Voraussetzungen der Stundung des Pflichtteils

November 1, 2025

Voraussetzungen der Stundung des Pflichtteils

Sehr gerne erläutere ich Ihnen die Voraussetzungen, unter denen eine Stundung des Pflichtteils beantragt werden kann. Dies ist ein wichtiges, aber auch komplexes Thema im Erbrecht, das oft dann relevant wird, wenn ein Erbe das Vermögen des Erblassers nicht sofort in Geld umwandeln kann, um den Pflichtteilsanspruch auszuzahlen.

Da Sie eine Erläuterung für Laien wünschen, werde ich Fachbegriffe so weit wie möglich vermeiden oder erklären und auf die relevanten gesetzlichen Grundlagen eingehen.


Was ist der Pflichtteil und wann ist er fällig?

Zunächst zur Grundlage: Der Pflichtteil ist der gesetzliche Mindestanspruch, den nahe Angehörige (insbesondere Kinder, Ehepartner und unter Umständen die Eltern) vom Erben verlangen können, wenn sie durch ein Testament enterbt wurden. Es handelt sich dabei um einen reinen Geldanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Die wichtige Regel ist: Der Pflichtteil wird grundsätzlich sofort mit dem Tod des Erblassers fällig. Das bedeutet, der Pflichtteilsberechtigte könnte theoretisch direkt nach dem Erbfall die Auszahlung verlangen.

Was bedeutet die Stundung des Pflichtteils?

Die Stundung ist eine Ausnahme von dieser sofortigen Fälligkeit. Wenn eine Stundung gewährt wird, bedeutet das, dass der Erbe (der Schuldner des Pflichtteils) die Zahlung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben darf. Sie wird im deutschen Recht in § 2331a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt.

Die Stundung ist somit ein wichtiges Instrument, um den Erben vor einer existenzbedrohenden Situation zu schützen, ohne dem Pflichtteilsberechtigten seinen Anspruch komplett zu entziehen.


Die Kernvoraussetzung: Die „Unbillige Härte“

Der Erbe kann die Stundung des Pflichtteils nicht einfach so verlangen. Die zentrale und streng geprüfte Voraussetzung ist, dass die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben eine unbillige Härte darstellen würde.

Diese unbillige Härte muss zudem wegen der Art der Nachlassgegenstände entstehen. Das ist ein sehr enger Rahmen.

Die häufigsten Fallgruppen der „Unbilligen Härte“

Das Gesetz nennt explizit zwei Beispielfälle, in denen eine unbillige Härte in der Regel angenommen wird. Dies sind die wichtigsten Konstellationen in der Praxis:

  1. Die Aufgabe des Familienheims:
    • Was ist gemeint? Wenn der Nachlass größtenteils aus einer Immobilie (einem Haus oder einer Wohnung) besteht, die dem Erben und seiner Familie als Zuhause dient.
    • Das Problem: Um den Pflichtteil auszuzahlen, müsste der Erbe das Haus verkaufen oder eine hohe Hypothek aufnehmen. Beides würde ihn zur Aufgabe seines gewohnten Lebensumfeldes zwingen. Wenn der Nachlass also nicht „flüssig“ ist (also nicht genug Bargeld oder leicht verkäufliche Wertpapiere enthält), kann die sofortige Zahlung eine unbillige Härte darstellen.
  2. Die Veräußerung eines Wirtschaftsguts (Existenzgrundlage):
    • Was ist gemeint? Dies betrifft beispielsweise ein kleines Familienunternehmen, einen landwirtschaftlichen Betrieb oder einen Gesellschaftsanteil.
    • Das Problem: Wenn die sofortige Auszahlung des Pflichtteils den Erben dazu zwingen würde, dieses Wirtschaftsgut zu verkaufen oder zu zerschlagen, und dieses Gut die wirtschaftliche Lebensgrundlage für ihn und seine Familie bildet, dann liegt ebenfalls eine unbillige Härte vor.

Voraussetzungen der Stundung des Pflichtteils

Wichtig: Wenn der Erbe selbst genug privates, nicht zum Nachlass gehörendes Vermögen oder liquide Mittel (Bargeld, leicht veräußerbare Wertpapiere) hätte, um den Pflichtteil zu bezahlen, ist die unbillige Härte in der Regel nicht gegeben. Dem Erben wird oft auch zugemutet, einen Kredit aufzunehmen, solange dies wirtschaftlich sinnvoll und tragbar ist.


