Wegfall eines Erben – Erbteilserhöhung – Voraussetzungen und Folgen

Juni 2, 2025

Wegfall eines Erben Erbteilserhöhung – Voraussetzungen und Folgen

Wenn ein Erbe „wegfällt“: Was passiert mit dem Nachlass?

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser! Als Rechtsanwalt und Notar Krau begegne ich in meiner Praxis immer wieder komplexen erbrechtlichen Fragen. Eine davon ist, was geschieht, wenn ein eigentlich vorgesehener Erbe plötzlich nicht mehr erben kann oder will – sei es durch Tod, Ausschlagung oder andere Gründe. Diese Situation, die wir Juristen als „Wegfall eines Erben“ bezeichnen, kann weitreichende Folgen für die Verteilung eines Nachlasses haben und zu einer „Erbteilserhöhung“ bei den verbleibenden Erben führen.

In diesem Beitrag möchte ich Ihnen erklären, wie das deutsche Erbrecht in solchen Fällen vorgeht und warum Ihr Erbe manchmal größer ausfällt, als Sie vielleicht ursprünglich dachten.


Der Erbteil: Eine Einheit, die sich verändern kann

Stellen Sie sich einen Kuchen vor, der in Stücke geteilt wird – jedes Stück ist ein Erbteil. Grundsätzlich betrachtet das Gesetz Ihren Anteil am Erbe als eine feste Einheit. Das bedeutet, wenn Sie ein Erbe annehmen oder ausschlagen, dann gilt das für Ihr gesamtes Stück Kuchen. Auch die Haftung für Schulden des Nachlasses, also Verbindlichkeiten, die der Verstorbene hinterlassen hat, bezieht sich auf Ihr gesamtes Erbteil.

Aber: Das Gesetz macht hier eine wichtige Ausnahme, besonders wenn es um „Beschwerungen“ geht. Was ist damit gemeint? Nun, manchmal ist ein Erbteil nicht nur ein einfacher Anteil, sondern es sind auch Pflichten oder Auflagen damit verbunden. Das können beispielsweise ein Vermächtnis sein (jemand soll einen bestimmten Gegenstand erhalten) oder eine Auflage (zum Beispiel die Pflicht, sich um ein Haustier zu kümmern).

Wenn nun ein Erbe, der mit solchen Pflichten belegt war, wegfällt, stellt sich die Frage: Wer übernimmt diese Last? Hier kommt eine Besonderheit zum Tragen: Das Gesetz tut so, als gäbe es mehrere Erbteile, obwohl es eigentlich nur einen gibt. So wird sichergestellt, dass die Beschwerungen nur denjenigen treffen, der sie auch tragen soll, und nicht automatisch auf andere Erben übergehen, die eigentlich nicht damit gemeint waren. Das ist ein wichtiger Schutzmechanismus für die verbleibenden Erben.


Was passiert mit Vermächtnissen und Auflagen?

Nehmen wir an, der Verstorbene hat in seinem Testament festgelegt, dass eine bestimmte Person ein wertvolles Gemälde erben soll (ein Vermächtnis) oder dass ein Teil des Erbes für die Pflege des Gartens verwendet werden muss (eine Auflage). Wenn der Erbe, der diese Pflichten erfüllen sollte, nun wegfällt, bedeutet das nicht, dass das Gemälde plötzlich niemand mehr bekommt oder der Garten nicht mehr gepflegt wird.

Im Gegenteil: Das Gesetz sorgt dafür, dass diese Vermächtnisse und Auflagen trotzdem erfüllt werden. Sie fallen dann demjenigen zu, der durch den Wegfall des ursprünglichen Erben begünstigt wird – also demjenigen, dessen Erbteil sich durch den Wegfall vergrößert. Das ist wichtig, um den Willen des Verstorbenen zu respektieren und gleichzeitig die anderen Erben vor unerwarteten Belastungen zu schützen.

Der verbleibende Erbe muss diese Verpflichtungen dann aber nur aus dem Teil des Erbes erfüllen, der durch die ursprüngliche Beschwerung betroffen war. Ihr ursprünglicher Erbteil bleibt davon unberührt. Das ist so, als hätte man zwei separate Geldbeutel: einen für den „normalen“ Erbteil und einen für den „beschwerten“ Anteil. Nur aus dem „beschwerten“ Geldbeutel müssen die zusätzlichen Pflichten beglichen werden.


