Vertragsstrafe bei Rücktritt vom Bauträgervertrag

Juni 15, 2025

Vertragsstrafe bei Rücktritt vom Bauträgervertrag: Was Sie wissen sollten

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Mai 2025 – VII ZR 129/24

zuvor:

LG Berlin II, Urteil vom 24.08.2023 – 12 O 177/21
KG, Urteil vom 25.06.2024 – 21 U 98/23

RA und Notar Krau

Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein Haus von einem Bauträger, also einer Firma, die das Haus baut und es Ihnen dann verkauft. Im Vertrag steht, dass das Haus bis zu einem bestimmten Datum fertig sein muss. Wenn nicht, muss der Bauträger eine Vertragsstrafe zahlen – das ist eine Art pauschaler Schadenersatz dafür, dass er sich verspätet hat. Manchmal haben Sie als Käufer auch das Recht, vom Vertrag zurückzutreten, wenn das Haus nicht rechtzeitig fertig wird. Die Frage ist: Wenn Sie vom Vertrag zurücktreten, weil das Haus nicht fertig wurde, verfällt dann auch die Vertragsstrafe, die der Bauträger eigentlich schon zahlen müsste?

Der Bundesgerichtshof (BGH), unser höchstes Gericht für Zivilfälle, hat entschieden: Nein, der Anspruch auf die Vertragsstrafe bleibt bestehen, auch wenn Sie vom Vertrag zurücktreten. Das gilt zumindest dann, wenn im Vertrag nichts anderes vereinbart wurde.

Der konkrete Fall

In dem Fall, den der BGH entschieden hat, hatte eine Bauherrin mit einer Baufirma einen Vertrag geschlossen, um ein altes Fabrikgebäude zu einem Wohnhaus umzubauen. Die Fertigstellung war für den 17. Oktober 2020 vereinbart. Wenn die Baufirma diesen Termin verschuldete, sollte sie eine Vertragsstrafe von 1.276,57 Euro pro Werktag zahlen, maximal aber 5 % des Kaufpreises. Im Vertrag stand auch, dass beide Parteien bis zum 15. Dezember 2022 vom Vertrag zurücktreten konnten, wenn bestimmte Bedingungen, wie die Zahlung des Kaufpreises, bis zum 15. August 2022 nicht erfüllt waren.

Das Haus wurde nicht rechtzeitig fertiggestellt. Auch bis zum 14. Dezember 2022 war es nicht bewohnbar. Daraufhin trat die Bauherrin vom Vertrag zurück und forderte die vereinbarte Vertragsstrafe.

Was die Gerichte entschieden haben

Sowohl das Landgericht Berlin als auch das Kammergericht Berlin gaben der Bauherrin Recht. Das Kammergericht verurteilte die Baufirma zur Zahlung von 365.000 Euro plus Zinsen. Die Baufirma legte dagegen Revision beim BGH ein, wollte also, dass der BGH das Urteil überprüft.

Der BGH hat die Revision der Baufirma zurückgewiesen und damit die Urteile der Vorinstanzen bestätigt.

Warum die Vertragsstrafe auch nach dem Rücktritt bestehen bleibt

Der BGH hat erklärt, dass die Baufirma die Vertragsstrafe zahlen muss, weil sie den vereinbarten Fertigstellungstermin nicht eingehalten hat. Dieser Anspruch ist auch durch den Rücktritt der Bauherrin vom Vertrag nicht erloschen.

Das Gericht hat den Vertrag so ausgelegt, dass die Vertragsstrafe eine Art pauschaler Ausgleich für den Schaden ist, der der Bauherrin durch die Verzögerung entsteht. Es gibt keine gesetzliche Vorschrift, die besagt, dass ein Anspruch auf Vertragsstrafe erlischt, nur weil man vom Vertrag zurücktritt.

Vertragsstrafe bei Rücktritt vom Bauträgervertrag

Hier die wichtigen Punkte:

  • Rücktritt wirkt nur für die Zukunft: Wenn man von einem Vertrag zurücktritt, wird der Vertrag für die Zukunft aufgelöst. Das bedeutet, dass die Hauptpflichten (z.B. Haus bauen, Geld zahlen) wegfallen. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass alle Ansprüche, die schon entstanden sind, auch wegfallen.
  • Vertragsstrafe ist bereits „verwirkt“: Die Vertragsstrafe war schon fällig, als der Bauträger im Verzug war, also als er sich mit der Fertigstellung verspätet hat. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Pflicht zur Zahlung der Strafe bereits.
  • Zweck der Vertragsstrafe: Eine Vertragsstrafe hat zwei Hauptaufgaben:
    1. Druckfunktion: Sie soll den Bauträger dazu anhalten, pünktlich zu sein.
    2. Ausgleichsfunktion: Sie soll den Schaden, der dem Käufer durch die Verzögerung entsteht, pauschal ausgleichen. Der Käufer muss dann nicht im Detail beweisen, wie hoch sein Schaden genau ist.
  • Würde der Vertragsstrafe entgegenwirken: Wenn der Anspruch auf die Vertragsstrafe durch einen Rücktritt entfallen würde, könnten diese Zwecke nicht mehr richtig erfüllt werden. Der Bauträger könnte sich sogar absichtlich verzögern, um einen Rücktritt zu provozieren und so der Vertragsstrafe zu entgehen. Das wäre nicht fair.
  • Keine Pflicht, vom Rücktritt abzusehen: Der Bauherrin kann auch nicht vorgeworfen werden, dass sie ihr Recht auf Rücktritt ausgeübt hat. Sie musste nicht auf den Rücktritt verzichten, nur damit der Bauträger vielleicht doch noch eine Chance bekommt, die Vertragsstrafe nicht zahlen zu müssen.

Fazit: Wenn in Ihrem Bauträgervertrag eine Vertragsstrafe für den Fall der verspäteten Fertigstellung vereinbart ist und der Bauträger diese Verzögerung verursacht, dann bleibt Ihr Anspruch auf diese Vertragsstrafe bestehen, selbst wenn Sie wegen der Verzögerung vom Vertrag zurücktreten. Das ist eine wichtige Klarstellung für alle, die ein Haus bauen lassen.


Haben Sie weitere Fragen zu Bauträgerverträgen oder Vertragsstrafen?

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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