Widerspruch gegen Betriebsübergang wegen fehlerhafter Information – LAG München Urteil vom 09.10.2008 – 4 Sa 412/08
Zusammenfassung RA und Notar Krau
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 17. April 2008 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten, seiner früheren Arbeitgeberin, geltend.
Er argumentiert, dass sein Widerspruch gegen einen Betriebsübergang aufgrund unzureichender Information seitens der Beklagten rechtzeitig erfolgt sei und er daher einen Weiterbeschäftigungsanspruch habe.
Der Kläger, geboren 1959, war seit 1990 als außertariflicher Angestellter bei der Beklagten beschäftigt.
Die Beklagte verkaufte ihr Mobiltelefongeschäft 2005 an die B. Corporation/T., wodurch der Geschäftsbereich in Deutschland auf die neu gegründete B. M. GmbH & Co. oHG übertragen wurde.
Über diesen Betriebsübergang informierte die Beklagte ihre Mitarbeiter, einschließlich des Klägers, in einem Schreiben vom 29.08.2005.
Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die B. M. GmbH & Co. oHG im September 2006, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Übernehmerin, mit der Begründung, die Information über den Betriebsübergang sei unzureichend gewesen.
In der Klage begehrt der Kläger die Feststellung des Fortbestandes seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten sowie Ansprüche auf tatsächliche Beschäftigung und Schadensersatz.
1. Verwirkung des Klagerechts
Die Berufungskammer sah keine Verwirkung des Klagerechts.
Auch wenn die Klage erst neun Monate nach dem Widerspruch erhoben wurde, konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass der Kläger seine Rechte nicht mehr geltend machen würde.
Angesichts der Insolvenz der Betriebsübernehmerin war es für die Beklagte nicht unvorhersehbar, dass Arbeitnehmer Widersprüche erheben würden.
2. Unzulässigkeit des Massenwiderspruchs
Der Widerspruch des Klägers wurde nicht als unzulässiger Massenwiderspruch angesehen.
Das Gericht sah keine Anzeichen für sachfremde Motive oder arbeitskampfähnliche Maßnahmen.
3. Betriebsübergang
Das Gericht ging davon aus, dass ein Betriebsübergang nach § 613a BGB stattgefunden hatte, wobei der übergangene Geschäftsbereich als selbstständiger Betriebsteil zu betrachten war.
4. Fehlerhafte Information
Das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom 29.08.2005 wurde als fehlerhaft und unvollständig bewertet:
a) Anschrift des Betriebserwerbers
Das Schreiben nannte nicht die vollständige Anschrift der neuen Arbeitgeberin B. M. GmbH & Co. oHG, was nach der Rechtsprechung des BAG notwendig gewesen wäre, um den neuen Arbeitgeber ausreichend zu identifizieren.
b) Grund für den Übergang
Die Beklagte hatte zwar einen Kaufvertrag als formale Rechtsgrundlage genannt, jedoch fehlten detaillierte Angaben zu den unternehmerischen Gründen für den Übergang.
Besonders der Umstand, dass der Verkauf des Geschäftsbereichs mit einem erheblichen negativen Kaufpreis und an eine unterkapitalisierte Gesellschaft erfolgte, wurde nicht hinreichend erklärt.
Diese Informationen wären für die Arbeitnehmer wichtig gewesen, um die wirtschaftlichen Risiken des Übergangs abschätzen zu können.
c) Weitere unzureichende Angaben
Das Schreiben enthielt auch keine ausreichenden Informationen über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die mittelbaren Folgen des Betriebsübergangs.
5. Verwirkung des Widerspruchsrechts
Das Widerspruchsrecht des Klägers war nicht verwirkt.
Auch wenn der Widerspruch erst nach langer Zeit erfolgte, fehlten besondere Umstände, die ein Vertrauen der Beklagten rechtfertigten, dass der Kläger keinen Widerspruch mehr ausüben würde.
6. Vorlage an den Europäischen Gerichtshof
Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof war nicht erforderlich, da die Fragen der Beklagten bereits durch die nationale Rechtsprechung und Gesetzgebung ausreichend geklärt waren.
7. Weiterbeschäftigungsanspruch
Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung wurde durch das Arbeitsgericht abgewiesen und diese Entscheidung wurde nicht angefochten, sodass sie rechtskräftig wurde.
Ergebnis
Die Berufung der Beklagten wurde abgewiesen, das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten bestand weiterhin, und die Beklagte musste die Kosten des Verfahrens tragen.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.