Schutz für Abkömmlinge mit Ausgleichspflicht

Manchmal haben Kinder oder Enkelkinder (juristisch: Abkömmlinge) zu Lebzeiten des Erblassers bereits Geschenke erhalten, die sie sich später auf das Erbe anrechnen lassen müssen – das nennt man Ausgleichspflicht. Was passiert, wenn ein solcher Abkömmling wegfällt und dadurch der Erbteil eines anderen Abkömmlings größer wird?

Auch hier schützt das Gesetz den „neu“ begünstigten Abkömmling. Er muss dann nicht mehr ausgleichen, als es ihm aus dem zusätzlich erhaltenen, also dem durch den Wegfall entstandenen, Erbteil möglich ist. So wird verhindert, dass jemand, der unverschuldet einen größeren Erbteil erhält, dadurch plötzlich in eine schlechtere Position gerät.

Wegfall eines Erben – Erbteilserhöhung – Voraussetzungen und Folgen


Wann fällt ein Erbe „weg“? Zwei Szenarien

Der Wegfall eines Erben kann vor oder nach dem Erbfall passieren. Das klingt kompliziert, ist aber logisch:

  • Wegfall vor dem Erbfall: Hier sprechen wir von Fällen, in denen eine Person zum Zeitpunkt des Todes gar nicht erst Erbe werden kann. Das kann passieren, wenn jemand vor dem Erblasser verstirbt, auf sein Erbe verzichtet hat, enterbt wurde oder die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wurde. Obwohl es vor dem Erbfall noch keine „Erben“ im juristischen Sinne gibt, werden hier Konstellationen erfasst, bei denen jemand eigentlich Erbe geworden wäre, wenn das Ereignis nicht stattgefunden hätte.
  • Wegfall nach dem Erbfall: Hier geht es um Situationen, in denen eine Person zunächst Erbe war, aber nachträglich „wegfällt“. Die häufigsten Beispiele sind die Ausschlagung des Erbes (der Erbe lehnt das Erbe ab) oder die Erbunwürdigkeit (der Erbe hat sich schwerer Vergehen gegen den Erblasser schuldig gemacht und wird deshalb vom Erbe ausgeschlossen). Auch die Totgeburt eines Kindes, das zum Zeitpunkt des Erbfalls noch lebte, fällt darunter. Der Tod eines Erben nach dem Erbfall hingegen ist in diesem Zusammenhang irrelevant, da der Erbteil dann einfach auf die eigenen Erben des verstorbenen Erben übergeht.

Die Erbteilserhöhung in der Praxis: Wer profitiert?

Eine Erbteilserhöhung tritt immer dann ein, wenn ein Erbe, der bereits zur Erbengemeinschaft gehört, durch den Wegfall eines anderen Erben einen größeren Anteil am Nachlass erhält.

Ein klassisches Beispiel ist der Ehegatte. Wenn der Erblasser Kinder und einen Ehegatten hatte und die Kinder wegfallen, erhöht sich der Erbteil des Ehegatten. Dies ist besonders vorteilhaft für den Ehegatten, da sein Erbteil flexibel ist und sich an die Anzahl der verbleibenden Verwandten anpasst. Selbst wenn Großeltern wegfallen, die eigentlich Abkömmlinge hinterlassen haben, kann sich der Erbteil des Ehegatten erhöhen, da diese Abkömmlinge den Ehegatten in diesem Fall nicht daran hindern.

Auch bei der Gütertrennung der Ehepartner gibt es eine besondere Regelung zugunsten des überlebenden Ehegatten: Fällt eine bestimmte Anzahl von Abkömmlingen weg, sodass nur noch ein oder zwei Kinder des Erblassers übrig bleiben, erhöht sich der Erbteil des Ehegatten.

All diese Regeln, die für Ehegatten gelten, treffen übrigens in gleicher Weise auf eingetragene Lebenspartner zu.


Ich hoffe, dieser Einblick in die komplexen Mechanismen der Erbteilserhöhung war für Sie verständlich. Erbrechtliche Fragen können sehr individuell sein, daher ist es immer ratsam, sich bei konkreten Anliegen an einen erfahrenen Juristen zu wenden.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr RA und Notar Krau

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