Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde
Hier ist eine Zusammenfassung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 24.02.2017 – 12 O 62/15.
Dieser Rechtsstreit dreht sich um die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung gegen einen Schuldner, nachdem ihm die Restschuldbefreiung in einem Verbraucherinsolvenzverfahren erteilt wurde.
Der Kläger (der Schuldner) wehrt sich gegen die Beklagte (eine Gläubigerin, der die ursprüngliche Forderung abgetreten wurde), die versucht, eine offene Forderung mithilfe einer Zwangssicherungshypothek auf seinem Grundstück durchzusetzen.
1995: Der Kläger und seine Frau nehmen einen Kredit bei einer Bank auf (der Erstgläubigerin). Sie sichern den Kredit durch eine Grundschuld auf einem Grundstück und übernehmen zusätzlich eine persönliche Haftung (mit sofortiger Zwangsvollstreckungsunterwerfung) für die Kreditschuld.
2006: Über das Vermögen des Klägers wird ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet.
2007: Das Insolvenzverfahren wird aufgehoben und dem Kläger die Restschuldbefreiung angekündigt. Damit beginnt die Wohlverhaltensperiode.
2008 (März): Die Erstgläubigerin lässt eine Zwangssicherungshypothek in Höhe von 10.000 € auf einem anderen Grundstück des Klägers eintragen. Dies geschieht während der Wohlverhaltensperiode.
2012 (August): Dem Kläger wird die Restschuldbefreiung rechtskräftig erteilt. Dies bedeutet, dass die allermeisten seiner Schulden aus der Zeit vor der Insolvenz nicht mehr von den Gläubigern eingetrieben werden können.
2012/2013: Die Erstgläubigerin tritt die Forderung samt der eingetragenen Zwangssicherungshypothek an die Beklagte ab.
2015: Die Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung aus der ursprünglichen notariellen Urkunde (der persönlichen Haftung) weiter, woraufhin der Kläger Klage einreicht.
Darf der Gläubiger (die Beklagte) die Zwangsvollstreckung wegen der persönlichen Haftung weiter betreiben und die Zwangssicherungshypothek behalten, obwohl dem Schuldner (dem Kläger) die Restschuldbefreiung erteilt wurde?
Die Entscheidung des Gerichts (Zusammenfassung der Gründe)
Das Landgericht Frankfurt (Oder) gibt dem Kläger in vollem Umfang Recht.
Die persönliche Haftung (das sogenannte abstrakte Schuldanerkenntnis) ist eine reguläre Insolvenzforderung.
Die rechtskräftig erteilte Restschuldbefreiung führt dazu, dass diese Forderung in eine unvollkommene Verbindlichkeit umgewandelt wird. Das heißt, die Forderung existiert zwar noch, kann aber nicht mehr zwangsweise durchgesetzt werden (§ 301 Abs. 1 InsO).
Daher ist die Zwangsvollstreckung gegen das gesamte Vermögen des Klägers aufgrund der persönlichen Haftung unzulässig.
Die Zwangssicherungshypothek wurde am 19. März 2008, also während der Wohlverhaltensperiode, eingetragen.
In der Wohlverhaltensperiode gilt das vollständige Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO. Dieses Verbot gilt für das gesamte Vermögen des Schuldners, auch für Grundstücke, die möglicherweise vom Insolvenzverwalter freigegeben wurden.
Weil die Eintragung der Hypothek gegen dieses gesetzliche Vollstreckungsverbot verstieß, ist die Zwangssicherungshypothek von Anfang an unwirksam entstanden.
Die spätere Erteilung der Restschuldbefreiung heilt diesen Mangel nicht. Im Gegenteil: Da die zugrundeliegende Forderung durch die Restschuldbefreiung nicht mehr durchsetzbar ist, wäre eine Neueintragung einer Zwangssicherungshypothek ohnehin unmöglich. Eine Heilung „ex nunc“ (von jetzt an) scheidet daher aus.
Normalerweise bleiben Rechte zur abgesonderten Befriedigung (wie eine wirksame Hypothek) von der Restschuldbefreiung unberührt.
Da die Zwangssicherungshypothek aber unwirksam war, weil sie unter Verstoß gegen das Vollstreckungsverbot zustande kam, greift dieser Schutz nicht. Es ist nicht der Zweck des Gesetzes, rechtswidrig erlangte Sicherheiten nachträglich zu legalisieren.
Selbst wenn man davon ausginge, die Beklagte hätte die Hypothek gutgläubig von der Erstgläubigerin erworben (was juristisch kompliziert ist), könnte sie daraus nicht vollstrecken.
Eine Zwangssicherungshypothek ist streng akzessorisch, d.h., sie ist in ihrer Existenz und Durchsetzbarkeit von der gesicherten Forderung abhängig.
Da die zugrundeliegende Forderung wegen der Restschuldbefreiung nicht mehr vollstreckbar ist, kann auch aus der Hypothek nicht mehr vollstreckt werden.
Das Gericht entscheidet:
Die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger aus der notariellen Urkunde (wegen der persönlichen Haftung) wird für unzulässig erklärt.
Die Beklagte muss die Löschung der Zwangssicherungshypothek im Grundbuch bewilligen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Kläger wurde durch die Restschuldbefreiung von der persönlichen Haftung befreit, und die während der Insolvenzphase eingetragene Zwangssicherungshypothek war unwirksam und musste gelöscht werden.
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