Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung

Juni 16, 2016

Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung

Grundstücksübertragung,

Erbengemeinschaft

LG Krefeld 5 O 352/09

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Der Erblasser verstarb am 27.07.2007 und hinterließ drei Kinder (die Parteien und einen weiteren Bruder) sowie seine Ehefrau.

Die Ehefrau schlug den Nachlass aus. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Grundstück, das der Erblasser seiner Tochter (Klägerin) zukommen lassen wollte.

Im handschriftlichen Zusatz zu seinem Testament verfügte er:

„das Haus X geht an X (…) und darf nicht verkauft werden. im Verkaufsfalle in Erbmasse.“

Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung

Die Klägerin sah darin ein Vermächtnis, der beklagte Bruder eine Teilungsanordnung.

Kernaussagen des Urteils:

  • Zulässigkeit der Klage: Die Klage auf Auflassung eines Grundstücks kann gegen einen einzelnen Miterben gerichtet werden, wenn die übrigen Miterben leistungsbereit sind. Dies war hier der Fall, da der weitere Bruder der Klägerin zustimmte.
  • Auslegung der letztwilligen Verfügung: Bei der Auslegung, ob eine Teilungsanordnung oder ein Vermächtnis vorliegt, sind der Begünstigungswille und der Vermögensvorteil entscheidend. Ein Vermächtnis liegt vor, wenn der Erblasser einem Miterben einen Mehrwert zusätzlich zu seinem Erbteil zukommen lassen wollte. Eine Teilungsanordnung liegt vor, wenn der Miterbe für den ihm zugewandten Gegenstand einen Ausgleich zahlen muss.
  • Mutmaßlicher Wille des Erblassers: Da sich der Wille des Erblassers nicht unmittelbar ermitteln ließ, musste das Gericht seinen mutmaßlichen Willen erforschen.
    • Der Erblasser war Kaufmann und wusste, dass er der Klägerin mit dem Grundstück einen Vorteil verschaffte.
    • Nur im Verkaufsfall sollte der Erlös an alle Erben gehen. Damit schloss der Erblasser eine Ausgleichspflicht der Klägerin im Nicht-Verkaufsfall aus.
    • Die Klägerin hatte zuvor bereits Räume im Haus angemietet, was die Annahme eines Vermächtnisses unterstützt.
    • Die Ehefrau war als unbeschränkte Vorerbin eingesetzt und hätte über das Grundstück verfügen können. Der Erblasser wollte dies durch die Zusatzklausel verhindern.

Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung

  • Ergebnis: Das Gericht sah in der Verfügung des Erblassers ein Vermächtnis und verurteilte den Beklagten zur Auflassung des Grundstücks an die Klägerin.

Wichtige rechtliche Aspekte:

  • Vorausvermächtnis: Ein Vorausvermächtnis ist ein Vermächtnis an einen Erben. Es wird aus dem Nachlass erfüllt, bevor dieser unter den Erben aufgeteilt wird.
  • Teilungsanordnung: Eine Teilungsanordnung ist eine Anordnung des Erblassers, wie der Nachlass unter den Erben aufgeteilt werden soll.
  • Auslegung von Testamenten: Bei der Auslegung von Testamenten ist der Wille des Erblassers zu erforschen. Ist dieser nicht eindeutig, muss sein mutmaßlicher Wille ermittelt werden.
  • Gesamthänderische Haftung der Erbengemeinschaft: Die Erbengemeinschaft haftet für Nachlassverbindlichkeiten gesamthänderisch. Das bedeutet, dass jeder Erbe für die gesamte Schuld haftet.

Fazit:

Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung

Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der Auslegung von Testamenten, insbesondere bei unklaren Formulierungen.

Im vorliegenden Fall konnte das Gericht durch die Berücksichtigung verschiedener Indizien den mutmaßlichen Willen des Erblassers ermitteln

und so die Frage klären, ob ein Vermächtnis oder eine Teilungsanordnung vorlag.

RA und Notar Krau

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