Vorfälligkeitsentschädigung bei „unechter Abschnittsfinanzierung“

Oktober 26, 2025

Vorfälligkeitsentschädigung bei „unechter Abschnittsfinanzierung“

OLG Bremen Hinweisbeschluss vom 27.2.2024 – 1 U 32/23

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Bremen betrifft einen speziellen Fall der Vorfälligkeitsentschädigung bei einer Immobilienfinanzierung. Sie klärt, wann die strengen Verbraucherschutzvorschriften – insbesondere zur Transparenz der Berechnung – nicht greifen.

Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?

Die Vorfälligkeitsentschädigung ist ein Schadensersatz, den Kreditnehmer an die Bank zahlen müssen, wenn sie einen Darlehensvertrag mit festgeschriebenem Zinssatz vorzeitig kündigen und zurückzahlen.

Der Hintergrund:

Die Bank hat fest damit gerechnet, die Zinsen bis zum Ende der Zinsbindungsfrist zu erhalten. Durch die vorzeitige Kündigung entgehen ihr diese Zinseinnahmen. Die Entschädigung soll diesen Schaden ausgleichen.

Der Regelfall:

Beim regulären Verbraucherdarlehensvertrag gibt es strenge Regeln ($ 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB), die festlegen, dass die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen darf, wenn die Angaben zur Berechnung dieser Entschädigung im Vertrag unzureichend sind (z. B. fehlende Hinweise zur Berechnungsmethode). Diese Regelung dient dem Verbraucherschutz, damit Darlehensnehmer die finanziellen Folgen einer vorzeitigen Kündigung transparent einschätzen können.

Der Sonderfall: Die „Unechte Abschnittsfinanzierung“

Der vorliegende Fall betrifft eine sogenannte unechte Abschnittsfinanzierung.

Was ist das?

Hierbei handelt es sich nicht um den Abschluss eines neuen Verbraucherdarlehensvertrags, sondern lediglich um eine Anschlusszinsvereinbarung oder Konditionsanpassung. Die ursprüngliche Darlehensschuld bleibt bestehen, aber nach Ablauf einer Zinsbindungsfrist werden neue Zinsen für den folgenden Zeitraum festgelegt. Es wird kein neues Kapital ausgezahlt.

Der Sachverhalt im Detail:

Ein Kunde schloss 1999 Darlehensverträge zur Immobilienfinanzierung ab.

Nachdem die Zinsbindungsfrist 2019 ablief, schloss er mit der Bank zwei „Anschlusszinsvereinbarungen“ ab, in denen die Zinsen für weitere zwei Jahre festgeschrieben wurden.

In diesen Anschlussvereinbarungen wurde dem Kunden ein außerordentliches Kündigungsrecht bei berechtigtem Interesse (z. B. Immobilienverkauf) eingeräumt, verbunden mit der Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung.

Der Kunde verkaufte die Immobilie kurz darauf, löste das Darlehen ab und musste die Vorfälligkeitsentschädigung zahlen.

Er klagte auf Rückzahlung, weil die Klausel zur Vorfälligkeitsentschädigung in der Anschlussvereinbarung keine ausreichenden Hinweise zur Berechnungsmethode enthielt.

Vorfälligkeitsentschädigung bei „unechter Abschnittsfinanzierung“

Die Kernaussage des Gerichts (OLG Bremen)

Das OLG Bremen wies die Klage des Kunden ab. Die wichtigsten Punkte sind:

A. Keine Anwendung der strengen Verbraucherschutzregeln (§ 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB)

Die Regelung, dass eine Bank keine Entschädigung verlangen darf, wenn die Berechnungsangaben fehlen, gilt nicht für die Anschlusszinsvereinbarung (unechte Abschnittsfinanzierung).

Begründung:

Diese strengen Regeln (§ 502 BGB) sind Teil des Verbraucherdarlehensvertragsrechts. Da die Anschlusszinsvereinbarung – bei der nur der Zinssatz für die Zukunft neu festgelegt wird, ohne die Auszahlung neuen Kapitals – kein neuer Verbraucherdarlehensvertrag ist, finden diese Vorschriften keine direkte Anwendung. Dies ist gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH).

B. Keine analoge Anwendung der Schutzregeln

Eine sinngemäße (analoge) Anwendung der strengen Vorschriften kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Begründung:

Bei der reinen Zinsanpassung befindet sich der Verbraucher nicht in einer vergleichbar schutzbedürftigen Entscheidungssituation wie beim ursprünglichen Abschluss des Darlehensvertrags. Die wirtschaftliche Tragweite ist geringer. Zudem kann der Darlehensnehmer auch außerhalb dieser Regeln über vertragliche Nebenpflichten Auskunft über die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung verlangen und ist somit nicht schutzlos gestellt.

C. Klausel ist wirksam (§ 307 BGB)

Die Klausel zur Vorfälligkeitsentschädigung ist nicht unwirksam wegen Intransparenz ($ 307 BGB), nur weil die Berechnungsmethode nicht explizit genannt wird.

Begründung:

Außerhalb des streng geregelten Verbraucherdarlehensvertragsrechts gibt es kein gesetzliches Leitbild, das die Bank zur Angabe einer bestimmten Berechnungsmethode zwingt. Der Bank steht grundsätzlich die Wahl der Berechnung des ihr entstandenen Schadens zu. Solange die Höhe der Entschädigung nicht substantiiert (detailliert) als falsch beanstandet wird, liegt keine unangemessene Benachteiligung des Kunden vor.

Fazit: Die Rechtslage bei der Anschlusszinsvereinbarung

Das OLG Bremen bestätigt:

Bei einer reinen Zinsanpassungsvereinbarung (unechte Abschnittsfinanzierung) nach Ablauf einer Zinsbindungsfrist gelten die strengen gesetzlichen Transparenzanforderungen für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Verbraucherdarlehensrecht nicht.

Eine vertragliche Klausel zur Vorfälligkeitsentschädigung in dieser Konstellation ist auch dann wirksam, wenn sie keine Hinweise auf die Berechnungsmethode enthält, da der Kunde in dieser Situation als weniger schutzbedürftig angesehen wird als beim Abschluss des ursprünglichen Kredits.

RA und Notar Krau

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