Wirtschaftsauskunftei muss löschen wenn Forderung bezahlt – sonst Schadensersatz

April 24, 2025

Wirtschaftsauskunftei muss löschen wenn Forderung bezahlt – sonst Schadensersatz

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 10.04.2025, 15 U 249/24

RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht Köln befasste sich mit der Frage, wie lange Wirtschaftsauskunfteien Daten über erledigte Zahlungsstörungen speichern dürfen.

Der Kläger forderte von der beklagten Wirtschaftsauskunftei die Löschung von Einträgen über drei unbestrittene Forderungen, die er bereits beglichen hatte, sowie Schadensersatz wegen der fortgesetzten Speicherung.

Das Landgericht Bonn hatte die Klage abgewiesen und argumentiert, die Datenverarbeitung sei gemäß Art. 6 Abs. 1 f DSGVO rechtmäßig gewesen und eine dreijährige Speicherfrist angemessen.

Eine Gleichbehandlung mit Einträgen im Schuldnerverzeichnis sei nicht erforderlich und ein immaterieller Schaden nicht ausreichend dargelegt.

Das Oberlandesgericht Köln änderte das Urteil des Landgerichts teilweise ab und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 1.040,50 € nebst Zinsen an den Kläger.

Im Übrigen wies es die Zahlungsanträge ab.

Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte gegen die DSGVO verstoßen habe, indem sie die Einträge über die beglichenen Zahlungsstörungen weiterhin speicherte und für ihre Kunden abrufbar hielt.

Nach vollständiger Befriedigung der Gläubiger sei die fortgesetzte Speicherung rechtswidrig gewesen, da die Bedingungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO nicht mehr erfüllt waren.

Insbesondere sei die Bedingung des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO nicht mehr gegeben.

Die erforderliche Abwägung der Interessen müsse unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung des § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO erfolgen.

Danach sind Einträge im Schuldnerverzeichnis nach vollständiger Befriedigung des Gläubigers zu löschen.

Wirtschaftsauskunftei muss löschen wenn Forderung bezahlt – sonst Schadensersatz

Diese Wertung sei auch für Wirtschaftsauskunfteien maßgeblich.

Das Gericht folgte damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der entschieden hatte,

dass Informationen über Restschuldbefreiungen aus öffentlichen Registern nicht länger gespeichert werden dürfen als im öffentlichen Register selbst.

Diese Rechtsprechung sei auf Eintragungen im Schuldnerverzeichnis übertragbar, da zwischen Insolvenzregister und Schuldnerverzeichnis

keine wesentlichen Unterschiede für die Interessenabwägung bestünden.

Das Ziel, dem Schuldner nach Befriedigung seiner Gläubiger die erneute Teilnahme am Wirtschaftsleben zu ermöglichen, spreche ebenfalls für eine entsprechende Löschungspflicht der Wirtschaftsauskunfteien.

Die Argumente anderer Oberlandesgerichte, die eine vergleichbare Situation mit dem Schuldnerverzeichnis verneinten, überzeugten das Kölner Gericht nicht.

Insbesondere sei der Kreis der Auskunftsberechtigten bei der Beklagten nicht zwingend geringer und die Voraussetzungen für eine Auskunftserteilung nicht wesentlich höher als bei der Einsicht in das kostenpflichtige Schuldnerverzeichnis.

Entscheidend sei, dass das Insolvenzregister, auf das sich der EuGH bezog, sogar von beliebigen Dritten eingesehen werden könne.

Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen gelte die Löschungspflicht nach vollständiger Befriedigung des Gläubigers auch dann,

wenn die Wirtschaftsauskunftei die Informationen nicht aus dem Schuldnerverzeichnis bezogen habe.

Wirtschaftsauskunftei muss löschen wenn Forderung bezahlt – sonst Schadensersatz

Die gesetzliche Wertung des § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO, wonach das Informationsinteresse des Geschäftsverkehrs mit der vollständigen Befriedigung entfällt, sei maßgeblich.

Die von der Beklagten angeführten statistischen Untersuchungen änderten daran nichts.

Auch die Tatsache, dass eine Eintragung ins Schuldnerverzeichnis eine richterliche Anordnung erfordere, während die Meldung an die Auskunftei meist durch den Gläubiger erfolge, sei unerheblich.

Ebenso wenig komme es darauf an, dass die Löschung im Schuldnerverzeichnis von einer Anordnung des Vollstreckungsgerichts abhänge.

Entscheidend sei, dass in Fällen, in denen (sogar) Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos blieben, Einträge nach Befriedigung gelöscht werden müssten,

dies müsse erst recht gelten, wenn der Schuldner ohne solchen Druck zahle.

