Vertretung des Betreuten im Scheidungsverfahren
Die vorliegende Gerichtsentscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle vom 15. Juli 2013 (Az. 6 W 106/13) befasst sich mit der Frage, ob und wie ein Betreuer einen geschäftsunfähigen Menschen in einem Scheidungsverfahren vertreten kann. Die Klärung dieser Frage war entscheidend für das Erbrecht der Beteiligten.
Im Zentrum steht die Frage, ob der Betreuer des verstorbenen Ehemanns (E) diesen wirksam im Scheidungsverfahren vertreten hat. Genauer ging es darum, ob die von E’s Betreuer (B1) eingereichte Scheidungsklage oder zumindest die Zustimmung zur Scheidung wirksam war, um die Ehe vor E’s Tod als gescheitert anzusehen und damit die zweite Ehefrau (B3) vom Erbe auszuschließen.
E war aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens geschäftsunfähig. Sein Sohn (B1) war als Betreuer für den Aufgabenkreis „Rechtsangelegenheiten“ bestellt.
B1 stellte für E einen Scheidungsantrag.
Das Gericht stellte fest, dass dieser Scheidungsantrag unwirksam war, da der Betreuer die vom Gesetz (§ 125 Abs. 2 S. 2 FamFG) für einen eigenen Scheidungsantrag erforderliche Genehmigung des Betreuungsgerichts nicht eingeholt hatte.
Da die zweite Ehefrau (B3) selbst die Scheidung beantragt hatte, prüfte das OLG Celle, ob der unwirksame Scheidungsantrag des E in eine wirksame Zustimmung zur Scheidung umgedeutet werden konnte.
Das Gericht hielt die Umdeutung des unwirksamen Scheidungsantrags in eine Zustimmung zur Scheidung grundsätzlich für möglich (§ 140 BGB analog).
Im Gegensatz zum eigenen Scheidungsantrag benötigt die bloße Zustimmung zur Scheidung des anderen Ehegatten durch den Betreuer keine zusätzliche Genehmigung des Betreuungsgerichts (§ 125 Abs. 2 S. 1 FamFG).
Das Gericht nahm an, dass der Betreuer (B1) die Zustimmung zur Scheidung gewollt hätte, wenn er von der Unwirksamkeit seines eigenen Antrags gewusst hätte. Er hätte die schwächere Form der Zustimmung gewählt, um den Scheidungswillen seines Vaters durchzusetzen.
Das OLG Celle bejahte, dass der Aufgabenkreis „Rechtsangelegenheiten“ die Vertretung im Scheidungsverfahren umfasst.
Der Wortlaut „Rechtsangelegenheiten“ sei weit genug, um die Vertretung in einem Scheidungsverfahren einzuschließen.
Es sei kein ausdrücklicher Aufgabenkreis wie „Vertretung im Ehescheidungsverfahren“ erforderlich.
Das Gericht grenzte sich dabei von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (OLG Zweibrücken und OLG Brandenburg) ab, da diese sich mit Betreuungsfällen befassten, in denen die dort genannten Aufgabenkreise („Personensorge“, „Behördenangelegenheiten“ etc.) die Ehescheidung von vornherein nicht erfassten, weil die Scheidung sowohl den Familienstand als auch das Vermögen betrifft.
Da E bereits geschäftsunfähig war, als sein Betreuer bestellt wurde, sah das Gericht die Vertretung im Scheidungsverfahren als wirksam durch den Aufgabenkreis „Rechtsangelegenheiten“ abgedeckt an.
Durch die wirksame Zustimmung zur Scheidung war die Ehe zwischen E und B3 zum Zeitpunkt von E’s Tod gescheitert.
Scheiterung der Ehe: E und B3 lebten nachweislich seit über einem Jahr getrennt, und E hatte (durch seinen wirksam vertretenden Betreuer) der Scheidung zugestimmt. Damit galten die gesetzlichen Voraussetzungen für die Scheidung als erfüllt (§ 1566 Abs. 1 BGB).
Gemäß § 1933 Satz 1 BGB ist das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen für die Scheidung zum Zeitpunkt des Todes gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.
Die zweite Ehefrau (B3) war vom Erbe ausgeschlossen. Die beiden Kinder (B1 und B2) erbten E’s Vermögen zu je einer Hälfte.
Die Entscheidung des OLG Celle besagt vereinfacht:
Wenn ein Mensch einen Betreuer für „Rechtsangelegenheiten“ hat und schon bei der Bestellung des Betreuers geschäftsunfähig war, darf dieser Betreuer den Betreuten in einem Scheidungsverfahren vertreten.
Ein eigener Scheidungsantrag des Betreuers ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts wirksam.
Die Zustimmung zur Scheidung des anderen Ehepartners ist jedoch auch ohne diese gerichtliche Genehmigung wirksam, wenn der Aufgabenkreis „Rechtsangelegenheiten“ die Vertretung umfasst.
Wollte der Betreuer die Scheidung, wird ein unwirksamer eigener Antrag in die wirksame Zustimmung umgedeutet, wenn der andere Ehepartner die Scheidung beantragt hat.
Die wirksame Zustimmung zur Scheidung vor dem Tod des Betreuten führt dazu, dass der überlebende Ehepartner kein Erbrecht mehr hat. Dies war der entscheidende Punkt in diesem Fall.
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