Wechselbezüglichkeit Ersatzerbeneinsetzung in gemeinschaftlichem Testament
Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 2/01
Das Bayerische Oberste Landesgericht befasste sich in diesem Fall mit der Frage der Wechselbezüglichkeit einer Ersatzerbeneinsetzung
in einem gemeinschaftlichen Testament von Eheleuten.
Dabei ging es insbesondere darum, ob der überlebende Ehegatte an die im gemeinschaftlichen Testament festgelegte Erbfolge gebunden war oder ob er frei über sein Erbe verfügen konnte.
Sachverhalt:
Ein Erblasser war zweimal verheiratet und hatte aus erster Ehe einen Sohn (A), der wiederum einen Sohn (Beteiligter zu 1) hatte.
Aus der zweiten Ehe mit C gingen keine Kinder hervor.
Der Erblasser und C lebten auf Ibiza und verfassten 1979 und 1988 jeweils ein gemeinschaftliches Testament.
In beiden Testamenten setzten sie sich gegenseitig als Alleinerben ein.
C setzte ihren Mann zusätzlich als Vorerben ein.
Im Testament von 1979 bestimmten sie den Enkel des Erblassers (Beteiligter zu 1) und dessen Mutter als Nacherben bzw. Ersatzerben.
Im Testament von 1988 wurde die Schwiegertochter des Erblassers (Beteiligte zu 2) als Nacherbin bzw. Ersatzerbin eingesetzt.
Nach dem Tod von C im Jahr 1990 errichtete der Erblasser ein neues Testament, in dem er seine Enkelin B (Tochter von A und der Beteiligten zu 2) als Alleinerbin einsetzte.
Nach dem Tod des Erblassers und später auch seiner Enkelin B beantragte die Beteiligte zu 2 die Einziehung des Erbscheins der Enkelin
und die Erteilung eines Erbscheins zugunsten ihrer selbst.
Sie argumentierte, dass die Erbeinsetzung im gemeinschaftlichen Testament von 1988 wechselbezüglich sei und der Erblasser daher nicht frei über sein Erbe verfügen durfte.
Entscheidung des Gerichts:
Das Landgericht wies den Antrag der Beteiligten zu 2 ab, da es die Erbeinsetzung im Testament von 1988 nicht als wechselbezüglich ansah.
Das Bayerische Oberste Landesgericht bestätigte diese Entscheidung.
Anwendbares Recht:
Das Gericht stellte zunächst fest, dass deutsches Erbrecht anzuwenden sei, da der Erblasser deutscher Staatsangehöriger war.
Wirksamkeit des Testaments von 1990:
Das Testament von 1990, in dem der Erblasser seine Enkelin als Alleinerbin einsetzte, war formgerecht und somit wirksam.
Keine Wechselbezüglichkeit:
Die entscheidende Frage war, ob die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 im gemeinschaftlichen Testament von 1988 wechselbezüglich war.
Eine wechselbezügliche Verfügung liegt vor, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre.
Das Gericht führte aus, dass die Wechselbezüglichkeit im Zweifel nicht anzunehmen sei, insbesondere wenn es um die Erbfolge nach dem Tod des überlebenden Ehegatten geht.
Im vorliegenden Fall gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ehefrau des Erblassers ihn an die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 binden wollte.
Vielmehr sprach einiges dagegen:
Die Ehefrau hatte keinen eigenen Grund (z.B. Verwandtschaft), die Beteiligte zu 2 als Erbin einzusetzen.
Die Eheleute hatten im Testament von 1988 die gegenseitige Erbeinsetzung beibehalten, aber den Nacherben geändert.
Dies deutete darauf hin, dass sie den überlebenden Ehegatten in der Wahl des Nacherben frei lassen wollten.
Die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 war in den beiden Testamenten unterschiedlich formuliert.
Dies sprach gegen eine einheitliche, bindende Regelung.
Keine ergänzende Auslegung:
Da die Eheleute die Erbenstellung der Beteiligten zu 2 bewusst unterschiedlich geregelt hatten, war eine ergänzende Auslegung zur Frage der Wechselbezüglichkeit nicht möglich.
Fazit:
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 im gemeinschaftlichen Testament von 1988 nicht wechselbezüglich war.
Der Erblasser war daher frei, seine Enkelin in seinem Testament von 1990 als Alleinerbin einzusetzen.
Die Beteiligte zu 2 hatte keinen Anspruch auf das Erbe.
Wichtige Punkte:
Der Fall verdeutlicht die Bedeutung der Wechselbezüglichkeit in gemeinschaftlichen Testamenten.
Die Auslegung eines Testaments erfolgt nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen.
Im Zweifel ist die Wechselbezüglichkeit nicht anzunehmen.
Eine ergänzende Auslegung ist nur zulässig, wenn die Eheleute keine eindeutige Regelung getroffen haben.
Dieses Urteil ist relevant für alle, die sich mit der Errichtung oder Auslegung von gemeinschaftlichen Testamenten befassen.
Es zeigt, dass die Gerichte die Testierfreiheit der Ehegatten grundsätzlich respektieren und nur bei eindeutigen Anhaltspunkten eine Bindungswirkung annehmen.
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