Die genehmigten Verhaltensregeln für Wirtschaftsauskunfteien könnten keine andere Beurteilung rechtfertigen, da diese nicht über die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO hinwegsetzen könnten.

Das Oberlandesgericht bejahte einen immateriellen Schaden des Klägers in Form einer Rufschädigung.

Auch wenn ein Kontrollverlust nicht zwingend vorliege, habe die Beklagte im Jahr 2023 – nach Erfüllung der letzten Forderung – Scorewerte

und Erfüllungswahrscheinlichkeiten an mehrere Unternehmen übermittelt, die unter Berücksichtigung der Zahlungsstörungen ermittelt wurden.

Dies habe die Kreditwürdigkeit des Klägers in Zweifel gezogen und seinen sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigt.

Dass keine weiteren negativen Folgen für den Kläger nachgewiesen seien, stehe der Annahme eines immateriellen Schadens nicht entgegen.

Die Haftung der Beklagten sei nicht nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO ausgeschlossen, da sie nicht nachgewiesen habe, dass sie in keinerlei Hinsicht für den Schaden verantwortlich sei.

Wirtschaftsauskunftei muss löschen wenn Forderung bezahlt – sonst Schadensersatz

Die Berufung auf genehmigte Verhaltensregeln entlaste sie nicht, da diese keine Erlaubniswirkung hätten und die Beklagte mit einer gerichtlichen Überprüfung der Speicherfristen rechnen musste.

Insbesondere die bereits vor Klageerhebung vertretene Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung,

dass die Speicherfristen öffentlicher Register maßgeblich seien, hätte die Beklagte berücksichtigen müssen.

Das Gericht bemess den immateriellen Schaden auf 500 €.

Der Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO habe ausschließlich eine Ausgleichsfunktion, keine Straf- oder Abschreckungsfunktion.

Die rechtswidrige Speicherung habe zwar mehrere Jahre angedauert und zu Übermittlungen negativer Scorewerte geführt, weitergehende negative Folgen für den Kläger seien jedoch nicht festgestellt worden.

Die tatsächlich aufgetretenen Zahlungsstörungen und die korrekte Sachverhaltsgrundlage für die Scorewertermittlung relativierten die Schwere der Rufschädigung.

Zusätzlich zum immateriellen Schaden sprach das Gericht dem Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 540,50 € zu,

da diese als weiterer materieller Schaden ersatzfähig seien, begrenzt auf den Gegenstandswert des zugesprochenen immateriellen Schadens.

Die Kostenentscheidung beruhte auf den §§ 91a, 92, 97 ZPO.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt hatten, trug die Beklagte die Kosten, da sie zum Zeitpunkt der Klageerhebung zur Löschung der Einträge verpflichtet war.

Das Gericht ließ die Revision für die Beklagte zu, da die Frage der Maßgeblichkeit der gesetzlichen Wertung des § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO für Wirtschaftsauskunfteien grundsätzliche Bedeutung habe und

eine einheitliche Rechtsprechung erforderlich sei, da das Gericht von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte abweiche.

Zudem sei die Frage der Haftung bei Rechtsirrtum nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO nicht abschließend geklärt.

Für den zurückgewiesenen Teil der Berufung wurde die Revision nicht zugelassen.

Die nachgelassenen Schriftsätze der Parteien führten zu keiner abweichenden Beurteilung und gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Die vorläufige Rechtsauffassung des Senats war in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt worden.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wurde bis 5.000 € festgesetzt, für den Termin jedoch nur bis 2.000 €.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Grunderwerbsteuer bei Übergang des Grundstücks von einer Gesamthand

Grunderwerbsteuer bei Übergang des Grundstücks von einer Gesamthand

Mai 23, 2025
Grunderwerbsteuer bei Übergang des Grundstücks von einer GesamthandRA und Notar KrauDer Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom…
Übergehen eines zur Betreuung bereiten Angehörigen zugunsten eines Berufsbetreuers

Übergehen eines zur Betreuung bereiten Angehörigen zugunsten eines Berufsbetreuers

Mai 12, 2025
Übergehen eines zur Betreuung bereiten Angehörigen zugunsten eines BerufsbetreuersRA und Notar KrauDas Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH)…
Veröffentlichung Gerichtsentscheidung in Rechtsprechungsdatenbank

Veröffentlichung Gerichtsentscheidung in Rechtsprechungsdatenbank

Mai 12, 2025
Veröffentlichung Gerichtsentscheidung in RechtsprechungsdatenbankRA und Notar KrauDas Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Mai 2025 (Az. 3…