Versagung der familiengerichtlichen Genehmigung zur Ausschlagung der Erbschaft eines Kindes

Juni 14, 2025

Versagung der familiengerichtlichen Genehmigung zur Ausschlagung der Erbschaft eines Kindes

RA und Notar Krau

Am 11. Dezember 2024 hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg eine wichtige Entscheidung (Aktenzeichen 13 WF 134/24) zu einem Fall getroffen, bei dem es um die Ausschlagung  eines Erbes durch ein Kind ging. Die Mutter des Kindes wollte, dass ihr Kind ein Erbe ausschlägt, das es von seinem verstorbenen Vater erhalten sollte. Das Gericht hat diese Ausschlagung  nicht zugelassen, da es zum Wohle des Kindes sei, das Erbe anzunehmen.


Was ist passiert?

Ein Vater hatte seinen Sohn in seinem Testament zu 38% als Erben eingesetzt. Die restlichen 62% gingen an seine Ehefrau. Der Vater hatte auch festgelegt, dass das Erbe seines Sohnes bis zu dessen 28. Geburtstag von zwei Testamentsvollstreckern verwaltet werden sollte: seiner Ehefrau und einem alten Freund. Die Testamentsvollstrecker sollten sicherstellen, dass das Geld für die Ausbildung und zur Verbesserung der Lebensqualität des Kindes verwendet wird, zum Beispiel für Reisen oder Kleidung.

Nach dem Tod des Vaters wollte die Mutter des Kindes das Erbe für ihren Sohn ausschlagen. Sie argumentierte, dass das Erbe wegen Erbschaftssteuer und den Kosten für die Testamentsvollstreckung finanziell nicht vorteilhaft sei. Außerdem befürchtete sie, dass die Testamentsvollstreckung, insbesondere durch die Witwe des Vaters, zu Problemen für das Kind führen könnte, da die Beziehung zwischen der Mutter und der Witwe zerrüttet war. Die Mutter wollte stattdessen den sogenannten Pflichtteil und Pflichtteilsergänzungsansprüche für ihren Sohn geltend machen. Der Pflichtteil ist ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Erbe, den auch enterbte nahe Verwandte erhalten können.

Versagung der familiengerichtlichen Genehmigung zur Ausschlagung der Erbschaft eines Kindes


Warum wurde die Ausschlagung abgelehnt?

Das Amtsgericht Nauen hatte die Ausschlagung des Erbes bereits abgelehnt, und das OLG Brandenburg bestätigte diese Entscheidung. Hier sind die Hauptgründe:

  1. Kindeswohl im Vordergrund: Bei Entscheidungen, die Kinder betreffen, steht immer das Kindeswohl an erster Stelle. Das Gericht prüft, was für das Kind am besten ist, nicht nur finanziell, sondern auch persönlich.
  2. Finanzieller Vorteil des Erbes: Das Gericht war der Meinung, dass das Erbe für das Kind finanziell vorteilhafter ist als der Pflichtteil. Das Erbe war nicht überschuldet, was ein wichtiger Punkt war. Wenn ein Erbe nicht überschuldet ist, gibt es normalerweise keinen guten Grund, es abzulehnen.
  3. Zweck der Testamentsvollstreckung: Die Testamentsvollstreckung über das 18. Lebensjahr hinaus dient oft dazu, das Erbe zu schützen und sicherzustellen, dass es sinnvoll für die Zukunft des Kindes verwendet wird. Das Gericht sah dies als grundsätzlich im Interesse des Erben an.
  4. Kein Beweis für Nachteile durch Testamentsvollstrecker: Die Mutter hatte Bedenken wegen der Testamentsvollstrecker, besonders wegen der Witwe des Vaters. Sie befürchtete, dass diese das Kindeswohl nicht im Auge hätten. Das Gericht fand aber keine objektiven Beweise dafür, dass die Testamentsvollstrecker ihre Aufgabe zum Nachteil des Kindes ausüben würden. Die Testamentsvollstrecker hatten sogar erklärt, dass ihnen das Wohl des Kindes wichtig sei und sie bereit wären, monatliche Beträge für den Unterhalt und die Ausbildung des Kindes auszuzahlen.
  5. Rolle des Kindes: Das Kind selbst hatte im Gericht angegeben, dass es mit den Testamentsvollstreckern zusammenarbeiten möchte. Es wirkte nicht so, als würde es unter einem möglichen Kontakt zu ihnen leiden. Auch wenn das Kind Äußerungen gemacht hatte, die darauf hindeuteten, dass es die Meinung seiner Mutter teilt („Mutti das alles nicht möchte und somit findet er es auch nicht cool“), sah das Gericht dies als von der Mutter beeinflusst an.
  6. Unabhängiger Testamentsvollstrecker: Wichtig war auch, dass es zwei Testamentsvollstrecker gab. Neben der Witwe war ein alter Freund des Vaters dabei, der als neutraler Dritter angesehen wurde und nicht in den Konflikt zwischen Mutter und Witwe verwickelt war. Da beide Testamentsvollstrecker nur gemeinsam handeln dürfen, bot dies zusätzlichen Schutz für das Kind.
  7. Rechte des Kindes und der Mutter: Auch wenn die Testamentsvollstreckung die Vermögenssorge der Mutter einschränkt, sind das Kind und seine gesetzlichen Vertreter nicht schutzlos. Sie haben Kontrollrechte und können Schadensersatzansprüche geltend machen, falls die Testamentsvollstrecker ihre Pflichten nicht erfüllen.

Fazit

Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass die Annahme des Erbes und die damit verbundene Testamentsvollstreckung im besten Interesse des Kindes sind. Die Bedenken der Mutter, insbesondere die persönlichen Konflikte mit der Witwe des Vaters, waren nicht ausreichend, um die Ausschlagung des Erbes zu rechtfertigen. Das Gericht sah keine Hinweise darauf, dass die Testamentsvollstrecker das Kind benachteiligen würden, und betonte, dass es dem Kind finanziell besser gehen würde, wenn es das Erbe annimmt.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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