Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde

Oktober 13, 2025

Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde

Hier ist eine Zusammenfassung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 24.02.2017 – 12 O 62/15.

Worum geht es in diesem Fall?

Dieser Rechtsstreit dreht sich um die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung gegen einen Schuldner, nachdem ihm die Restschuldbefreiung in einem Verbraucherinsolvenzverfahren erteilt wurde.

Der Kläger (der Schuldner) wehrt sich gegen die Beklagte (eine Gläubigerin, der die ursprüngliche Forderung abgetreten wurde), die versucht, eine offene Forderung mithilfe einer Zwangssicherungshypothek auf seinem Grundstück durchzusetzen.

Der Hintergrund: Was ist passiert?

1995: Der Kläger und seine Frau nehmen einen Kredit bei einer Bank auf (der Erstgläubigerin). Sie sichern den Kredit durch eine Grundschuld auf einem Grundstück und übernehmen zusätzlich eine persönliche Haftung (mit sofortiger Zwangsvollstreckungsunterwerfung) für die Kreditschuld.

2006: Über das Vermögen des Klägers wird ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet.

2007: Das Insolvenzverfahren wird aufgehoben und dem Kläger die Restschuldbefreiung angekündigt. Damit beginnt die Wohlverhaltensperiode.

2008 (März): Die Erstgläubigerin lässt eine Zwangssicherungshypothek in Höhe von 10.000 € auf einem anderen Grundstück des Klägers eintragen. Dies geschieht während der Wohlverhaltensperiode.

2012 (August): Dem Kläger wird die Restschuldbefreiung rechtskräftig erteilt. Dies bedeutet, dass die allermeisten seiner Schulden aus der Zeit vor der Insolvenz nicht mehr von den Gläubigern eingetrieben werden können.

2012/2013: Die Erstgläubigerin tritt die Forderung samt der eingetragenen Zwangssicherungshypothek an die Beklagte ab.

2015: Die Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung aus der ursprünglichen notariellen Urkunde (der persönlichen Haftung) weiter, woraufhin der Kläger Klage einreicht.

Die juristische Kernfrage

Darf der Gläubiger (die Beklagte) die Zwangsvollstreckung wegen der persönlichen Haftung weiter betreiben und die Zwangssicherungshypothek behalten, obwohl dem Schuldner (dem Kläger) die Restschuldbefreiung erteilt wurde?

Die Entscheidung des Gerichts (Zusammenfassung der Gründe)

Das Landgericht Frankfurt (Oder) gibt dem Kläger in vollem Umfang Recht.

Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde

Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der persönlichen Haftung

Die persönliche Haftung (das sogenannte abstrakte Schuldanerkenntnis) ist eine reguläre Insolvenzforderung.

Die rechtskräftig erteilte Restschuldbefreiung führt dazu, dass diese Forderung in eine unvollkommene Verbindlichkeit umgewandelt wird. Das heißt, die Forderung existiert zwar noch, kann aber nicht mehr zwangsweise durchgesetzt werden (§ 301 Abs. 1 InsO).

Daher ist die Zwangsvollstreckung gegen das gesamte Vermögen des Klägers aufgrund der persönlichen Haftung unzulässig.

Unwirksamkeit der Zwangssicherungshypothek

Die Zwangssicherungshypothek wurde am 19. März 2008, also während der Wohlverhaltensperiode, eingetragen.

In der Wohlverhaltensperiode gilt das vollständige Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO. Dieses Verbot gilt für das gesamte Vermögen des Schuldners, auch für Grundstücke, die möglicherweise vom Insolvenzverwalter freigegeben wurden.

Weil die Eintragung der Hypothek gegen dieses gesetzliche Vollstreckungsverbot verstieß, ist die Zwangssicherungshypothek von Anfang an unwirksam entstanden.

Die spätere Erteilung der Restschuldbefreiung heilt diesen Mangel nicht. Im Gegenteil: Da die zugrundeliegende Forderung durch die Restschuldbefreiung nicht mehr durchsetzbar ist, wäre eine Neueintragung einer Zwangssicherungshypothek ohnehin unmöglich. Eine Heilung „ex nunc“ (von jetzt an) scheidet daher aus.

Kein Schutz durch absonderungsberechtigtes Recht (§ 301 Abs. 2 InsO)

Normalerweise bleiben Rechte zur abgesonderten Befriedigung (wie eine wirksame Hypothek) von der Restschuldbefreiung unberührt.

Da die Zwangssicherungshypothek aber unwirksam war, weil sie unter Verstoß gegen das Vollstreckungsverbot zustande kam, greift dieser Schutz nicht. Es ist nicht der Zweck des Gesetzes, rechtswidrig erlangte Sicherheiten nachträglich zu legalisieren.

Kein gutgläubiger Erwerb der Hypothek durch die Beklagte

Selbst wenn man davon ausginge, die Beklagte hätte die Hypothek gutgläubig von der Erstgläubigerin erworben (was juristisch kompliziert ist), könnte sie daraus nicht vollstrecken.

Eine Zwangssicherungshypothek ist streng akzessorisch, d.h., sie ist in ihrer Existenz und Durchsetzbarkeit von der gesicherten Forderung abhängig.

Da die zugrundeliegende Forderung wegen der Restschuldbefreiung nicht mehr vollstreckbar ist, kann auch aus der Hypothek nicht mehr vollstreckt werden.

Das Urteil (Tenor)

Das Gericht entscheidet:

Die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger aus der notariellen Urkunde (wegen der persönlichen Haftung) wird für unzulässig erklärt.

Die Beklagte muss die Löschung der Zwangssicherungshypothek im Grundbuch bewilligen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Fazit:

Der Kläger wurde durch die Restschuldbefreiung von der persönlichen Haftung befreit, und die während der Insolvenzphase eingetragene Zwangssicherungshypothek war unwirksam und musste gelöscht werden.

RA und Notar Krau

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein konstenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Waage Justitia Justiz Recht Gericht

Schadensersatz-Klagen gegen Impfstoffhersteller bleiben erfolglos

November 7, 2025
Schadensersatz-Klagen gegen Impfstoffhersteller bleiben erfolglosLG Düsseldorf, Urteil vom 16.11.2023 – 3 O 141/22Urteil des LG Düsseldorf…
Waage Justiz Gericht

COVID-19-Impfstoff Comirnaty – Schmerzensgeld und Schadensersatz für zukünftige Schäden

November 7, 2025
COVID-19-Impfstoff Comirnaty – Schmerzensgeld und Schadensersatz für zukünftige SchädenWorum ging es in diesem Fall?Eine Klägerin hat den He…
Hammer Gericht Justiz Urteil Vollstreckung

Rechtskraft eines eine altrechtliche Wegedienstbarkeit verneinenden Feststellungsurteils

November 7, 2025
Rechtskraft eines eine altrechtliche Wegedienstbarkeit verneinenden FeststellungsurteilsDer Kampf um den Weg: Feststellungsklage, Dienstbarkeit…