Wohnraummiete: Rückzahlungsanspruch des Mieters bei Wohnflächenabweichung

Juni 9, 2025

Wohnraummiete: Rückzahlungsanspruch des Mieters bei Wohnflächenabweichung

RA und Notar Krau

BGH, Beschluss vom 17.10.2023 – VIII ZR 61/23

Dieser Fall dreht sich um eine Mieterin in Bonn, die seit 2014 eine Wohnung gemietet hat. Im Mietvertrag stand, dass die Wohnung 49,18 Quadratmeter (m²) groß ist. Die Miete wurde entsprechend dieser Größe berechnet.

Im Jahr 2021 wollte der Vermieter die Miete erhöhen. Die Mieterin ließ daraufhin die Wohnung vermessen und stellte fest, dass die Wohnung tatsächlich nur 42,64 m² groß war. Das ist eine Abweichung von 13,3 % – also deutlich weniger, als im Vertrag stand.

Wegen dieser geringeren Größe forderte die Mieterin vom Vermieter Geld zurück: die zu viel gezahlte Miete für die Jahre von 2014 bis 2021. Insgesamt verlangte sie 6.139,03 € plus Zinsen. Außerdem wollte sie die Kosten für die Vermessung (258,23 €) erstattet bekommen.

Der Vermieter weigerte sich, die Mieterin verklagte ihn.


Wie haben die Gerichte entschieden?

  1. Amtsgericht: Das Gericht beauftragte einen Sachverständigen, der die Wohnung noch einmal vermessen sollte. Dieser Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Wohnung nach den aktuellen Regeln der Wohnflächenverordnung (WoFlV) 43,3 m² groß ist. Der Balkon wurde dabei nur zu einem Viertel seiner Fläche angerechnet, wie es in der WoFlV vorgesehen ist. Diese Messung zeigte, dass die Wohnung 11,96 % kleiner ist als im Mietvertrag angegeben. Das Amtsgericht gab der Klage der Mieterin weitgehend statt und sprach ihr 5.779,21 € plus Zinsen zu.
  2. Berufungsgericht: Der Vermieter legte Berufung ein, aber das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Es betonte, dass die Wohnfläche nach der zum Zeitpunkt des Mietvertrags gültigen Wohnflächenverordnung zu berechnen ist. Die alte Zweite Berechnungsverordnung, die eine höhere Anrechnung des Balkons erlaubt hätte, kommt hier nicht zur Anwendung, auch wenn das Gebäude älter ist. Das Berufungsgericht stellte auch klar, dass die Ansprüche der Mieterin nicht verjährt sind, weil sie erst durch die Vermessung im Jahr 2021 von der tatsächlichen Wohnungsgröße erfahren hat.
  3. Bundesgerichtshof (BGH): Der Vermieter legte Revision ein (eine Art letzte Beschwerde beim höchsten Gericht). Der BGH hat diese Revision aber nicht zugelassen und deutlich gemacht, dass er die Entscheidungen der unteren Gerichte für richtig hält.

Wohnraummiete: Rückzahlungsanspruch des Mieters bei Wohnflächenabweichung


Was sind die Kernpunkte der BGH-Entscheidung?

Der BGH hat drei wichtige Punkte bestätigt:

  1. Berechnung der Wohnfläche:
    • Der BGH hat klargestellt, dass bei Mietverträgen, die ab dem 1. Januar 2004 geschlossen wurden, die Wohnflächenverordnung (WoFlV) für die Berechnung der Wohnfläche maßgeblich ist. Dies gilt auch für Wohnungen, die nicht preisgebunden sind (also frei finanziert werden).
    • Es ist dabei egal, wann das Gebäude gebaut oder wann die Wohnung zum ersten Mal vermessen wurde. Die Überleitungsvorschrift des § 5 WoFlV, die unter Umständen noch die alte Zweite Berechnungsverordnung gelten lassen könnte, findet hier keine Anwendung. Der BGH meint, es ist für die Mieter und Vermieter viel klarer, wenn man immer auf die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültigen Regeln schaut.
    • Die Mieterin konnte nicht wissen, wann die Wohnung zum ersten Mal vermessen wurde oder ob es bauliche Änderungen gab. Für sie war entscheidend, welche Regeln gelten, als sie den Vertrag unterschrieben hat.
    • Für Balkone bedeutet dies in der Regel, dass ihre Fläche nur zu einem Viertel zur Wohnfläche zählt, es sei denn, es gibt besondere Umstände, die ihren Wohnwert erheblich steigern (was hier nicht der Fall war).
  2. Mangel bei Flächenabweichung:
    • Wenn die im Mietvertrag angegebene Wohnfläche um mehr als 10 % von der tatsächlichen Wohnfläche abweicht, ist das ein Mangel der Mietsache. Das bedeutet, die Miete muss entsprechend der geringeren Fläche gemindert werden. Die Mieterin hat dann das Recht, die zu viel gezahlte Miete zurückzufordern.
  3. Verjährung:
    • Die Ansprüche der Mieterin auf Rückzahlung der Miete waren nicht verjährt. Die Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt erst dann, wenn der Mieter von der tatsächlichen Wohnungsgröße Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte Kenntnis erlangen müssen.
    • Der BGH hat betont, dass ein Mieter beim Einzug nicht verpflichtet ist, die Wohnung komplett auszumessen, um die im Vertrag angegebene Größe zu überprüfen. Ein Mieter kann die genaue Größe nur durch eine professionelle Vermessung herausfinden. Erst als die Mieterin im Jahr 2021 die Wohnung vermessen ließ, hatte sie die nötige Kenntnis, und erst dann begann die Verjährungsfrist zu laufen.

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Was bedeutet das für Mieter und Vermieter?

Dieses Urteil ist wichtig, weil es nochmal klarstellt:

  • Für Mieter: Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihre Wohnung kleiner ist als im Mietvertrag angegeben, lohnt sich eine Vermessung. Wenn die Abweichung mehr als 10 % beträgt, haben Sie gute Chancen, einen Teil der Miete zurückzubekommen und die Miete für die Zukunft zu mindern. Ihre Ansprüche verjähren erst, wenn Sie wirklich wissen, wie groß die Wohnung ist.
  • Für Vermieter: Seien Sie bei der Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag sehr genau. Wenn Sie Verträge nach dem 1. Januar 2004 abgeschlossen haben, sollten Sie die Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung berechnen lassen. Alte Berechnungen nach der Zweiten Berechnungsverordnung sind in der Regel nicht mehr relevant, es sei denn, Sie vereinbaren dies ausdrücklich mit dem Mieter.

Nächste Schritte

Der BGH hat die Revision des Vermieters abgewiesen. Das bedeutet, die Urteile der unteren Gerichte sind nun rechtskräftig und die Mieterin hat Anspruch auf die Rückzahlung der zu viel gezahlten Miete und die Erstattung der Sachverständigenkosten.


Haben Sie noch weitere Fragen zu diesem Urteil oder wie es sich auf eine konkrete Situation auswirken könnte?

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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