Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung
OLG München 31 Wx 93/10
Beschluss vom 28.03.2011
Abänderungsbefugnis
Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 28.03.2011 befasst sich mit der Frage der Wechselbezüglichkeit von Verfügungen
in einem gemeinschaftlichen Testament und der daraus resultierenden Bindungswirkung für den überlebenden Ehegatten.
Im vorliegenden Fall errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann im Jahr 1982 ein gemeinschaftliches Testament,
in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und die Kinder des Ehemannes aus erster Ehe als Schlusserben bestimmten.
Nach dem Tod des Ehemannes errichtete die Erblasserin ein neues Testament, in dem sie ihre Nichte als Alleinerbin einsetzte.
Das OLG München entschied, dass die Erbfolge sich nach dem gemeinschaftlichen Testament von 1982 richtet,
da die darin enthaltene Schlusserbeneinsetzung wechselbezüglich zu der Einsetzung der Erblasserin als Alleinerbin ihres Ehemannes war.
Wechselbezüglichkeit liegt vor, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre.
Im Zweifel ist gemäß § 2270 Abs. 2 BGB Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken
oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung
zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.
Im vorliegenden Fall sah das Gericht die Voraussetzungen für die Wechselbezüglichkeit als erfüllt an.
Der Ehemann hatte seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt und damit seine eigenen Kinder enterbt.
Dies geschah im Vertrauen darauf, dass die Ehefrau im Gegenzug die Kinder als Schlusserben einsetzen würde.
Die Wechselbezüglichkeit schützt dieses Vertrauen der Ehegatten und verhindert, dass der überlebende Ehegatte die getroffenen Verfügungen nach Belieben abändert.
Das OLG München führte aus, dass die Bindungswirkung der Wechselbezüglichkeit nicht von einem ausdrücklichen
Bindungswillen der Ehegatten abhängt, sondern sich aus der gegenseitigen Abhängigkeit der Verfügungen ergibt.
Die Erblasserin war daher nach dem Tod ihres Ehemannes grundsätzlich daran gehindert, die Schlusserbeneinsetzung der Kinder abzuändern.
Das Gericht prüfte jedoch, ob im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung eine Abänderungsbefugnis der Erblasserin anzunehmen ist.
Anlass hierfür war der Umstand, dass die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes ein erhebliches Vermögen von ihrem Bruder geerbt hatte.
Das Gericht hielt es für denkbar, dass die Ehegatten der Erblasserin für diesen Fall eine Abänderungsbefugnis eingeräumt hätten,
um über diesen Vermögensteil anderweitig zu verfügen.
Eine solche Abänderungsbefugnis wäre jedoch gegenständlich beschränkt auf das von der Erblasserin geerbte Vermögen.
Eine vollständige Enterbung der Kinder des Ehemannes und die Einsetzung der Nichte als Alleinerbin wäre damit nicht gedeckt.
Das OLG München lehnte auch die von der Nichte erklärte Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments wegen Irrtums ab.
Ein Inhaltsirrtum im Sinne des § 2078 Abs. 1 BGB lag nicht vor, da sich der Irrtum der Erblasserin lediglich auf die
Rechtsfolgen der Wechselbezüglichkeit bezog, nicht aber auf den Inhalt der von ihr getroffenen Verfügung.
Auch ein Motivirrtum im Sinne des § 2078 Abs. 2 BGB wurde verneint, da die Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung
keine Vorstellungen oder Erwartungen hinsichtlich einer Erbschaft von ihrem Bruder hatte.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das OLG München die Bindungswirkung der Wechselbezüglichkeit in einem gemeinschaftlichen Testament betont
und die Voraussetzungen für eine Abänderungsbefugnis des überlebenden Ehegatten eng ausgelegt hat.
Der Beschluss verdeutlicht die Bedeutung der Testamentsauslegung im Erbrecht und die Notwendigkeit, den Willen der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu ermitteln.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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