Voraussetzungen der erbschaftsteuerrechtlichen Privilegierung eines Familienheims gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG
auf der Grundlage des Urteils des FG Berlin-Brandenburg vom 19.12.2024 (14 K 14131/22)
Das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg befasst sich eingehend mit den Voraussetzungen für die erbschaftsteuerrechtliche
Privilegierung eines Familienheims nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
Im Kern geht es um die Frage, unter welchen Umständen der Erwerb von Todes wegen von Eigentum oder Miteigentum an einem inländischen
bebauten Grundstück durch Kinder steuerfrei bleibt, wenn dieses als Familienheim anzusehen ist.
Die Norm des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG sieht eine Steuerbefreiung vor für den Erwerb von Todes wegen
von Eigentum oder Miteigentum an einem inländischen bebauten Grundstück mit einer Wohnfläche von höchstens 200 Quadratmetern durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2.
Diese Steuerbefreiung greift, sofern der Erblasser die Wohnung bis zum Erbfall zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert war
und soweit die Wohnung vom Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist.
Im vorliegenden Fall klagte der Alleinerbe gegen die Festsetzung der Erbschaftsteuer, da das Finanzamt den hälftigen Miteigentumsanteil an einer Wohnung, die zum Nachlass gehörte, nicht als steuerbefreites Familienheim anerkannte.
Der Erblasser, die Mutter des Klägers, hatte diese Wohnung nicht selbst bewohnt.
Der Kläger argumentierte, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung dennoch erfüllt seien, da die Erblasserin aus zwingenden
gesundheitlichen Gründen an der Selbstnutzung gehindert gewesen sei und er die Wohnung unverzüglich selbst bewohnt habe.
Zudem führte er an, dass die betreffende Wohnung und eine weitere im selben Haus gelegene Wohnung, die die Erblasserin bis zu ihrem Tod bewohnt hatte,
innerhalb der Familie immer als eine Einheit betrachtet worden seien.
Das Finanzgericht wies die Klage jedoch ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Behandlung der Wohnung als Familienheim im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG nicht vorlägen.
Das Gericht argumentierte, dass die im Nachlass befindliche Wohnung zu keinem Zeitpunkt vor dem Erbfall den Mittelpunkt des familiären Lebens der Erblasserin gebildet habe.
Es führte eine teleologische Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG durch und schränkte den Wortlaut der Norm ein.
Nach Ansicht des Gerichts scheidet die Privilegierung einer Wohnung als Familienheim aus, wenn der Erblasser zu keinem Zeitpunkt in dem vererbten Haus oder der Wohnung gelebt hat.
Zwar räumte das Gericht ein, dass der Wortlaut der Norm („… bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung … gehindert war“)
nach allgemeinem Sprachverständnis auch den Fall erfassen könnte, in dem der Erblasser die Wohnung nie selbst genutzt hat, sofern zwingende Gründe vorlagen.
Der Wortlaut enthalte keine ausdrückliche Einschränkung, dass die Hinderung erst nach einer anfänglichen Selbstnutzung eingetreten sein müsse.
Dies unterscheide sich von anderen Regelungen im § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 bzw. Nr. 4c Satz 5 ErbStG, bei denen die Hinderung des Erwerbers an der
Selbstnutzung die vorangegangene Privilegierung nur aufrechterhält, wenn der Erwerber das Objekt bis zum Eintritt der Hinderungsgründe selbst genutzt hat.
Das Finanzgericht erachtete jedoch aus teleologischen Gründen eine einschränkende Auslegung des Wortlauts für geboten.
Wenn der Erblasser niemals selbst in der vererbten Immobilie gelebt habe, könne sich dort auch niemals der „Mittelpunkt des familiären Lebens“ befunden haben.
Dies sei aber nach dem übereinstimmenden Begriffsverständnis des „Familienheims“ in § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1, Nr. 4b Satz 1 und Nr. 4c Satz 1 ErbStG erforderlich.
Diese Auslegung stehe auch im Einklang mit den Gesetzesmaterialien.
Der Zweck der Befreiungsvorschrift liege im Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraumes und in der Lenkung in immobiles Vermögen zur Erhaltung des Familiengebrauchsvermögens.