Die Interessenabwägung: Erbe vs. Pflichtteilsberechtigter

Selbst wenn eine unbillige Härte beim Erben festgestellt wird, ist die Stundung noch nicht automatisch gewährt. Das Gesetz verlangt eine angemessene Berücksichtigung der Interessen des Pflichtteilsberechtigten. Es muss also eine umfassende Interessenabwägung stattfinden.

Interessen des Erben:

  • Schutz der Wohnung und des gewohnten Lebensumfeldes.
  • Erhalt der wirtschaftlichen Existenzgrundlage.

Interessen des Pflichtteilsberechtigten:

  • Dringender Geldbedarf: Ist der Pflichtteilsberechtigte selbst auf das Geld angewiesen, um seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten oder eine wichtige Anschaffung zu tätigen (z.B. ein behindertengerechter Umbau)?
  • Eigenes Alter und Lebenserwartung: Je älter der Berechtigte, desto weniger ist ihm eine lange Stundung zuzumuten.
  • Verhalten des Erben: Hat der Erbe die Auszahlung bisher unangemessen verzögert?

Das Ergebnis der Abwägung: Eine Stundung wird nur gewährt, wenn die Interessen des Erben am Erhalt seines Heims oder seiner Existenzgrundlage das Interesse des Pflichtteilsberechtigten an der sofortigen Auszahlung überwiegen.


Wie wird die Stundung beantragt und was sind die Folgen?

1. Zuständigkeit

Wenn sich Erbe und Pflichtteilsberechtigter einig sind, können sie eine formlose Stundungsvereinbarung treffen (zum Beispiel Ratenzahlung).

Wenn keine Einigung erzielt wird und der Pflichtteilsanspruch dem Grunde und der Höhe nach unstreitig ist, ist das Nachlassgericht für den Antrag auf Stundung zuständig. Ist der Anspruch streitig, muss der Erbe die Stundung im gerichtlichen Prozess vor dem Zivilgericht beantragen.

2. Folgen der Stundung

Wird die Stundung gewährt, hat dies folgende Konsequenzen:

  • Spätere Fälligkeit: Die Auszahlung des Pflichtteils verschiebt sich auf den vom Gericht festgelegten Zeitpunkt (dies können oft mehrere Jahre sein).
  • Verzinsung: Der gestundete Anspruch muss verzinst werden. Der Erbe hat dem Pflichtteilsberechtigten also nicht nur den Pflichtteil, sondern auch Zinsen für die Zeit des Aufschubs zu zahlen.
  • Sicherheiten: Das Gericht kann anordnen, dass der Erbe Sicherheiten leisten muss (z.B. eine Hypothek auf das Familienheim), um sicherzustellen, dass der Pflichtteilsberechtigte sein Geld später auch wirklich erhält.

Zusammenfassung der Voraussetzungen:

KriteriumErläuterung für Laien
AntragstellerNur der Erbe (oder eine Erbengemeinschaft) kann die Stundung beantragen.
Unbillige HärteDie sofortige Auszahlung würde den Erben ungewöhnlich hart treffen.
UrsacheDie Härte muss wegen der Art der Nachlassgegenstände entstehen (z.B. das Vermögen besteht fast nur aus einem Haus oder einem Unternehmen).
BeispieleInsbesondere drohender Verlust des Familienheims oder der wirtschaftlichen Existenzgrundlage.
InteressenabwägungDie Interessen des Erben müssen die Interessen des Pflichtteilsberechtigten an der sofortigen Auszahlung überwiegen.

Die Stundung des Pflichtteils ist eine absolute Ausnahme und wird nur in echten Härtefällen gewährt. Sie dient dazu, einen fairen Ausgleich zwischen dem Schutz des Erben vor dem Verlust seines Heimes oder seiner Existenz und dem berechtigten Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf seinen Mindestanteil zu schaffen.

Da es sich um eine komplexe Einzelfallentscheidung handelt, ist es für Erben, die eine Stundung anstreben, fast immer ratsam, sich an einen Fachanwalt für Erbrecht zu wenden, um die eigenen Chancen realistisch einschätzen und den Antrag fundiert begründen zu können.

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