog daraufhin vor das Verwaltungsgericht. Dieses Gericht entschied teilweise zu seinen Gunsten. Es hob die Beitragsfestsetzung für den Zeitraum Januar bis Dezember 2013 auf. Das Gericht ging davon aus, dass der Bescheid von 2015 dem Bürger tatsächlich erst 2017 bekannt gegeben wurde und die Forderung für 2013 daher verjährt war. Es sah die Klage auch als zulässig an, da sich die Beitragsstelle im Laufe des Verfahrens nicht ausreichend auf die Verspätung des Widerspruchs berufen hatte.

Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (Berufung)

Die Beitragsstelle legte Berufung gegen dieses Urteil ein, und das Oberverwaltungsgericht hob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in diesem Punkt auf. Das bedeutet, das Oberverwaltungsgericht gab der Beitragsstelle Recht und entschied, dass der Bürger die Rundfunkbeiträge für den Zeitraum Januar bis Dezember 2013 doch zahlen muss.

Versäumung der Widerspruchsfrist gegen einen Rundfunkbeitragsbescheid

Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

  1. Frist für Widerspruch und Klage: Ein Widerspruch gegen einen Bescheid muss normalerweise innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides eingelegt werden. Diese Frist ist sehr wichtig. Wenn der Widerspruch zu spät kommt, ist nicht nur der Widerspruch selbst unzulässig, sondern auch die darauf folgende Klage vor Gericht.
  2. Keine Ausnahme für verspäteten Widerspruch: Es gibt zwar Ausnahmen, in denen ein verspäteter Widerspruch trotzdem eine gerichtliche Prüfung ermöglicht (z.B. wenn die Behörde den verspäteten Widerspruch inhaltlich prüft oder wenn die Beitragsstelle im Gerichtsverfahren nicht auf die Verspätung hinweist). Im vorliegenden Fall war dies aber nicht der Fall. Die Beitragsstelle hatte den Widerspruch des Bürgers ausdrücklich als verspätet und damit unzulässig zurückgewiesen und dies auch im Gerichtsverfahren stets betont.
  3. Die „Drei-Tages-Vermutung“ für die Zustellung: Nach dem Gesetz gilt ein schriftlicher Bescheid, der per Post verschickt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe bei der Post als zugestellt. Diese Regelung ist eine Vermutung, die aber widerlegt werden kann. Wenn der Empfänger glaubhaft bestreitet, den Bescheid erhalten zu haben, muss die Behörde im Zweifel beweisen, dass der Bescheid zugestellt wurde.
  4. Unglaubwürdigkeit der Behauptung des Bürgers: Obwohl ein einfaches Bestreiten des Zugangs grundsätzlich ausreicht, um Zweifel an der Zustellung zu wecken, muss das Gericht die Glaubwürdigkeit des Vortrags des Bürgers und die sonstigen Umstände des Einzelfalls umfassend würdigen. Im vorliegenden Fall fand das Gericht die Behauptung des Bürgers, die Bescheide nicht erhalten zu haben, nicht glaubwürdig.
    • Der Bürger behauptete, über einen Zeitraum von zwei Jahren insgesamt 16 Schreiben und Bescheide der Beitragsstelle nicht erhalten zu haben, obwohl es keine Rücksendungen gab, die auf eine Unzustellbarkeit hingewiesen hätten. Das Gericht sah es als unwahrscheinlich an, dass so viele normale Briefe über Jahre hinweg nicht ankommen, ohne dass es Rückläufer gibt.
    • Die Erklärung des Bürgers, er habe seit 10 Jahren allgemeine Probleme mit Falsch- und Nichtzustellungen, insbesondere bei Paketen, wurde vom Gericht als irrelevant für die Zustellung von Briefpost durch die Deutsche Post AG angesehen. Auch die Vermutung, es könnte Adressverwechslungen gegeben haben, wurde als unwahrscheinlich abgetan, da die Postzusteller die Routen normalerweise kennen.
    • Besonders auffällig war für das Gericht der Zeitpunkt der Reaktion des Bürgers: Er wurde erst aktiv, nachdem er im Januar 2017 eine Zwangsvollstreckungsankündigung erhielt. Zudem erhielt er den nachfolgenden Bescheid vom März 2017 offenbar problemlos. Dies deutete für das Gericht darauf hin, dass der Bürger erst dann reagierte, als die Forderung ernst wurde.

Fazit des Urteils

Aufgrund dieser Gründe kam das Oberverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass der Bescheid vom 1. Juni 2015 als am 8. Juni 2015 zugestellt galt. Da der Widerspruch erst im September 2017 eingelegt wurde, war er zu spät. Die Klage des Bürgers gegen diesen Bescheid war daher unzulässig. Wenn eine Klage unzulässig ist, kommt es auf die inhaltliche Begründetheit – wie die Frage der Verjährung – gar nicht mehr an.

Das Urteil bedeutet, dass der Bürger die Rundfunkbeiträge für den genannten Zeitraum zahlen muss und in diesem Rechtsstreit die Kosten des gesamten Verfahrens trägt.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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