Warum sollte ich gegen eine Abmahnung des Arbeitgebers rechtlich vorgehen?
Ob Sie rechtlich gegen eine Abmahnung Ihres Arbeitgebers vorgehen sollten, hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere von der Begründung der Abmahnung und Ihren persönlichen Zielen. Es gibt keine pauschale Antwort, aber diese Erläuterungen helfen Ihnen bei der Entscheidungsfindung.
Eine Abmahnung ist die formelle Rüge eines Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer wegen eines konkreten, als vertragswidrig empfundenen Verhaltens (z. B. wiederholtes Zuspätkommen, unentschuldigtes Fehlen, mangelhafte Leistung). Sie hat eine zweifache Funktion:
Sie beanstandet das Verhalten.
Sie droht implizit oder explizit an, dass im Wiederholungsfall oder bei einem ähnlich schweren Verstoß die Kündigung des Arbeitsverhältnisses droht.
Gerade wegen dieser Warnfunktion ist die Abmahnung so wichtig: Sie ist in den meisten Fällen eine zwingende Voraussetzung für eine spätere, verhaltensbedingte Kündigung. Ist die Abmahnung unberechtigt, kann auch eine darauf gestützte Kündigung unwirksam sein.
Es gibt gute Gründe, eine Abmahnung nicht einfach hinzunehmen:
Das wichtigste Motiv. Eine erfolgreiche Anfechtung (oder das Hinzufügen einer Gegendarstellung zur Personalakte) schwächt die Position des Arbeitgebers bei einer späteren Kündigung.
Eine ungerechtfertigte Abmahnung sollte nicht in Ihrer Personalakte verbleiben, da sie bei zukünftigen Entscheidungen (Beförderung, Zeugnis) oder bei einer späteren Kündigung herangezogen werden kann.
Wenn der Vorwurf schlicht falsch oder unzutreffend ist, dient ein Vorgehen der Wiederherstellung Ihres Rufs und der Klarstellung der Tatsachen.
Sie haben einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass eine objektiv unrichtige oder unverhältnismäßige Abmahnung aus Ihrer Personalakte entfernt wird.
Wenn Sie sich entscheiden, gegen die Abmahnung vorzugehen, stehen Ihnen primär zwei Wege offen, die oft parallel verfolgt werden:
Eine schriftliche Stellungnahme, in der Sie die Vorwürfe entkräften oder Ihre Sichtweise darlegen.
Der Arbeitgeber muss die Gegendarstellung zwingend zur Personalakte nehmen. Die Abmahnung bleibt zwar bestehen, aber die Personalakte enthält nun auch Ihre Version der Ereignisse.
Dies ist der schnellste und kostengünstigste Weg. Er schwächt die Beweiskraft der Abmahnung, ohne direkt einen Rechtsstreit zu beginnen.
Eine Klage vor dem Arbeitsgericht, um die Abmahnung aus der Personalakte entfernen zu lassen.
Die Abmahnung muss objektiv unrichtig (der Sachverhalt stimmt nicht) oder rechtlich unwirksam sein (z. B. unklar formuliert, unverhältnismäßig, der Verstoß rechtfertigt keine Abmahnung).
Bei Erfolg wird die Abmahnung endgültig beseitigt.
Dies ist mit Kosten (Anwalt, Gericht) und Zeitaufwand verbunden und kann das Verhältnis zum Arbeitgeber belasten. Das Risiko besteht, den Prozess zu verlieren.
Der Vorwurf ist objektiv falsch oder frei erfunden.
Die Abmahnung ist völlig unverhältnismäßig (z. B. Abmahnung für eine Bagatelle).
Es ist nicht die erste Abmahnung oder Sie befürchten eine baldige Kündigung.
Die Abmahnung ist inhaltlich unklar oder betrifft einen Bereich, der rechtlich umstritten ist (z. B. Art und Weise der Leistungserbringung).
Der Vorwurf ist im Wesentlichen richtig, aber Sie sehen Details anders (hier reicht oft die Gegendarstellung).
Es ist Ihre erste Abmahnung und Sie sind bereit, das gerügte Verhalten in Zukunft zu unterlassen.
Sie planen ohnehin, das Arbeitsverhältnis in Kürze selbst zu beenden.
Sie haben keine Rechtsschutzversicherung und scheuen das finanzielle Risiko eines Gerichtsverfahrens.
Als Faustregel gilt:
Wenn die Abmahnung unberechtigt ist und Sie Ihr Arbeitsverhältnis behalten wollen, sollten Sie handeln.
Reagieren Sie schnellstmöglich. Auch wenn es keine starre Frist gibt, ist langes Zögern nachteilig.
Sammeln Sie alles, was Ihre Sichtweise stützt (E-Mails, Zeugenaussagen, Dokumentationen).
Bevor Sie eine Klage einreichen, sollten Sie unbedingt einen Fachanwalt für Arbeitsrecht oder Ihren Betriebsrat aufsuchen. Diese können die Erfolgsaussichten realistisch einschätzen und die rechtlich korrekten Formulierungen für eine Gegendarstellung oder Klage finden.
Selbst wenn Sie nicht klagen, sollten Sie immer eine schriftliche Gegendarstellung verfassen und diese zur Personalakte nehmen lassen. Das ist Ihr Mindestschutz.