Wann liegt eine Verzeihung vor so dass ich den Pflichtteil nicht mehr entziehen kann?
Ein zentraler Punkt bei der Entziehung des Pflichtteils im Erbrecht ist die Verzeihung des Erblassers, da diese das Recht zur Pflichtteilsentziehung erlöschen lässt (§ 2337 BGB).
Die Verzeihung muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch aus dem schlüssigen Verhalten (konkludentes Handeln) des Erblassers ergeben.
Eine Verzeihung liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Erblasser zum Ausdruck gebracht hat, dass er die durch das Verhalten hervorgerufene Kränkung nicht mehr als solche empfindet und diese nicht mehr als „existent betrachtet“.
Der Erblasser muss die schwere Verfehlung, die ursprünglich den Grund für die Pflichtteilsentziehung darstellte, überwunden haben und bereit sein, das Verhältnis zum Pflichtteilsberechtigten zu normalisieren oder wieder aufzunehmen.
Ob eine Verzeihung vorliegt, ist immer eine Frage des Einzelfalls und wird anhand des Verhaltens des Erblassers beurteilt.
Typische Anzeichen für eine Verzeihung können sein:
Wiederaufnahme des persönlichen Kontakts nach einem Zerwürfnis.
Gemeinsame Aktivitäten oder Feiern (z. B. gemeinsame Weihnachtsfeiern).
Angebot von Hilfe und Unterstützung (finanziell oder moralisch).
Ein Wandel zur Normalität in den familiären Beziehungen.
Bloße Duldung oder Gleichgültigkeit des Erblassers reichen in der Regel nicht für eine Verzeihung aus. Die Hürden für die Annahme einer Verzeihung sind hoch. Wer sich darauf beruft (in der Regel der Pflichtteilsberechtigte), trägt im Streitfall die Beweislast (§ 2337 BGB).
Wenn der Erblasser verziehen hat:
Es erlischt das Recht zur Pflichtteilsentziehung für den betreffenden Grund.
Eine bereits angeordnete Pflichtteilsentziehung (z. B. im Testament) wird durch die Verzeihung unwirksam (§ 2337 Satz 2 BGB).
Dies ist eine juristische Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Wenn Sie ein Testament errichten möchten oder der Pflichtteil entzogen wurde, sollten Sie sich an einen Fachanwalt für Erbrecht wenden, um Ihren konkreten Fall rechtssicher zu beurteilen und die notwendigen Schritte einzuleiten.
Möchten Sie mehr darüber erfahren, wie ein Erblasser vorsorgen kann, um die Annahme einer unbeabsichtigten Verzeihung zu vermeiden?