Wirkung der Ausschlagung
Sie spielen mit dem Gedanken, eine Erbschaft auszuschlagen? Oder sind Sie bereits in dieser Situation und fragen sich, was das genau bedeutet? Als Rechtsanwalt und Notar Krau möchte ich Ihnen in diesem Blogbeitrag verständlich erklären, welche Folgen die Ausschlagung einer Erbschaft hat und wann sie ausnahmsweise unwirksam sein kann.
Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Geschenk bekommen, das Sie aber nicht annehmen möchten. Sobald Sie das Geschenk ablehnen, ist es so, als hätten Sie es nie erhalten. Genauso ist es mit einer Erbschaft: Wenn Sie die Erbschaft ausschlagen, wird rückwirkend so getan, als wären Sie nie Erbe gewesen. Das bedeutet, dass Sie rechtlich gesehen niemals das Erbe angetreten haben.
Wer tritt dann an Ihre Stelle? Die Erbschaft fällt dann demjenigen zu, der als Nächstes in der Erbfolge steht – also der Person, die nach Ihnen an der Reihe gewesen wäre. Sie selbst werden so behandelt, als hätten Sie zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht mehr gelebt.
Gut zu wissen: Wenn Sie eine Erbschaft ausschlagen, gilt das nicht als Schenkung. Das ist wichtig, da Schenkungen oft steuerliche oder rechtliche Folgen haben können.
Grundsätzlich haben Sie das Recht, eine Erbschaft auszuschlagen. Der Staat kann Sie nicht dazu zwingen, eine Erbschaft anzunehmen – das wäre gegen unser Grundgesetz, das das Erbrecht schützt.
Es wird manchmal diskutiert, ob eine Ausschlagung sittenwidrig sein könnte, also gegen die guten Sitten verstößt. Aber das ist rechtlich schwierig: Wenn Sie eine Erbschaft annehmen, ist das nicht sittenwidrig, und das Gleiche gilt für die Ablehnung.
Vielleicht fragen Sie sich, ob Sie die Erbschaft annehmen müssen, wenn der Verstorbene Schulden hatte, damit die Gläubiger ihr Geld bekommen. Die Antwort ist klar: Nein. Die Schulden sind vom Erblasser gemacht worden, nicht von Ihnen. Das Gesetz schützt die Gläubiger nicht in der Weise, dass Sie gezwungen wären, die Erbschaft anzunehmen, nur damit diese ihr Geld bekommen. Im Gegenteil: Sie haben das Recht, sich durch eine Ausschlagung von einer belastenden Erbschaft zu befreien. Das gilt auch, wenn der Erblasser Sozialleistungen bezogen hat und der Sozialhilfeträger durch Ihre Ausschlagung keinen Zugriff auf das Erbe hat.
Komplizierter wird es, wenn Sie selbst Schulden haben, zum Beispiel Unterhaltsverpflichtungen. Manche Gerichte haben hier die Meinung vertreten, dass die Ausschlagung sittenwidrig sein könnte, wenn Sie dadurch Ihren eigenen Gläubigern gegenüber zahlungsunfähig werden.
Diese Ansicht lehnen wir jedoch ab. Das Gesetz sieht vor, dass auch Menschen in finanziellen Schwierigkeiten nicht gezwungen werden können, eine Erbschaft anzunehmen. Im schlimmsten Fall kann es aber sein, dass Ihnen die Erbschaft auf dem Papier als „fiktives Einkommen“ angerechnet wird. Das bedeutet, dass man so tut, als hätten Sie das Geld erhalten, und Sie sich dann nicht auf Ihre Zahlungsunfähigkeit berufen können. Aber das ist eine andere Baustelle, die im Unterhaltsrecht geregelt wird.
Auch gegenüber Personen, die aufgrund des Erbfalls Ansprüche haben – wie etwa Vermächtnisnehmer (die bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass erhalten sollen) oder Pflichtteilsberechtigte (die einen gesetzlichen Mindestanteil am Erbe beanspruchen können) – sind Sie nicht verpflichtet, die Erbschaft anzunehmen. Selbst wenn Ihr Motiv ist, diese Personen durch die Ausschlagung nicht zu begünstigen, ist das rechtlich in Ordnung.
Was ist, wenn Sie durch die Ausschlagung selbst bedürftig werden und auf Sozialhilfe oder Bürgergeld angewiesen sind? Auch hier hat der Bundesgerichtshof, das höchste deutsche Gericht, klargestellt: Es gibt keine Pflicht, eine Erbschaft anzunehmen, um den Staat zu entlasten. Die Verfassung schützt Ihre Freiheit, ein Erbe abzulehnen. Sie haben ja kein bestehendes Vermögen verloren, sondern lediglich einen möglichen Vermögenszuwachs nicht realisiert. Sie stehen also nicht schlechter da als vor dem Erbfall.
Sollte es hier zu Missbräuchen kommen, muss das Sozialrecht andere Wege finden, wie zum Beispiel Leistungskürzungen.
Die Ausschlagung einer Erbschaft hat weitreichende Folgen: Sie werden rückwirkend so behandelt, als wären Sie nie Erbe gewesen. Grundsätzlich steht Ihnen dieses Recht frei. Es gibt kaum Situationen, in denen eine Ausschlagung als sittenwidrig angesehen wird. Sollten Sie Fragen zur Ausschlagung einer Erbschaft haben oder Unterstützung in dieser Angelegenheit benötigen, stehe ich Ihnen als Ihr Ansprechpartner gerne zur Seite.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Rechtsanwalt und Notar Krau