Welche Prioritäten bestehen bei der Nachlasspflegschaft hinsichtlich der Verwendung von Nachlassmitteln zur Abdeckung von Forderungen?
Die Nachlasspflegschaft ist ein wichtiges Instrument des deutschen Erbrechts, geregelt in den §§ 1960 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Sie wird vom Nachlassgericht angeordnet, wenn die Erben eines Verstorbenen unbekannt oder nicht auffindbar sind und ein Sicherungsbedürfnis für den Nachlass besteht.
Der Nachlasspfleger hat die Aufgabe, den Nachlass zu sichern (z. B. durch Inventarisierung) und zu verwalten, die unbekannten Erben zu ermitteln und die Interessen der späteren Erben wahrzunehmen.
Die oberste Priorität des Nachlasspflegers ist es, den Nachlass als Vermögensmasse zu erhalten und schließlich an die festgestellten Erben herauszugeben. Bevor jedoch eventuelle Erben etwas erhalten, müssen die sogenannten Nachlassverbindlichkeiten beglichen werden. Hier gibt es eine klare Rangfolge der Befriedigung.
Die Schulden und Verpflichtungen, die aus dem Nachlass zu begleichen sind, nennt man Nachlassverbindlichkeiten. Man unterscheidet hierbei im Wesentlichen drei Hauptgruppen:
Nachlasserbfallschulden / Nachlassverwaltungskosten (Vorrang vor allen anderen)
Erblasserschulden (Schulden des Verstorbenen)
Erbfallschulden (Verpflichtungen aus Anlass des Todes, z. B. Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse)
Innerhalb dieser Gruppen besteht eine gesetzliche Prioritätenordnung. Der Nachlasspfleger muss diese strikt einhalten, da er andernfalls persönlich haftbar gemacht werden könnte, wenn er aufgrund einer falschen Auszahlung andere, vorrangige Gläubiger benachteiligt.
Die absolut höchste Priorität haben die Kosten, die durch die Sicherung, Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses selbst entstehen, also die sogenannten Nachlassverwaltungskosten (auch als Nachlasserbfallschulden im engeren Sinne bezeichnet). Diese Kosten müssen zuerst und vollständig aus dem Nachlass beglichen werden, bevor auch nur ein Cent an andere Gläubiger ausgezahlt wird.
Zu diesen vorrangigen Kosten gehören insbesondere:
Die Bezahlung des Pflegers für seine Tätigkeit und die ihm entstandenen Aufwendungen (z. B. Fahrtkosten, Portokosten, Telefonate) ist von höchster Priorität. Ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) hat diesen Vorrang sogar gegenüber den Gerichtskosten des Pflegschaftsverfahrens bekräftigt.
Dieser Vorrang ist wichtig, um überhaupt qualifizierte Personen zur Übernahme dieser verantwortungsvollen Aufgabe zu motivieren und eine professionelle Verwaltung zu gewährleisten.
Hierunter fallen Gebühren und Auslagen des Nachlassgerichts, die für die Anordnung und Führung der Pflegschaft entstehen.
Das sind z. B. Kosten für die Erstellung des Nachlassverzeichnisses, für die Lagerung von Nachlassgegenständen, laufende Verwaltungskosten für Immobilien (etwa Grundsteuer, Versicherungen, Notinstandsetzungen) oder die Kosten für die Ermittlung der Erben.
Die Kosten für die ordnungsgemäße Abwicklung des Nachlasses selbst (Verwaltungskosten) stehen an erster Stelle.
Erst nachdem die Kosten für die Verwaltung des Nachlasses (Erste Priorität) vollständig beglichen oder ausreichend dafür reserviert wurden, darf der Nachlasspfleger die verbleibenden Nachlassmittel zur Begleichung der übrigen Nachlassverbindlichkeiten verwenden.
Diese Gruppe gliedert sich weiter in:
Das sind alle Schulden, die der Verstorbene zu Lebzeiten begründet hat.Ungedeckte Kredite, Darlehen, Miet- und Pachtschulden, Steuerschulden, die vor dem Tod entstanden sind
Offene Rechnungen (Handwerker, Ärzte, etc.)B. Bestattungskosten und Dreißigster
Dies sind Schulden, die durch den Erbfall selbst entstehen:
Diese müssen ebenfalls vor den anderen Erbfallschulden und den allgemeinen Erblasserschulden beglichen werden.
Die Verpflichtung, Angehörigen des Haushalts des Verstorbenen für die ersten 30 Tage nach dem Tod weiterhin Unterhalt und Wohnung zu gewähren.
Die Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten (nahe Angehörige, die enterbt wurden) und die Erfüllung von Vermächtnissen (Zuwendungen bestimmter Gegenstände an Dritte) sind die niedrigste Priorität innerhalb der Nachlassverbindlichkeiten.
Sie werden erst nach allen anderen Schulden und nach den Bestattungskosten bedient.
Vermächtnisse müssen sogar hinter den Pflichtteilsansprüchen zurückstehen.
Die genannte Rangfolge wird besonders relevant, wenn der Nachlass überschuldet oder zahlungsunfähig ist. Das bedeutet, dass die Vermögenswerte des Nachlasses nicht ausreichen, um alle Forderungen zu begleichen. In diesem Fall spricht man von Massearmut.
Wenn der Nachlasspfleger eine solche Situation feststellt, hat er die Pflicht, unverzüglich beim zuständigen Insolvenzgericht die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen (§ 1980 BGB). Durch diesen Antrag soll verhindert werden, dass einzelne Gläubiger auf Kosten anderer ungleich behandelt werden (z. B. der Pfleger einen Gläubiger zuerst bezahlt, obwohl das Geld für die Bestattungskosten benötigt wird).
Wird die Nachlassinsolvenz eröffnet, gelten die Regeln der Insolvenzordnung (InsO). Diese bestimmen dann die genaue Reihenfolge und Quote der Befriedigung der Gläubiger. Auch im Insolvenzverfahren genießen jedoch die Kosten der Verwaltung (Massekosten), zu denen die Vergütung des Nachlasspflegers gehört, einen besonderen Vorrang (Masseverbindlichkeiten).
Der Nachlasspfleger muss zuerst seine eigenen Kosten und die Kosten der Nachlassverwaltung sichern. Danach folgen die Schulden des Verstorbenen und die Bestattungskosten. Pflichtteilsansprüche und Vermächtnisse stehen ganz am Ende der Prioritätenliste.
Bei drohender Zahlungsunfähigkeit ist die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zwingend erforderlich, um alle Gläubiger gleichmäßig behandeln zu können.