Vollzug einer Verfügung des Erblassers zugunsten Dritter auf den Todesfall unter Lebenden – BGH Urteil vom 26. November 2003 – IV ZR 438/02

Juni 12, 2020

Vollzug einer Verfügung des Erblassers zugunsten Dritter auf den Todesfall unter Lebenden – BGH Urteil vom 26. November 2003 – IV ZR 438/02

Zusammenfassung von RA und Notar Krau

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. November 2003 – IV ZR 438/02 – behandelt die Anwendbarkeit des allgemeinen Schuldrechts oder des Erbrechts auf Rechtsbeziehungen und deren Anfechtung im Deckungs- und Valutaverhältnis bei einer Verfügung des Erblassers zugunsten Dritter auf den Todesfall unter Lebenden.

Tenor

Der BGH hob das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. November 2002 auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt im Hinblick auf das Testament der Erblasserin die Zahlung von 52.317,67 DM (26.749,59 €).

Die Erblasserin teilte in ihrem Testament vom 5. Juni 1996 ihre Sparbriefe zu je einem Drittel auf die Klägerin, den Beklagten und einen weiteren Miterben auf.

Das restliche Guthaben bei ihrer Sparkasse belief sich beim Erbfall auf 156.953 DM.

Der Beklagte berief sich auf eine weitere Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall vom 25. März 1996, mit der die Erblasserin ihn begünstigte.

Der weitere Miterbe focht diese Verfügung an, woraufhin ein Rechtsstreit entstand.

Vollzug einer Verfügung des Erblassers zugunsten Dritter auf den Todesfall unter Lebenden – BGH Urteil vom 26. November 2003 – IV ZR 438/02

Der Beklagte wurde rechtskräftig zur Zahlung verurteilt.

Entscheidungsgründe

Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Bewertung der Vorinstanzen

Nach Ansicht der Vorinstanzen könne die Klägerin den geforderten Betrag vom Beklagten gemäß §§ 2218, 667 BGB verlangen, da die Verfügung vom 25. März 1996 wirksam angefochten worden sei.

Die Anfechtung durch den dritten Miterben wirke auch zu Gunsten der Klägerin.

II. Kritik des BGH

Differenzierung zwischen Deckungs- und Valutaverhältnis:

a) Deckungsverhältnis:
Ein Vertrag zugunsten Dritter, nämlich zugunsten des Beklagten, liege vor, durch den dieser einen Anspruch auf das Guthaben gegenüber der Sparkasse nach dem Tod der Erblasserin erworben habe (§§ 328, 331 BGB).

Vollzug einer Verfügung des Erblassers zugunsten Dritter auf den Todesfall unter Lebenden – BGH Urteil vom 26. November 2003 – IV ZR 438/02

Diese Rechtsbeziehungen unterliegen dem Schuldrecht, nicht dem Erbrecht.

b) Valutaverhältnis:

Ob der Begünstigte den erlangten Anspruch behalten darf oder an die Erben herausgeben muss, ist nach Schuldrecht zu beurteilen.

Eine unentgeltliche Zuwendung im Valutaverhältnis wird im Allgemeinen als Schenkung betrachtet.

Anfechtung des Valutaverhältnisses:

a) Rechtsgeschäft unter Lebenden:

Im Valutaverhältnis müsse geklärt werden, ob es sich um einen Auftrag oder eine Geschäftsbesorgung gehandelt habe.

Maßgeblich sei, was als Wille der Erblasserin für den Beklagten erkennbar geworden sei.

b) Beweislast:

Die Klägerin sei beweispflichtig für die Behauptung, der Beklagte habe das Guthaben nur verwalten sollen.

Der Beklagte müsse eine substantiierten Darlegung vornehmen.

Vollzug einer Verfügung des Erblassers zugunsten Dritter auf den Todesfall unter Lebenden – BGH Urteil vom 26. November 2003 – IV ZR 438/02

c) Zeugenvernehmung:

Die Entscheidung des Berufungsgerichts, keine erneute Vernehmung des Sparkassenangestellten durchzuführen, sei rechtsfehlerhaft.

III. Weitere Hinweise des BGH

Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass im Valutaverhältnis von einer Schenkung auszugehen sei, müsse die Anfechtung weiter geprüft werden. Hierbei seien folgende Aspekte zu beachten:

a) Anfechtungsrecht:

Die Anfechtungsregelung in § 2078 BGB sei nicht auf Verträge zugunsten Dritter anzuwenden.

Es gehe um den Schutz des Vertragspartners bei Rechtsgeschäften unter Lebenden.

b) Anfechtungsberechtigung:

Das Anfechtungsrecht gehe beim Tod des Erklärenden auf dessen Erben über.

Die Anfechtung müsse gegenüber dem Empfänger der anzufechtenden Willenserklärung erfolgen.

c) Kenntnis des Anfechtungsgrundes:

Die Kenntnis des Anfechtungsgrundes trete erst ein, wenn von einem durch Irrtum beeinflussten Rechtsgeschäft im Valutaverhältnis auszugehen sei.

IV. Weitere Klärungen durch das Berufungsgericht

Das Berufungsgericht müsse klären, was die Erblasserin mit der Verfügung vom 25. März 1996 beabsichtigt habe und ob die Erblasserin in einem zur Anfechtung berechtigenden Irrtum war.

Fazit

Das Urteil des BGH zeigt die Notwendigkeit, zwischen den Rechtsverhältnissen im Deckungsverhältnis (Schuldrecht) und Valutaverhältnis (möglicherweise Schenkung) zu differenzieren.

Die Frage der Anfechtung muss unter Berücksichtigung der jeweiligen rechtlichen Grundlagen sorgfältig geprüft werden.

Das Berufungsgericht ist aufgefordert, die Beweise umfassend zu erheben und die tatsächlichen Absichten der Erblasserin festzustellen.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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