Wirksamkeit Beratungsvertrag über Coaching zur Eröffnung eines Online-Handels
Datum: 10.07.2024
Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 10. Zivilsenat
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 10 W 51/24
Vorinstanz: Landgericht Düsseldorf, 10 O 112/23
Gerne fasse ich den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Az.: 10 W 51/24 vom 10.07.2024) verständlich zusammen.
Der Fall dreht sich um eine Frau, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht und ein Online-Coaching zum Aufbau eines Online-Shops bei einem Unternehmen abgeschlossen haben soll. Die Firma forderte von ihr die Zahlung von 7.140 Euro.
Die Frau behauptete, keinen Vertrag abgeschlossen zu haben, und falls doch, widerrief und focht sie ihn vorsorglich an. Sie wollte gerichtlich feststellen lassen, dass der Firma kein Zahlungsanspruch zusteht, und beantragte dafür Prozesskostenhilfe (PKH).
Das Landgericht (LG) lehnte die Prozesskostenhilfe ab. Es war der Meinung, die Klage habe keine ausreichende Aussicht auf Erfolg, da die Klägerin ihre Behauptungen (kein Vertrag, Verbrauchereigenschaft) nicht ausreichend beweisen könne.
Das OLG Düsseldorf hob den Beschluss des Landgerichts auf und gewährte der Klägerin ratenfreie Prozesskostenhilfe. Das Gericht befand, dass die beabsichtigte Klage hinreichende Erfolgsaussichten hat.
Der Hauptgrund für die Entscheidung des OLG ist die mögliche Nichtigkeit des Coaching-Vertrags wegen Verstoßes gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG).
Das FernUSG dient dem Schutz der Teilnehmer von Fernlehrgängen. Ein Vertrag fällt unter dieses Gesetz, wenn:
Es sich um die entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten handelt (Wissensvermittlung).
Lehrende und Lernende überwiegend räumlich getrennt sind (z.B. durch Online-Module und Videos).
Der Lehrende den Lernerfolg überwacht (z.B. durch die Möglichkeit, Fragen zum erlernten Stoff zu stellen und ein Abschlusszertifikat).
Das OLG prüfte den Coaching-Vertrag und stellte fest:
Der Vertrag diente laut Leistungsbeschreibung (Zugang zum Mitgliederbereich, themenbasierte Coaching Calls, Videos) vorwiegend der Vermittlung von Wissen zum Aufbau eines Online-Shops.
Die Wissensvermittlung erfolgt überwiegend räumlich getrennt durch Online-Module und Videos, auch wenn es Coaching Calls gab.
Durch die Zulassung von Fragen zu allen Themenbereichen in den „Coaching Calls“ und das in Aussicht gestellte Abschlusszertifikat bei „erfolgreichem Coaching“ wird ein Anspruch auf Kontrolle des Lernerfolgs angenommen.
Wenn der Vertrag dem FernUSG unterliegt, ist er nichtig, solange der Anbieter keine behördliche Zulassung nach dem Gesetz vorweisen kann. Das OLG kam zu dem Schluss, dass dieser Verstoß die Wirksamkeit des Vertrages stark in Frage stellt und der Klage somit eine gute Aussicht auf Erfolg bescheinigt.
Das OLG stellte zudem klar, dass das FernUSG unabhängig davon gilt, ob die Klägerin als Verbraucherin gehandelt hat. Es schützt jeden „Teilnehmer“ am Fernunterricht, nicht nur den klassischen Verbraucher im Sinne des BGB.
Das Gericht wies auch darauf hin, dass die Klage auch Erfolg haben könnte, wenn der Anbieter die Zulassung vorlegt. Dann müsste geklärt werden, ob die Klägerin den Vertrag als Verbraucherin abgeschlossen hat, um ein Widerrufsrecht nutzen zu können.
Da die Frau arbeitslos war und sich lediglich informieren wollte (Existenzgründungs-Sondierungsphase), könnte sie als Verbraucherin gelten, obwohl der Vertrag auf eine spätere Selbstständigkeit abzielte. Das Gericht betont, dass das LG die Beweislast (wer was beweisen muss) falsch verteilt hat und der Frau Gelegenheit gegeben werden muss, ihre Darstellung des Gesprächs persönlich einzubringen.
Das OLG sah das mögliche Widerrufsrecht der Klägerin (erklärt am 09.03.2023) auch nicht als erloschen an.
Der Beschluss des OLG Düsseldorf ist eine bedeutende Stärkung der Rechte von Teilnehmern an Online-Coachings. Er ermöglichte es der Klägerin, mit staatlicher Unterstützung (PKH) gegen die Zahlungsforderung der Coaching-Firma vorzugehen, da der Vertrag nach summarischer Prüfung wahrscheinlich nichtig ist, weil die Coaching-Leistung als zulassungspflichtiger Fernunterricht eingestuft wird. Die Firma muss nun im Hauptsacheverfahren beweisen, dass sie entweder eine Zulassung besitzt oder der Vertrag kein Fernunterricht ist.
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