Vorkaufsrecht des Wohnungsmieters: Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter wegen Nichterteilung einer Belastungsvollmacht

November 2, 2025

Vorkaufsrecht des Wohnungsmieters: Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter wegen Nichterteilung einer Belastungsvollmacht

Gericht: LG Berlin 67. Zivilkammer
Entscheidungsdatum: 11.02.2016
Aktenzeichen: 67 S 392/15
Dokumenttyp: Urteil

Verfahrensgang – vorgehend AG Berlin-Mitte, 7. Oktober 2015, 11 C 127/15

Zusammenfassung des Urteils des Landgerichts Berlin (LG Berlin, Aktenzeichen: 67 S 392/15 vom 11.02.2016) zum Vorkaufsrecht des Mieters

Vorkaufsrecht und Schadensersatz: Darum ging es

Dieses Urteil betrifft einen Fall, in dem ein Mieter (der Kläger) von seinem Vorkaufsrecht für seine Mietwohnung Gebrauch machen wollte. Die Wohnung wurde von der Vermieterin (der Beklagten) an einen Dritten verkauft. Der Mieter klagte auf Schadensersatz, weil er die Wohnung nicht kaufen konnte und die Schuld dafür bei der Vermieterin sah.


Der Hintergrund des Falles

  1. Mietvertrag und Verkauf: Der Kläger mietete eine Wohnung. Die Vermieterin verkaufte die Wohnung an eine dritte Person für 150.000 €.
  2. Vorkaufsrecht: Weil der Mieter das gesetzliche Vorkaufsrecht hatte (§ 577 BGB), informierte der Notar ihn über den Kaufvertrag und forderte ihn auf, innerhalb von zwei Monaten (die gesetzliche Frist) zu erklären, ob er die Wohnung zu den gleichen Bedingungen kaufen will. Die Frist endete am 7. Juli 2014.
  3. Die Finanzierungslücke: Der Mieter brauchte für den Kaufpreis eine Finanzierung von der Bank, wofür üblicherweise eine Grundschuld im Grundbuch eingetragen werden muss (ein sogenanntes Grundpfandrecht).
  4. Die Belastungsvollmacht: Damit die Bank die Grundschuld eintragen kann, bevor der Mieter selbst als neuer Eigentümer im Grundbuch steht, benötigt sie eine Belastungsvollmacht vom aktuellen Eigentümer, also der Verkäuferin (Vermieterin).
  5. Das Problem im Kaufvertrag: Im ursprünglichen Kaufvertrag zwischen der Vermieterin und dem Drittkäufer war ausdrücklich festgelegt, dass der Drittkäufer keine Grundpfandrechte bestellen würde und somit keine Belastungsvollmacht benötigt und auch nicht erteilt wurde.

Vorkaufsrecht des Wohnungsmieters: Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter wegen Nichterteilung einer Belastungsvollmacht

Die späte Anfrage des Mieters

Der entscheidende Punkt im Fall war der Zeitpunkt der Anfrage:

  • Der Mieter wurde am 6. Mai 2014 über den Verkauf informiert.
  • Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts lief am 7. Juli 2014 ab.
  • Der Mieter wandte sich erst am 4. und 7. Juli 2014 (per E-Mail), also nur zwei Werktage vor Fristende, an die Vermieterin und den Notar mit der Bitte, ihm eine Belastungsvollmacht für seine Finanzierung zu erteilen.
  • Der Mieter übte sein Vorkaufsrecht nicht fristgerecht aus, da er keine Zusage zur Vollmacht erhielt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Berlin wies die Berufung des Mieters gegen das Urteil des Amtsgerichts zurück und gab der Vermieterin Recht.

Kein Schadensersatzanspruch

Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Vermieterin wegen der Vereitelung seines Vorkaufsrechts.

Die Unangemessenheit der Frist

Der Hauptgrund für die Ablehnung war die unangemessen kurze Frist der Anfrage:

  • Das Gericht ließ offen, ob die Vermieterin dem Mieter grundsätzlich eine Belastungsvollmacht hätte erteilen müssen, selbst wenn dies vom ursprünglichen Kaufvertrag abwich.
  • Aber selbst wenn es eine solche Pflicht gäbe, wurde sie in diesem Fall nicht verletzt.
  • Zwei Werktage (4. und 7. Juli 2014) waren für die Vermieterin viel zu kurz, um die Bitte des Mieters zu prüfen und eine so wichtige Entscheidung zu treffen. Eine sorgfältige Prüfung und Entscheidung in solch komplexen Grundstücksangelegenheiten benötigt eine angemessene Überlegungszeit.
  • Da der Mieter so spät anfragte, durfte er nicht mehr erwarten, dass die Vermieterin die Vollmacht noch vor Ablauf der Vorkaufsfrist erteilt.
  • Daher lag kein pflichtwidriges Unterlassen der Vermieterin vor, und der Anspruch auf Schadensersatz wurde abgelehnt.

Fazit: Ein Mieter, der zur Finanzierung des Kaufpreises auf eine Belastungsvollmacht des Verkäufers angewiesen ist, muss sich rechtzeitig und nicht erst kurz vor Ablauf der gesetzlichen Vorkaufsfrist von zwei Monaten an den Verkäufer wenden, um diesen um die Vollmacht zu bitten. Andernfalls kann er keinen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn das Vorkaufsrecht verfällt.

RA und Notar Krau

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