BAG 6 AZR 774/06

April 5, 2021

BAG 6 AZR 774/06

Urteil vom 19.07.2007

Wirksamkeit einer vorsorglich ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Schließt ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag, wird vermutet,

dass das bestehende Arbeitsverhältnis mit Beginn des Geschäftsführerdienstverhältnisses einvernehmlich endet.

Dies gilt, solange nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde.

Der schriftliche Geschäftsführerdienstvertrag erfüllt in diesen Fällen das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für den Auflösungsvertrag.

BAG 6 AZR 774/06

Sachverhalt:

Die Klägerin war zunächst als Steuerberaterin bei der Beklagten angestellt.

Später schloss sie mit der Beklagten einen Geschäftsführerdienstvertrag.

Nach Beendigung des Geschäftsführerdienstverhältnisses kündigte die Beklagte vorsorglich ein etwaiges Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin klagte, da sie der Ansicht war, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis durch den Geschäftsführerdienstvertrag nicht aufgelöst worden sei.

Entscheidung des BAG:

Die Klage wurde abgewiesen.

Das BAG entschied, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis mit Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrags beendet wurde.

BAG 6 AZR 774/06

Begründung:

  • Neue Rechtsgrundlage: Durch den Geschäftsführerdienstvertrag werden die vertraglichen Beziehungen der Parteien auf eine neue Grundlage gestellt. Mit der Bestellung zum Geschäftsführer entstehen für den Arbeitnehmer neue Rechte und Pflichten aus dem GmbHG, die sich von den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen unterscheiden. Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft nach außen, haftet gemäß § 43 GmbHG und trägt die Verantwortung nach § 64 Abs. 2 GmbHG.
  • Gesetzliche Regelungen: Verfahrensrechtlich wird dieser neuen Situation durch § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG Rechnung getragen, wonach Geschäftsführer ihre Ansprüche nicht vor den Arbeitsgerichten geltend machen können. Auch kündigungsschutzrechtlich ergeben sich Änderungen, da Geschäftsführer gemäß § 14 Abs. 1 KSchG keinen gesetzlichen Kündigungsschutz genießen.
  • Vertragsauslegung: Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Regelungen muss einem Arbeitnehmer klar sein, dass mit dem Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags sein Arbeitsverhältnis endet. Ohne besondere Umstände ist bei verständiger Auslegung der Willenserklärungen kein Grund ersichtlich, warum der alte Vertrag fortgelten sollte.
  • Ständige Rechtsprechung: Diese Rechtsauffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG, die im Schrifttum zustimmend aufgenommen wurde.
  • Keine Anhaltspunkte für ein ruhendes Arbeitsverhältnis: Im vorliegenden Fall gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis während der Bestellung zur Geschäftsführerin ruhend fortbestanden hat.
  • AGB-Kontrolle: Selbst wenn der Geschäftsführerdienstvertrag als AGB anzusehen wäre, würde sich kein anderes Ergebnis ergeben. Die Klägerin musste als Arbeitnehmerin in leitender Position davon ausgehen, dass mit der Aufnahme der Tätigkeit als Geschäftsführerin ihr Arbeitsverhältnis endet.
  • Schriftform des Auflösungsvertrags: Die im Geschäftsführerdienstvertrag konkludent vereinbarte Aufhebung des Arbeitsverhältnisses ist nicht wegen Formmangels nichtig. Der schriftliche Geschäftsführerdienstvertrag erfüllt das Schriftformerfordernis des § 623 BGB. Durch den neuen Vertrag werden die zuvor vereinbarten Rechte und Pflichten konkludent aufgehoben. Dieser Wille kommt im schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag hinreichend zum Ausdruck. Der von § 623 BGB bezweckte Übereilungsschutz steht dem nicht entgegen, da der Arbeitnehmer durch den schriftlichen Dienstvertrag über die neue Rechtslage informiert wird.

BAG 6 AZR 774/06

Fazit:

Das BAG stellt klar, dass der Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags in der Regel zur Beendigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses führt.

Dies gilt, solange nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde.

Der schriftliche Geschäftsführerdienstvertrag erfüllt dabei die Anforderungen an die Schriftform des § 623 BGB.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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