Vertretungsmacht des Nachlaßpflegers -Einlegung einer Beschwerde im Erbscheinsverfahren – BayObLG BReg 1a Z 36/89

September 20, 2020

Vertretungsmacht des Nachlaßpflegers – Einlegung einer Beschwerde im Erbscheinsverfahren – BayObLG BReg 1a Z 36/89

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat entschieden, dass die Vertretungsmacht eines Nachlasspflegers nicht die Einlegung einer Beschwerde im Erbscheinsverfahren umfasst,

wenn er für die unbekannten Erben desjenigen Erblassers bestellt wurde, in dessen Erbscheinsverfahren die Beschwerde eingelegt wird.

Sachverhalt:

Die Erblasserin hatte zunächst durch notariellen Erbvertrag den nach ihr verstorbenen Sohn als ihren Alleinerben eingesetzt,

jedoch zu notarieller Urkunde später den Rücktritt erklärt und außerdem diesen Erbvertrag hilfsweise angefochten.

Jahre später errichtete sie ein eigenhändig geschriebenes und eigenhändig unterzeichnetes Testament.

Darin hat sie bestimmt, dass der wesentliche Grundbesitz auf die Beteiligte zu 2 „übergehen“ solle

Vertretungsmacht des Nachlaßpflegers – Einlegung einer Beschwerde im Erbscheinsverfahren – BayObLG BReg 1a Z 36/89

Gestützt auf das Testament hat die Beteiligte zu 2 einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweisen werde.

Der für die zunächst unbekannten Erben im Nachlassverfahren des nach der Erblasserin verstorbenen Sohnes bestellte Nachlasspfleger (Beteiligter zu 1) hat einen Erbschein aufgrund des

Erbvertrags beantragt mit der Begründung, weder für einen Rücktritt noch für eine Anfechtung seien die Voraussetzungen erfüllt.

Durch Beschluss hat das Nachlassgericht den Antrag des Nachlasspflegers zurückgewiesen; zugleich hat es einen Erbschein angekündigt, der die Beteiligte zu 2 als Alleinerbin ausweisen werde

Der für die unbekannten Erben des nach der Erblasserin verstorbenen Sohnes bestellte Nachlasspfleger

legte Beschwerde gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts ein.

Daraufhin hat das Landgericht die Entscheidung des Nachlassgerichts aufgehoben.

Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die „sofortige weitere Beschwerde“ der Beteiligten zu 2 an das BayObLG.

Vertretungsmacht des Nachlaßpflegers – Einlegung einer Beschwerde im Erbscheinsverfahren – BayObLG BReg 1a Z 36/89

Sie beantragt, den Beschluss des Landgerichts aufzuheben und die Entscheidung des Nachlassgerichts wiederherzustellen.

Rechtliche Würdigung:

Das BayObLG hob den Beschluss des Landgerichts auf und stellte die Entscheidung des Nachlassgerichts wieder her.

Begründung:

  • Eingeschränkte Vertretungsmacht: Der Nachlasspfleger ist zwar gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben, seine Vertretungsmacht ist aber auf die Sicherung des Nachlasses beschränkt.
  • Die Einlegung einer Beschwerde im Erbscheinsverfahren des Erblassers, für dessen unbekannte Erben er bestellt wurde, gehört nicht zu seinen Aufgaben.
  • Beschwerdebefugnis: Die unbekannten Erben wären zwar beschwerdebefugt gewesen, da sie in ihrem Erbrecht beeinträchtigt sein konnten.
  • Der Nachlasspfleger durfte sie aber nicht vertreten.
  • Aufhebung der Nachlasspflegschaft: Die Aufhebung der Nachlasspflegschaft hatte keinen Einfluss auf die Zulässigkeit der Beschwerde, da die Erben an die Stelle des Nachlasspflegers traten.
  • Zurücknahme des Erbscheinsantrags: Die Erben des Sohnes hatten den vom Nachlasspfleger gestellten Erbscheinsantrag zurückgenommen.
  • Damit fehlte es an einer Verfahrensvoraussetzung für die Erteilung des vom Landgericht angeordneten Erbscheins.
  • Prüfung der Erbfolge: Das BayObLG prüfte die Erbfolge und kam zu dem Ergebnis, dass der Rücktritt der Erblasserin vom Erbvertrag wirksam war.
  • Daher war die Tochter aufgrund des Testaments Alleinerbin.

Vertretungsmacht des Nachlaßpflegers – Einlegung einer Beschwerde im Erbscheinsverfahren – BayObLG BReg 1a Z 36/89

Konsequenzen:

  • Klare Abgrenzung der Aufgaben: Die Entscheidung verdeutlicht die Grenzen der Vertretungsmacht eines Nachlasspflegers.
  • Er darf nur in Angelegenheiten handeln, die der Sicherung des Nachlasses dienen.
  • Bedeutung des Erbscheinsantrags: Der Erbscheinsantrag ist eine notwendige Voraussetzung für die Erteilung eines Erbscheins.
  • Wird er zurückgenommen, kann das Verfahren nicht fortgesetzt werden.
  • Umfassende Prüfung der Erbfolge: Das Gericht muss die Erbfolge sorgfältig prüfen, bevor es einen Erbschein erteilt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das BayObLG mit seiner Entscheidung die Bedeutung einer klaren Abgrenzung der Aufgaben des Nachlasspflegers hervorgehoben hat.

Die Entscheidung ist relevant für die Praxis, da sie die Grenzen der Vertretungsmacht des Nachlasspflegers im Erbscheinsverfahren aufzeigt.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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