Welche Grundsätze gelten für die Auslegung?
Von RA und Notar Krau
Für die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen nach deutschem Recht gelten folgende Grundsätze:
Ermittlung des wirklichen Willens:
Gemäß § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften
Treu und Glauben sowie Verkehrssitte: Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern
Berücksichtigung aller Umstände:
Sowohl der Wortlaut als auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände sind einzubeziehen, um den wirklichen Willen der Parteien zu ermitteln, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen
Vernünftiges und widerspruchsfreies Ergebnis:
Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt
Übereinstimmendes Verständnis:
Wenn alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinn verstanden haben, geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderen Interpretation vor und setzt sich selbst gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch
Revisionsrechtliche Prüfungsdichte:
Die Auslegung individueller Willenserklärungen kann im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat
Objektiver Maßstab:
Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen sind die Umstände zu berücksichtigen, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder erkennbar waren, wobei ein objektiver Maßstab gilt
Dynamische versus statische Auslegung:
Bei der Auslegung von Vereinbarungen, die dingliche Wirkung entfalten, ist grundsätzlich eine statische Auslegung geboten, es sei denn, es gibt Anhaltspunkte für ein dynamisches Verständnis
Diese Grundsätze sind sowohl bei der Auslegung einzelner Willenserklärungen als auch bei der Auslegung von Verträgen anzuwenden.