Wirksamkeit eines Nottestaments – Drei-Zeugen-Testament

Juni 13, 2025

Wirksamkeit eines Nottestaments – Drei-Zeugen-Testament

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken 5. Zivilsenat, 5 W 4/25

RA und Notar Krau


Was ist hier passiert?

Es geht um einen Fall vor dem Saarländischen Oberlandesgericht Saarbrücken vom 4. Februar 2025. Das Gericht musste entscheiden, ob ein sogenanntes „Drei-Zeugen-Testament“ gültig war oder nicht. Ein Drei-Zeugen-Testament ist eine besondere Art von Testament, das nur in sehr dringenden Notfällen gemacht werden darf, wenn keine Zeit bleibt, einen Notar oder Bürgermeister zu rufen.


Der Fall der Erblasserin I.

Frau I. ist am 29. April 2023 verstorben. Schon vorher, am 29. März 2023, wurde in ihrer Wohnung ein handschriftliches Testament erstellt. Darin wurden zwei Personen (Beteiligte zu 1 und 2) als Erben eingesetzt. Dieses Testament wurde in Anwesenheit von drei Zeugen gemacht und sollte ein solches Nottestament sein.

Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragten daraufhin einen Erbschein, der sie als rechtmäßige Erben ausweisen sollte. Sie gaben an, dass Frau I. zum Zeitpunkt der Testamentserstellung sehr krank war und man dachte, sie würde bald sterben. Sie sei am 24. März 2023 aus dem Krankenhaus entlassen worden, nachdem sie eine Amputation eines nicht mehr durchbluteten Fußes abgelehnt hatte. Die Hausärztin sollte eine Schmerzbehandlung mit Morphium einleiten. Aus Sicht der Beteiligten und Zeugen sei es zu diesem Zeitpunkt unklar gewesen, wie lange sie noch leben würde. Sie hatten auch versucht, Notare zu erreichen, aber angeblich waren diese in der Mittagspause. Daher sahen sie sich gezwungen, das Nottestament zu erstellen.

Wirksamkeit eines Nottestaments – Drei-Zeugen-Testament


Entscheidung des Amtsgerichts

Das Amtsgericht Saarlouis hat den Antrag auf den Erbschein abgelehnt. Es war der Meinung, dass zum Zeitpunkt der Testamentserstellung weder eine unmittelbare Todesgefahr für Frau I. bestand, noch dass es unmöglich oder zu schwierig gewesen wäre, einen Notar oder Bürgermeister hinzuzuziehen.


Beschwerde der Erben und die Sicht des Oberlandesgerichts

Die als Erben eingesetzten Personen (Beteiligte zu 1 und 2) legten Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Sie meinten, die Zeugen seien überzeugt gewesen, dass Frau I. bald sterben würde und dass ein Notar oder Bürgermeister nicht rechtzeitig kommen könnte. Sie glaubten, dass das Testament bis spätestens 14 Uhr begonnen werden müsse, da die Erblasserin den nächsten Tag nicht erleben würde.

Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde jedoch zurückgewiesen. Es bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und entschied, dass das Nottestament nicht gültig war.


Warum war das Testament nicht gültig? Die Anforderungen an ein Nottestament

Das Gericht erklärte genau, wann ein Drei-Zeugen-Testament gültig ist:

  • Es muss eine „nahe Todesgefahr“ bestehen: Das bedeutet, es muss die ernsthafte Sorge bestehen, dass die Person sehr bald sterben wird. Es reicht nicht aus, nur sehr krank zu sein oder nur noch kurze Zeit zu leben zu haben. Der Tod muss unmittelbar bevorstehen, also innerhalb von Minuten oder sehr kurzer Zeit zu erwarten sein.
  • Ein Notar oder Bürgermeister muss unerreichbar sein: Es darf keine Möglichkeit geben, dass ein Notar oder der Bürgermeister rechtzeitig herbeigerufen werden kann, um ein „normales“ Testament aufzusetzen. Dies ist nur der Fall, wenn das Leben des Erblassers so kurz bemessen ist, dass die Zeit für die Hinzuziehung eines Notars oder Bürgermeisters objektiv nicht ausreicht.
  • Die Zeugen müssen diese Gefahr übereinstimmend und glaubhaft wahrnehmen: Die drei Zeugen müssen gemeinsam die Überzeugung haben, dass der Tod so nah ist und dass keine Zeit für einen Notar bleibt. Diese Besorgnis muss auch nachvollziehbar sein, basierend auf den Umständen. Die Einschätzung der Person, die das Testament macht, ist dabei nicht entscheidend, sondern die der Zeugen.

Was im Fall von Frau I. fehlte:

Das Gericht fand heraus, dass diese Voraussetzungen im Fall von Frau I. nicht erfüllt waren:

  1. Keine unmittelbare Todesgefahr: Obwohl Frau I. schwer krank war, wurde sie nur wenige Tage vor der Testamentserstellung aus dem Krankenhaus entlassen, mit der Aussage, sie habe noch ein bis zwei Monate zu leben. Die Ärzte sahen Bedarf für eine längerfristige Behandlung. Ihr Zustand war nicht so kritisch, dass ihr Tod innerhalb von Minuten zu befürchten gewesen wäre. Es war Zeit genug, einen Notar zu rufen, da es in der Umgebung viele Notare gibt, die erreichbar gewesen wären.
  2. Zeugen waren nicht übereinstimmend besorgt über die Zeitnot: Die Zeugen konnten nicht klar bestätigen, dass sie dachten, Frau I. würde nicht mehr lange genug leben, um einen Notar zu empfangen. Sie sagten zwar, sie sei schwach gewesen und bald sterben würde, aber keiner konnte genau sagen, ob dies innerhalb von Stunden geschehen würde. Sie konnten auch nicht konkret angeben, warum ein Notar oder Bürgermeister nicht rechtzeitig hätte kommen können. Die Erstellung des Nottestaments selbst dauerte 30-45 Minuten, was die Annahme, es sei keine Zeit gewesen, weiter schwächte. Auch der Umstand, dass Frau I. erst einen Monat später verstarb, sprach gegen eine unmittelbar bevorstehende Todesgefahr zum Zeitpunkt der Testamentserstellung.

Fazit des Gerichts

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für ein gültiges Drei-Zeugen-Nottestament nicht gegeben waren. Daher war das Testament von Frau I. ungültig, und der Antrag auf den Erbschein wurde zu Recht abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens mussten die Beschwerdeführer tragen. Der Wert des Streitfalls wurde auf 170.000 Euro festgesetzt.


Dieser Fall zeigt, wie streng die Gerichte die Regeln für Nottestamente auslegen. Sie sollen nur eine absolute Ausnahme sein und nur dann angewendet werden, wenn wirklich keine andere Möglichkeit besteht, den letzten Willen einer Person festzuhalten.

Gibt es noch etwas, das Sie an diesem Urteil interessiert oder das Sie genauer verstehen möchten?

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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