Voraussetzungen für Anordnung einer Mitbetreuung bei Interessenkonflikt
BGH Beschluss vom 25.6.2025 – XII ZB 157/24
Gerne fasse ich die Voraussetzungen für die Anordnung einer Mitbetreuung bei einem Interessenkonflikt zusammen.
Dieser Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) klärt eine wichtige Frage im deutschen Betreuungsrecht nach der Reform vom 1. Januar 2023.
Ein Interessenkonflikt zwischen dem Betreuer (der rechtlichen Vertretung) und der betreuten Person ist heute kein direkter Grund mehr, dem Betreuer gerichtlich die Vertretungsmacht für einen Aufgabenbereich zu entziehen.
Es gibt keine isolierte Entziehung der Vertretungsmacht mehr (Abschaffung einer Regelung aus dem früheren Vormundschaftsrecht).Bei einem Interessenkonflikt ist eine geteilte Betreuung (Mitbetreuung) anzuordnen, bei der verschiedene Betreuer unterschiedliche Aufgabenbereiche übernehmen.
Die Anordnung einer Mitbetreuung, um einen Interessenkonflikt zu lösen, basiert auf folgenden Grundsätzen:
Die frühere Möglichkeit, dem Betreuer wegen eines erheblichen Interessengegensatzes einfach die Vertretungsbefugnis zu entziehen (§ 1789 II BGB a.F.), ist durch die Gesetzesreform bewusst entfallen. Eine ähnliche Regelung aus dem Vormundschaftsrecht kann nicht einfach auf die Betreuung übertragen werden (keine analoge Anwendung).
Der Gesetzgeber sieht die Lösung in der Anordnung einer geteilten Mitbetreuung nach § 1817 I 2 BGB. Dabei werden die Aufgabenbereiche aufgeteilt, sodass der Interessenkonflikt in einem bestimmten Bereich vermieden wird.
Besteht der Konflikt bereits, wird der Aufgabenbereich, der den Konflikt betrifft, einem anderen Betreuer zugewiesen.
Tritt der Konflikt später auf, kann der Aufgabenbereich, in dem der Interessenkonflikt besteht, dem bisherigen Betreuer entzogen (§ 1868 I BGB, als teilweise Entlassung) und einem neuen, weiteren Betreuer übertragen werden.
Ein Ergänzungsbetreuer (eine Form der Mitbetreuung für einen Teilbereich) ist nur dann zwingend zu bestellen, wenn der Betreuer aus rechtlichen Gründen gehindert ist, bestimmte Angelegenheiten zu besorgen (§ 1817 V BGB).
Dies ist der Fall, wenn der Betreuer ein sogenanntes Insichgeschäft tätigen würde oder ein Rechtsgeschäft mit nahen Angehörigen der Betreuerin (z. B. Ehepartner, Kinder) abschließen soll (§ 1824 BGB).
Ein Betreuer kann keinen Kaufvertrag für die betreute Person mit seinem eigenen Ehepartner abschließen. Hierfür bräuchte er einen Ergänzungsbetreuer.
Die gleichzeitige Rolle als Betreuer (für die betreute Person) und Testamentsvollstrecker (im Rahmen des Nachlasses) begründet allein noch keinen ausreichenden Grund für die Anordnung einer Mitbetreuung zu Kontrollzwecken. Eine Mitbetreuung zur Kontrolle ist nur dann nötig, wenn konkrete Anhaltspunkte für Pflichtverstöße oder eine mangelnde Eignung des Betreuers vorliegen. Die fehlende Kontrollmöglichkeit der betreuten Person selbst ist in den meisten Fällen der Betreuung gegeben und rechtfertigt keine zusätzliche Mitbetreuung.
Im vorliegenden Fall ging es um die Schwester (Betreuerin), die gleichzeitig Betreuerin der behinderten Erbin (Betroffene) war, Testamentsvollstreckerin für die Betroffene (Vorerbin) und ihre eigenen Kinder (Nacherben),die Mutter der Verhinderungsbetreuerin (Bet. zu 2) war, die von der Betroffenen ein Haus mietete und diese pflegte.
Das Betreuungsgericht hatte wegen des Interessenkonflikts einen Ergänzungsbetreuer bestellt, unter anderem um die Rechte der Betroffenen gegenüber der Testamentsvollstreckerin wahrzunehmen. Der BGH hat diese Bestellung jedoch aufgehoben:
Es gab keinen konkreten Anlass für die Wahrnehmung von Rechten der Betroffenen gegenüber der Testamentsvollstreckerin (keine Pflichtverstöße ersichtlich).Kein Missverhältnis: Auch wenn der Mietvertrag mit der Tochter (Verhinderungsbetreuerin) günstig war, kompensierte die aufopferungsvolle Pflege diesen Vorteil. Es war kein Missverhältnis erkennbar.
Die Doppelfunktion der Schwester allein rechtfertigte keine Mitbetreuung zu Kontrollzwecken, da keine Anhaltspunkte für Pflichtverstöße vorlagen.
Auch wenn ein Interessenkonflikt besteht, muss ein konkreter Anlass für eine Änderung der Betreuung oder die Bestellung eines zusätzlichen Betreuers vorliegen. Die bloße Möglichkeit eines Konflikts durch Doppelfunktionen reicht nicht aus, solange die Betreuerin ihre Aufgaben im Sinne der betreuten Person erfüllt.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.