Vollstreckungseinstellung durch BGH
BGH Beschluss vom 23.7.2024 – VIII ZB 39/24
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem bemerkenswerten Beschluss die Zwangsvollstreckung aus einem Räumungsvergleich vorläufig gestoppt. Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf die Rechte von Mietern, insbesondere wenn es um den Verzicht auf Räumungsschutz und den Schutz von Familien mit minderjährigen Kindern geht.
Der Kern des Falls betrifft ein Ehepaar mit zwei minderjährigen Kindern, das sich in einem Vergleich vor dem Amtsgericht (AG) verpflichtet hatte, ihre Wohnung bis zu einem bestimmten Datum zu räumen. Gleichzeitig hatten sie in diesem Vergleich auf ihre Möglichkeit verzichtet, sogenannte Vollstreckungsschutzanträge nach § 794a Zivilprozessordnung (ZPO) zu stellen – also Anträge, die eine Verlängerung der Räumungsfrist ermöglichen sollen.
Nachdem die Mieter erfolglos versucht hatten, eine Verlängerung der Räumungsfrist zu bekommen, und ihnen die Zwangsräumung drohte, brachten sie den Fall bis zum BGH.
Die Mieter verpflichten sich zur Räumung bis zum 31.12.2023 und verzichten auf Vollstreckungsschutzanträge.
Die Mieter beantragen beim AG eine Verlängerung der Räumungsfrist, scheitern aber.
Die Beschwerde der Mieter wird abgewiesen. Das LG lässt aber die Rechtsbeschwerde zum BGH zu, weil die Frage des Verzichts auf Räumungsschutz umstritten und vom höchsten Gericht noch nicht abschließend geklärt ist.
Der BGH hebt den Beschluss des LG auf und verweist die Sache zurück an das LG.
Das LG weist die Anträge der Mieter auf Einstellung der Vollstreckung und Verlängerung der Räumungsfrist erneut zurück. Es lässt wieder die Rechtsbeschwerde zu, da die Wirksamkeit des Verzichts weiterhin höchstrichterlich ungeklärt ist.
Die Mieter legen erneut Rechtsbeschwerde ein, verbunden mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung, da die Räumung unmittelbar bevorsteht.
Der BGH hat der Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsvergleich bis zu seiner endgültigen Entscheidung über die Rechtsbeschwerde einen Riegel vorgeschoben.
Der BGH stützt sich auf die Möglichkeit der einstweiligen Anordnung (§ 570 Abs. 3 ZPO) im Rechtsbeschwerdeverfahren, um große Nachteile für die Rechtsbeschwerdeführer (hier die Mieter) abzuwenden.
Eine Zwangsräumung würde für die Mieter einen unwiderruflichen Verlust der Wohnung bedeuten. Dies wiegt schwerer als die Nachteile des Vermieters (der die Wohnung für Eigenbedarf nutzen wollte).
Die Mieter sind wegen ihrer zwei minderjährigen Kinder vor dem unwiederbringlichen Verlust der Mietwohnung einstweilen besonders zu schützen.
Dem Hauptrechtsmittel, der Rechtsbeschwerde, könne keine Aussicht auf Erfolg abgesprochen werden. Dies liegt daran, dass die zentrale Rechtsfrage – die Wirksamkeit des Verzichts auf Räumungsschutzanträge im Räumungsvergleich (§ 794a ZPO) – umstritten ist und noch keine höchstrichterliche Klärung durch den BGH erfahren hat.
Die Einstellung der Zwangsvollstreckung durch den BGH erfolgte allerdings nicht bedingungslos. Sie gilt nur mit der Maßgabe, dass die Mieter ihren vertraglichen Zahlungspflichten (Miete und Nebenkosten) ab August 2024 weiterhin pünktlich und vollständig nachkommen.
Er unterstreicht, dass der Schutz vor dem Verlust der Wohnung, besonders wenn minderjährige Kinder betroffen sind, ein sehr hohes Gut ist und selbst im Angesicht eines eigentlich vollstreckbaren Räumungsvergleichs temporär Vorrang haben kann.
Der Fall zeigt, dass eine in Räumungsvergleichen oft enthaltene Klausel – der Verzicht auf Räumungsschutz – rechtlich hoch umstritten ist. Solange der BGH diese Frage nicht endgültig entschieden hat, können Mieter in vergleichbaren Fällen unter Umständen eine vorläufige Vollstreckungseinstellung erreichen.
Die Entscheidung macht klar, dass die Mieter während der Dauer des Gerichtsverfahrens keine weiteren Zahlungspflichtverletzungen begehen dürfen, da der Vollstreckungsschutz an die Einhaltung der Mietzahlungen geknüpft ist.
Zusammenfassend hat der BGH die Zwangsräumung einer Familie mit Kindern vorläufig gestoppt, um eine wichtige, ungeklärte Rechtsfrage zur Gültigkeit des Verzichts auf Mieterschutz zu klären und gleichzeitig die Familie vor einem schweren, unwiederbringlichen Nachteil zu bewahren.
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