Vertretung des Betreuten im Scheidungsverfahren

Oktober 7, 2025

Vertretung des Betreuten im Scheidungsverfahren

Die vorliegende Gerichtsentscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle vom 15. Juli 2013 (Az. 6 W 106/13) befasst sich mit der Frage, ob und wie ein Betreuer einen geschäftsunfähigen Menschen in einem Scheidungsverfahren vertreten kann. Die Klärung dieser Frage war entscheidend für das Erbrecht der Beteiligten.

Kernproblem: Vertretung im Scheidungsverfahren

Im Zentrum steht die Frage, ob der Betreuer des verstorbenen Ehemanns (E) diesen wirksam im Scheidungsverfahren vertreten hat. Genauer ging es darum, ob die von E’s Betreuer (B1) eingereichte Scheidungsklage oder zumindest die Zustimmung zur Scheidung wirksam war, um die Ehe vor E’s Tod als gescheitert anzusehen und damit die zweite Ehefrau (B3) vom Erbe auszuschließen.

Der Betreuer und der Aufgabenkreis

Betreuerbestellung:

E war aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens geschäftsunfähig. Sein Sohn (B1) war als Betreuer für den Aufgabenkreis „Rechtsangelegenheiten“ bestellt.

Scheidungsantrag:

B1 stellte für E einen Scheidungsantrag.

Unwirksamkeit des Antrags:

Das Gericht stellte fest, dass dieser Scheidungsantrag unwirksam war, da der Betreuer die vom Gesetz (§ 125 Abs. 2 S. 2 FamFG) für einen eigenen Scheidungsantrag erforderliche Genehmigung des Betreuungsgerichts nicht eingeholt hatte.

Die Umdeutung: Zustimmung zur Scheidung

Da die zweite Ehefrau (B3) selbst die Scheidung beantragt hatte, prüfte das OLG Celle, ob der unwirksame Scheidungsantrag des E in eine wirksame Zustimmung zur Scheidung umgedeutet werden konnte.

Umdeutungsgrundlage und Wille des Betreuers

Möglichkeit der Umdeutung:

Das Gericht hielt die Umdeutung des unwirksamen Scheidungsantrags in eine Zustimmung zur Scheidung grundsätzlich für möglich (§ 140 BGB analog).

Zustimmung ohne Genehmigung:

Im Gegensatz zum eigenen Scheidungsantrag benötigt die bloße Zustimmung zur Scheidung des anderen Ehegatten durch den Betreuer keine zusätzliche Genehmigung des Betreuungsgerichts (§ 125 Abs. 2 S. 1 FamFG).

Wille des Betreuers:

Das Gericht nahm an, dass der Betreuer (B1) die Zustimmung zur Scheidung gewollt hätte, wenn er von der Unwirksamkeit seines eigenen Antrags gewusst hätte. Er hätte die schwächere Form der Zustimmung gewählt, um den Scheidungswillen seines Vaters durchzusetzen.

Wirksame Vertretung durch den Aufgabenkreis

Das OLG Celle bejahte, dass der Aufgabenkreis „Rechtsangelegenheiten“ die Vertretung im Scheidungsverfahren umfasst.

Der Wortlaut „Rechtsangelegenheiten“ sei weit genug, um die Vertretung in einem Scheidungsverfahren einzuschließen.

Es sei kein ausdrücklicher Aufgabenkreis wie „Vertretung im Ehescheidungsverfahren“ erforderlich.

Das Gericht grenzte sich dabei von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (OLG Zweibrücken und OLG Brandenburg) ab, da diese sich mit Betreuungsfällen befassten, in denen die dort genannten Aufgabenkreise („Personensorge“, „Behördenangelegenheiten“ etc.) die Ehescheidung von vornherein nicht erfassten, weil die Scheidung sowohl den Familienstand als auch das Vermögen betrifft.

Vertretung des Betreuten im Scheidungsverfahren

Ein besonders wichtiger Punkt:

Da E bereits geschäftsunfähig war, als sein Betreuer bestellt wurde, sah das Gericht die Vertretung im Scheidungsverfahren als wirksam durch den Aufgabenkreis „Rechtsangelegenheiten“ abgedeckt an.

Das Ergebnis: Die Ehe war gescheitert

Durch die wirksame Zustimmung zur Scheidung war die Ehe zwischen E und B3 zum Zeitpunkt von E’s Tod gescheitert.

Scheiterung der Ehe: E und B3 lebten nachweislich seit über einem Jahr getrennt, und E hatte (durch seinen wirksam vertretenden Betreuer) der Scheidung zugestimmt. Damit galten die gesetzlichen Voraussetzungen für die Scheidung als erfüllt (§ 1566 Abs. 1 BGB).

Ausschluss vom Erbrecht:

Gemäß § 1933 Satz 1 BGB ist das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen für die Scheidung zum Zeitpunkt des Todes gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.

Folge:

Die zweite Ehefrau (B3) war vom Erbe ausgeschlossen. Die beiden Kinder (B1 und B2) erbten E’s Vermögen zu je einer Hälfte.

Zusammenfassung

Die Entscheidung des OLG Celle besagt vereinfacht:

Wenn ein Mensch einen Betreuer für „Rechtsangelegenheiten“ hat und schon bei der Bestellung des Betreuers geschäftsunfähig war, darf dieser Betreuer den Betreuten in einem Scheidungsverfahren vertreten.

Ein eigener Scheidungsantrag des Betreuers ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts wirksam.

Die Zustimmung zur Scheidung des anderen Ehepartners ist jedoch auch ohne diese gerichtliche Genehmigung wirksam, wenn der Aufgabenkreis „Rechtsangelegenheiten“ die Vertretung umfasst.

Wollte der Betreuer die Scheidung, wird ein unwirksamer eigener Antrag in die wirksame Zustimmung umgedeutet, wenn der andere Ehepartner die Scheidung beantragt hat.

Die wirksame Zustimmung zur Scheidung vor dem Tod des Betreuten führt dazu, dass der überlebende Ehepartner kein Erbrecht mehr hat. Dies war der entscheidende Punkt in diesem Fall.

RA und Notar Krau

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein konstenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Trauer Grabstein

Pflichtteilsergänzungsanspruch auch bei Schenkung unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDR

November 9, 2025
Pflichtteilsergänzungsanspruch auch bei Schenkung unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDRZusammenfassung: BGH, Urteil vom 07.03.2001 – IV ZR…
Portrait Lana Berloznik Kanzlei Krau Rechtsanwälte

Pflichtteilsergänzungsanspruch – Miterben als Gesamtschuldner

November 9, 2025
Pflichtteilsergänzungsanspruch – Miterben als GesamtschuldnerHier ist eine Zusammenfassung des Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm (Az.: 1…
Apartmenthaus Wohnungseigentum

Beschlussmängelverfahren: Verwalterbestellung durch den teilenden Eigentümer in der „Aufteilungsphase“

November 5, 2025
Beschlussmängelverfahren: Verwalterbestellung durch den teilenden Eigentümer in der „Aufteilungsphase“ – Heilung von Einberufungsmängeln durch „Voll…