Diese Zwecke könnten nur erfüllt werden, wenn die Immobilie vor dem Erbfall bereits als eigengenutztes Familiengebrauchsvermögen habe gelten können.
Die Steuerbefreiung diene dem gegenständlich-räumlichen Fortbestand des bestehenden Familienheims über den Erbfall hinaus.
Eine Immobilie, die bis zum Erbfall nie vom Erblasser zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden sei, falle nicht unter den Schutzzweck der Norm.
Die Aufnahme der zweiten Alternative in den Befreiungstatbestand habe den Fall des Umzugs in ein Senioren- oder Pflegeheim aus zwingenden gesundheitlichen Gründen im Blick gehabt und solle lediglich
eine Gleichstellung mit der regulär erforderlichen Nutzung bis zum Tod ermöglichen, um sachliche Unbilligkeiten aufgrund schwerwiegender Hinderungsgründe des Erblassers zu vermeiden.
Das Finanzgericht folgte mit seiner restriktiven Auslegung der herrschenden Meinung in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur.
Es wies darauf hin, dass der Bundesfinanzhof (BFH) diese Rechtsfrage in Bezug auf § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG bisher nicht entschieden habe.
Bezüglich der Begünstigungsnorm des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG habe der BFH allerdings eine einschränkende Auslegung des Wortlauts „zu eigenen Wohnzwecken“ für verfassungsrechtlich geboten
erachtet und entschieden, dass ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Gebäude, in dem sich nicht zugleich der
Mittelpunkt des familiären Lebens der Eheleute befinde, kein steuerbegünstigtes Familienheim darstelle.
Allerdings enthalte § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG im Gegensatz zu § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG nicht die Alternative der Hinderung der Selbstnutzung aus zwingenden Gründen.
Auch die Rechtsprechung des BFH, wonach eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für ein Familienheim ausscheide, wenn der Erwerber von vornherein gehindert sei, die Wohnung selbst zu nutzen
und deshalb nicht einziehe, sei für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, da es hier um die Hinderung des Erblassers gehe.
Das Finanzgericht wies auch die Argumentation des Klägers zurück, dass die beiden Wohnungen im Haus der Erblasserin und die streitgegenständliche Wohnung als Einheit zu betrachten seien.
Für erbschaftsteuerliche Zwecke seien dies baulich getrennte Immobilien und separate Vermögenswerte. Eine subjektive Betrachtung der Beteiligten
könne daran nichts ändern, um missbräuchliche Gestaltungen zu vermeiden.
Da die Erblasserin nach dem Vortrag des Klägers aus gesundheitlichen Gründen gerade nicht in der Lage gewesen sei, die streitgegenständliche Wohnung zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen und ihr
Lebensmittelpunkt weiterhin in der anderen Wohnung verblieben sei, liege kein Familienheim im Sinne der Norm vor.
Es sei daher unerheblich, welche zwingenden Gründe dem Umzug der Erblasserin tatsächlich entgegengestanden hätten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschieden hat, dass die erbschaftsteuerrechtliche Privilegierung eines Familienheims gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG
voraussetzt, dass der Erblasser die betreffende Wohnung bis zum Erbfall tatsächlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder zumindest bis zum Eintritt zwingender Hinderungsgründe darin gelebt hat.
Eine bloße Hinderung an der Selbstnutzung von Beginn an, ohne dass der Erblasser jemals in der Wohnung gewohnt hat, reicht nach dieser teleologischen Auslegung nicht aus, um die Steuerbefreiung zu begründen.
Zudem ist erforderlich, dass die Wohnung den Mittelpunkt des familiären Lebens des Erblassers gebildet hat.
Die unverzügliche Selbstnutzung durch den Erwerber ist eine weitere notwendige Voraussetzung, die im vorliegenden Fall jedoch aufgrund des Fehlens der vorherigen Selbstnutzung durch den Erblasser nicht zur Steuerbefreiung führte.
Das Gericht ließ die Revision zu, da die Auslegung der alternativen Voraussetzung der zwingenden Hinderung an der Selbstnutzung in § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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