Wenn Bewerber vor dem ersten Gespräch gegoogelt werden

Juni 8, 2025

Wenn Bewerber vor dem ersten Gespräch gegoogelt werden

BAG, Urt. v. 05.06.2025, Az. 8 AZR 117/24

Im juristischen Dickicht den Überblick zu behalten, ist oft eine Herausforderung. Als Rechtsanwalt und Notar Krau ist es mir ein Anliegen, Ihnen komplexe Sachverhalte verständlich näherzubringen. Heute schauen wir uns ein interessantes Urteil des Bundesarbeitsgerichts an, das für alle, die sich bewerben oder Personal einstellen, wichtig sein kann.


Wenn Bewerber gegoogelt werden: 1.000 Euro Entschädigung für Münchener Anwalt

Stellen Sie sich vor, Sie bewerben sich auf eine neue Stelle, geben alles im Bewerbungsgespräch – und später erfahren Sie, dass Ihr potenzieller Arbeitgeber Sie vorab ausgiebig im Internet „gegoogelt“ hat. Genau das ist einem Anwalt aus München passiert, und das hatte nun Konsequenzen für die Universität Düsseldorf, bei der er sich beworben hatte. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden: Die Universität muss dem Anwalt 1.000 Euro Schadensersatz zahlen.


Was war passiert?

Der Anwalt hatte sich bei der Universität Düsseldorf auf eine Stelle beworben. Kurz vor dem Bewerbungsgespräch gab der Personalleiter seinen Namen in die Suchmaschine ein. Dabei stieß er auf verschiedene Informationen, darunter Medienberichte und einen Wikipedia-Eintrag, der eine frühere, nicht rechtskräftige Verurteilung des Anwalts enthielt.

Obwohl der Anwalt den Job nicht bekam – was nach Ansicht der Gerichte in Ordnung war, da eine andere Bewerberin besser geeignet schien – wurde der Universität vorgeworfen, die gesammelten Informationen aus dem Internet genutzt zu haben, ohne den Anwalt darüber umfassend zu informieren.


Das Problem: Fehlende Information nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Hier kommt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ins Spiel. Sie ist wie ein Schutzschild für Ihre persönlichen Daten. Wenn jemand Daten über Sie sammelt – auch aus öffentlich zugänglichen Quellen wie dem Internet –, muss er Sie in der Regel darüber informieren. Genau das hatte die Universität versäumt. Sie hatte den Anwalt zwar auf seinen „prominenten“ Wikipedia-Eintrag angesprochen, aber das Strafverfahren selbst wurde im Gespräch nicht explizit thematisiert.

Wenn Bewerber vor dem ersten Gespräch gegoogelt werden

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte bereits entschieden, dass dies einen Verstoß gegen die Informationspflichten der DSGVO darstellt und eine Entschädigung von 1.000 Euro fällig wird. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Entscheidung nun bestätigt.


Warum wurde der Anwalt nicht eingestellt?

Die Universität betonte, dass der Anwalt fachlich sehr gut gewesen sei. Allerdings gab es zum Zeitpunkt der Bewerbung die Verurteilung, die – auch wenn sie noch nicht rechtskräftig war – für eine öffentliche Einrichtung ein Risiko darstellte. Eine Universität muss bei der Besetzung von Stellen besonders sorgfältig vorgehen und sicherstellen, dass der beste Bewerber ausgewählt wird – dies nennt man „Bestenauslese“.

Die Universität argumentierte, dass sie das Risiko einer „charakterlichen Ungeeignetheit“ vermeiden wollte, falls das Urteil in der höheren Instanz bestätigt werden sollte. Zudem wurde angeführt, dass auch andere Gründe, wie zum Beispiel die Teamfähigkeit, gegen die Einstellung des Anwalts gesprochen hätten.


Die Forderungen des Anwalts – und was übrig blieb

Der Anwalt hatte nicht nur die 1.000 Euro Entschädigung nach der DSGVO gefordert, sondern auch Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen angeblicher Diskriminierung und entgangenen Gewinn. Seine Argumentation: Die eingestellte Frau sei jünger gewesen, die Bewerberauswahl fehlerhaft und die Daten über das Strafverfahren hätten gar nicht erst erhoben werden dürfen.

Doch die Gerichte sahen das anders. Während die 1.000 Euro DSGVO-Entschädigung bestätigt wurden, bekam der Anwalt mit seinen weiteren Forderungen keinen Erfolg. Auch wenn er die Summe von 1.000 Euro als „Peanuts“ bezeichnete und eine höhere, abschreckendere Entschädigung forderte, blieb das BAG bei dieser Entscheidung.


Was lernen wir daraus?

Dieses Urteil zeigt deutlich, wie wichtig der sorgfältige Umgang mit Daten im Bewerbungsprozess ist. Für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen bedeutet dies:

  • Informationspflicht beachten: Wenn Sie Informationen über Bewerber aus dem Internet recherchieren, müssen Sie die Bewerber darüber informieren, welche Daten Sie gesammelt haben und wofür Sie diese nutzen.
  • Rechtliche Grenzen kennen: Nicht alle öffentlich zugänglichen Informationen dürfen im Bewerbungsprozess uneingeschränkt genutzt werden. Insbesondere sensible Daten erfordern Vorsicht.

Für Bewerber bedeutet das:

  • Achten Sie auf Ihre digitale Präsenz: Was im Internet über Sie zu finden ist, kann im Bewerbungsprozess eine Rolle spielen.
  • Hinterfragen Sie den Umgang mit Ihren Daten: Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihre Daten unzulässig verarbeitet wurden, haben Sie Rechte.

Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung der DSGVO und zeigt, dass auch öffentlich zugängliche Informationen nicht einfach ohne Rücksicht auf die Rechte der Betroffenen verarbeitet werden dürfen. Wenn Sie Fragen zu diesem Thema oder anderen rechtlichen Anliegen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Seite.

Ihr Rechtsanwalt und Notar Krau

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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