Wohnraummiete: Mieteranspruch auf Ersatz von Maklerkosten nach berechtigter Kündigung wegen schuldhafter Pflichtverletzung des Vermieters
vorgehend BGH, 20. Oktober 2020, Az: VIII ZR 371/18, Beschluss
vorgehend LG Stuttgart, 22. Oktober 2018, Az: 4 S 64/17
vorgehend AG Ludwigsburg, 11. Januar 2017, Az: 9 C 570/15
Zusammenfassung des BGH-Urteils (VIII ZR 371/18) vom 9. Dezember 2020: Maklerkosten nach fristloser Mieterkündigung
Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) befasst sich mit der Frage, inwieweit ein Mieter nach einer berechtigten fristlosen Kündigung wegen einer Pflichtverletzung des Vermieters Anspruch auf Schadensersatz hat, insbesondere für Maklerkosten, die ihm beim Kauf einer Ersatzimmobilie entstanden sind.
Ein Mieter (Beklagter) kündigte das Mietverhältnis fristlos, nachdem der Vermieter (Kläger) ohne Ankündigung und gegen den Willen des Mieters Arbeiten auf dessen Balkon durchführen ließ. Dies wertete der BGH als eine erhebliche, schuldhafte Pflichtverletzung des Vermieters, die den Mieter zur Kündigung berechtigte.
Der Mieter zog daraufhin aus und kaufte mit Hilfe eines Maklers ein über 250 km entferntes Einfamilienhaus. Mit einer Widerklage forderte der Mieter vom Vermieter Schadensersatz für verschiedene Kosten, die ihm durch die Kündigung und den Umzug entstanden waren (sogenannter Kündigungsfolgeschaden).
Im Einzelnen wurden folgende Posten geltend gemacht:
Maklerkosten für den Kauf des neuen Hauses (13.030,50 €).
Einlagerungs- und Umzugskosten.
Kosten für eine Übergangsunterkunft.
Kosten für den Umbau und die Montage der Einbauküche im neuen Haus.
Das Amtsgericht hatte dem Mieter noch einen Teil der Makler- und Umzugskosten zugesprochen, allerdings nur in der Höhe, die hypothetisch bei der Anmietung einer Ersatzwohnung in der Nähe angefallen wären.
Das Landgericht (Berufungsgericht) hob diese Verurteilung auf und wies alle Ansprüche im Zusammenhang mit dem Umzug in das Eigenheim ab. Es war der Ansicht, dass der Kauf eines 250 km entfernten Hauses und die damit verbundenen Kosten nicht mehr angemessen oder zurechenbar auf die Pflichtverletzung des Vermieters zurückzuführen seien.
Der BGH traf eine klare Unterscheidung zwischen den Maklerkosten für den Hauskauf und den sonstigen Umzugs- und Folgekosten.
Der BGH bestätigte im Ergebnis, dass der Vermieter die Maklerkosten für den Kauf des Hauses nicht ersetzen muss.
Ein Mieter kann grundsätzlich Ersatz für Schäden verlangen, die durch eine berechtigte Kündigung infolge einer Pflichtverletzung des Vermieters entstehen. Die Ersatzpflicht ist jedoch durch den Schutzzweck der verletzten Vertragspflicht begrenzt.
Die Pflicht des Vermieters bezieht sich auf das vertraglich geschützte Interesse des Mieters am Gebrauch der Mietsache – also einem zeitlich begrenzten Nutzungsrecht.
Durch den Kauf eines Hauses erwirbt der Mieter Eigentum – ein umfassenderes, zeitlich unbegrenztes Recht. Der Wechsel von der Mieter- zur Eigentümerstellung geht über den bloßen Ersatz des verlorenen Gebrauchsrechts hinaus. Der Eigentumserwerb wird als „aliud“ (etwas anderes) im Vergleich zum Mietverhältnis betrachtet.
Die Kosten für einen Makler, der den Mieter beim Erwerb dieses Eigentums unterstützt, fallen somit nicht mehr unter den Schutzbereich der mietvertraglichen Pflichten.
Der BGH lehnte auch den Ersatz fiktiver Maklerkosten für eine hypothetische Anmietung ab, da der Mieter diesen Schaden tatsächlich nicht erlitten hat.
Hinsichtlich der Einlagerungs- und Umzugskosten, der Kosten für die Übergangsunterkunft und der Kosten für den Küchenumbau hob der BGH das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück.
Diese Kosten sind grundsätzlich als Kündigungsfolgeschäden ersatzfähig. Sie dienen nicht dem Erwerb von Eigentum (wie die Maklerkosten), sondern sind eine unmittelbare Folge des erzwungenen Wohnungsverlusts.
Die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten kann nicht pauschal deshalb verneint werden, weil der Mieter ein Haus gekauft oder 250 km weit weggezogen ist. Der BGH betonte, dass der Mieter die erforderlichen Kosten ersetzt verlangen kann.
Das Landgericht muss nun im Rahmen einer subjektivbezogenen Schadensbetrachtung prüfen, ob die geltend gemachten Kosten (z. B. der Umzug über 250 km) tatsächlich erforderlich waren, um den Schaden zu beheben, oder ob sie auf einer vom Vermieter nicht mehr zu verantwortenden eigenständigen Lebensentscheidung des Mieters beruhen.
Das Urteil klärt, dass ein Vermieter nach einer schuldhaften Pflichtverletzung, die zur Mieterkündigung führt, nicht automatisch für alle Kosten aufkommen muss, die dem Mieter bei einer grundlegenden Änderung seiner Lebensumstände (Wechsel von Miete zu Eigentum) entstehen.
Maklerkosten für Eigentumserwerb: Kein Ersatz.
Notwendige Umzugs-, Einlagerungs- und Zwischenunterkunftskosten: Grundsätzlich Ersatz möglich, aber die Erforderlichkeit muss im Einzelfall geprüft werden, auch bei einem Umzug über größere Entfernungen.
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