Vorfälligkeitsentschädigungen während Nachlasspflegschaft als Nachlassverbindlichkeit – FG Münster 3 K 3662/16 Erb
Tenor des Urteils
Der Erbschaftsteuerbescheid vom 01.08.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.09.2016 wird geändert.
Die Steuerberechnung wird dem Beklagten übertragen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden.
Tatbestand
Streitig ist, ob Vorfälligkeitsentschädigungen für die vorzeitige Ablösung von Darlehen im Rahmen einer Nachlasspflegschaft als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden können.
Frau R. verstarb am 00.00.2013.
Ihre Erben waren zunächst unbekannt, weshalb das Amtsgericht Nachlasspflegschaft anordnete und Frau C. als Nachlasspflegerin und Herr E. als Verfahrenspfleger bestellt wurden.
Zum Nachlass gehörten mehrere Immobilien, die mit Darlehen belastet waren.
Die Nachlasspflegerin veräußerte die Immobilien und löste die Darlehen vorzeitig ab, wodurch Vorfälligkeitsentschädigungen anfielen.
Später wurden die Erben ermittelt, darunter der Kläger als Cousin der Erblasserin mit einem Erbanteil von 1/8.
Der Beklagte setzte die Erbschaftsteuer ohne Berücksichtigung der Vorfälligkeitsentschädigungen fest, was der Kläger beanstandete.
Entscheidungsgründe
I. Zulässigkeit der Klage
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid ist rechtswidrig, da die Vorfälligkeitsentschädigungen als Nachlassverbindlichkeiten anzuerkennen sind.
II. Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG
Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind Kosten abzugsfähig, die im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses entstehen.
Dies schließt Aufwendungen ein, die erforderlich sind, um die Erben in den Besitz der ihnen zustehenden Güter zu setzen.
Weite Auslegung der Nachlassregelungskosten:
Der Begriff umfasst alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der Erbschaftsgüter zu setzen, einschließlich Kosten für die Tilgung von Erblasserschulden und Erbfallschulden.
Auch die Kosten für die gerichtliche Sicherung des Nachlasses und die Vergütung eines Nachlasspflegers sind abzugsfähig.
Abgrenzung zu Verwaltungskosten: Kosten für die Verwaltung des Nachlasses sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig. Verwaltungskosten sind Maßnahmen, die den Nachlass erhalten, nutzen oder vermehren.
Die Vorfälligkeitsentschädigungen sind jedoch als Nachlassregelungskosten anzusehen, da sie im Zusammenhang mit der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses anfallen.
III. Vorfälligkeitsentschädigungen als Nachlassregelungskosten
Die im Rahmen der Nachlasspflegschaft angefallenen Vorfälligkeitsentschädigungen sind abzugsfähig, weil sie zur Sicherung des Nachlasses notwendig waren.
Die Nachlasspflegerin entschied, die Grundstücke zu veräußern und die Darlehen vorzeitig abzulösen, da eine wirtschaftliche Verwaltung der Immobilien nicht möglich war.
IV. Nachweis des wirtschaftlichen Erfordernisses
Die Entscheidung der Nachlasspflegerin zur vorzeitigen Ablösung der Darlehen war erforderlich, um den Nachlass wirtschaftlich zu sichern.
Dies wurde durch die Stellungnahme der Nachlasspflegerin bestätigt, wonach eine Verwaltung der Immobilien nicht wirtschaftlich sinnvoll war.
V. Abzugsfähigkeit nach Rechtsprechung des BFH
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Kosten abzugsfähig, die auf einem eigenen Willensentschluss der Erben beruhen, wenn sie zur Nachlassregelung notwendig sind.
Dies gilt auch für die Vorfälligkeitsentschädigungen, da sie durch die Entscheidung der Nachlasspflegerin im Interesse der Erben entstanden sind.
VI. Berücksichtigung der Vorfälligkeitsentschädigungen
Die Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe von X EUR sind als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen.
Nach § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG sind jedoch nur 90 % dieser Kosten abzugsfähig. Auf den Kläger entfällt entsprechend seinem Erbanteil ein Anteil von 1/8.
VII. Zulassung der Revision
Die Revision wurde zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, insbesondere im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des Finanzgerichts Köln.
VIII. Vorläufige Vollstreckbarkeit
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Fazit
Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass die Vorfälligkeitsentschädigungen, die im Rahmen einer Nachlasspflegschaft für die vorzeitige Ablösung von Darlehen angefallen sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind.
Dies steht im Einklang mit der weit gefassten Auslegung des Begriffs der Nachlassregelungskosten und der Rechtsprechung des BFH, welche die Abzugsfähigkeit solcher Kosten bejaht, wenn sie im Zusammenhang mit der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses entstehen.
Die Revision wurde zugelassen, um eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.