Voraussetzungen für Gültigkeit eines Dreizeugentestaments – BGH Urteil 15. November 1951 – IV ZR 66/51
Zusammenfassung RA und Notar Krau
Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15. November 1951 befasst sich mit den Voraussetzungen für die Gültigkeit eines sogenannten Dreizeugentestaments.
Es handelt sich um ein Testament, das unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen, wie beispielsweise einer nahen Todesgefahr, von drei Zeugen bestätigt werden kann, anstelle eines Notars oder Richters.
Tatbestand
Am 17. Januar 1947 verstarb der Brandkassenkommissar Ludwig W. Seine Witwe Elise W. erbte aufgrund eines privatschriftlichen Testaments das gesamte Vermögen.
Elise erlitt wenige Tage nach dem Tod ihres Mannes einen Schlaganfall und wurde ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie am 5. Februar 1947 verstarb.
Elise hinterließ ein mit Schreibmaschine geschriebenes Testament vom 3. Februar 1947, in dem sie bestimmte, dass der gesamte Nachlass an die Geschwister ihres Mannes zu gleichen Teilen gehen sollte.
Das Testament wurde von Elise W., dem Brandkassenkommissar Hermann K. und zwei Krankenschwestern unterschrieben.
Der Beklagte, ein Sohn einer vorverstorbenen Schwester der Erblasserin, focht die Gültigkeit dieses Testaments an.
Er argumentierte, dass das Testament aufgrund formeller Mängel und der nicht gegebenen Voraussetzungen für ein Nottestament ungültig sei.
Bei Ungültigkeit des Testaments wären der Beklagte und weitere Verwandte gesetzliche Erben geworden.
Die Kläger, die im Testament als Erben eingesetzt wurden, reichten Klage ein, um die Zwangsversteigerung des Nachlasses zu verhindern und ihre Erbenstellung zu bestätigen.
Das Landgericht wies die Klage ab, woraufhin die Kläger Berufung einlegten.
Das Oberlandesgericht gab der Berufung statt, und der Beklagte legte Revision ein.
Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.
Die Kernfrage des Urteils war, ob die Erblasserin sich zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in einer nahen Todesgefahr befunden hatte, die die Errichtung eines Testaments vor einem Notar, Richter oder Bürgermeister unmöglich gemacht hätte.
Das Oberlandesgericht hatte keine eindeutige Feststellung zu dieser Frage getroffen.
Rechtslage
Der BGH betonte, dass für die Gültigkeit eines Nottestaments nicht nur die Besorgnis einer nahen Todesgefahr ausreiche, sondern dass diese Besorgnis von allen beteiligten Zeugen geteilt werden müsse.
Der Gesetzgeber hatte mit der Einführung der Vorschrift des § 24 Abs. 2 TestG die Voraussetzungen für die Errichtung eines Dreizeugentestaments erleichtert.
Allerdings musste für die Gültigkeit des Testaments sichergestellt sein, dass alle drei Zeugen tatsächlich die Besorgnis einer nahen Todesgefahr teilten.
Das Oberlandesgericht hatte die Frage der Todesgefahr unterschiedlich bewertet.
Einerseits sah es die strengen Anforderungen des Reichsgerichts als nicht erfüllt an, andererseits hielt es die Besorgnis einer nahen Todesgefahr für ausreichend.
Diese widersprüchliche Bewertung führte dazu, dass keine klare Entscheidung getroffen werden konnte.
Der BGH stellte klar, dass die Besorgnis der Todesgefahr nicht nur beim Erblasser, sondern auch bei allen Zeugen vorhanden sein müsse.
Diese Besorgnis musste auf objektiven Tatsachen beruhen und von den Zeugen nach pflichtgemäßem Ermessen als gerechtfertigt angesehen werden können.
Dabei durfte die Einschätzung der Todesgefahr nicht ausschließlich vom Erblasser selbst stammen.
Bedeutung der Zeugen
Die Mitwirkung der Zeugen war entscheidend für die Gültigkeit des Nottestaments.
Da es im Fall des Dreizeugentestaments keine Amtsperson wie einen Notar oder Richter gab, die die formellen Voraussetzungen der Testamentserrichtung sicherstellen konnte, kam den Zeugen eine besondere Bedeutung zu.
Sie mussten bestätigen, dass die Errichtung eines Testaments durch einen Notar, Richter oder Bürgermeister nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Feststellung der Besorgnis einer nahen Todesgefahr musste daher entweder explizit in der Testamentsniederschrift vermerkt oder durch das Verhalten und die Aussagen der Zeugen eindeutig nachweisbar sein.
Nur wenn diese Bedingung erfüllt war, konnte das Nottestament als gültig angesehen werden.
Ergebnis und Ausblick
Der BGH verwies den Fall zurück an das Oberlandesgericht, um eine erneute Prüfung und klare Feststellung darüber vorzunehmen, ob die Erblasserin sich tatsächlich in einer nahen Todesgefahr befunden hatte und ob diese Besorgnis von allen drei Zeugen geteilt wurde.
Falls dies nicht der Fall war, musste geprüft werden, ob objektiv eine solche Gefahr bestand, die das Testament auch ohne die gemeinsame Besorgnis der Zeugen gültig machen könnte.
Für zukünftige Fälle betonte der BGH die Notwendigkeit einer klaren und einheitlichen Feststellung der Todesgefahr durch die beteiligten Zeugen.
Dies sollte durch eine entsprechende gemeinsame Erklärung in der Testamentsniederschrift oder durch ein eindeutiges Verhalten der Zeugen während der Testamentserrichtung geschehen.
Insgesamt stellt dieses Urteil des BGH eine wichtige Klarstellung der rechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung eines Dreizeugentestaments dar und unterstreicht die Bedeutung der Zeugen bei der Feststellung der Besorgnis einer nahen Todesgefahr.
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