Wohnungseigentum – Gestattung baulicher Veränderungen zum Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge
LG Stuttgart, 05.07.2023 - 10 S 39/21
RA und Notar Krau
E-Ladestation in der Eigentümergemeinschaft
Stellen Sie sich vor, Sie wohnen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und möchten Ihr Elektroauto bequem zu Hause laden können. Das ist ein häufiger Wunsch in Zeiten der Elektromobilität. Aber wie so oft in einer Gemeinschaft gibt es Regeln und unterschiedliche Meinungen. Genau darum ging es in einem Fall vor dem Landgericht Stuttgart.
Ein Wohnungseigentümer, der Kläger hatte einen Außenstellplatz und wollte dort eine leistungsstarke Ladestation für Elektrofahrzeuge errichten. Er hatte dafür sogar eine staatliche Förderung erhalten, weil die Ladestation öffentlich zugänglich sein sollte. Die Eigentümergemeinschaft war damit nicht einverstanden. Herr Kläger baute die Ladestation trotzdem.
Daraufhin verklagte die WEG ihn auf Entfernung der Ladestation. Das Gericht gab der WEG Recht, und die Ladestation musste abgebaut werden. Dabei wurden auch einige Gegenstände vom Kläger, die auf seinem Stellplatz lagen (Kabelrollen), sowie Teile der Ladestation (Gummimatte und Blitzableiter) beschädigt oder mitgenommen.
Der Kläger wollte danach von der WEG:
Geld für die Rückholung der entfernten Gegenstände und Ersatz für die beschädigten Teile.
Die Erlaubnis, seine Ladestation wieder aufzubauen – und zwar nach seinem eigenen, umfassenden Plan für eine „Ladeinfrastruktur“.
Das Landgericht Stuttgart musste nun entscheiden, ob der Kläger diese Forderungen durchsetzen kann.
Das Gericht hat sich auf eine wichtige Regelung im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) bezogen, nämlich § 20 Abs. 2 WEG. Dieser Paragraph besagt, dass jeder Wohnungseigentümer das Recht hat, bestimmte „angemessene bauliche Veränderungen“ zu verlangen – dazu gehört auch das Laden von Elektrofahrzeugen.
Das Gericht stellte klar:
Das „Ob“ (die Notwendigkeit): Der Kläger hat grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass es eine Möglichkeit zum Laden von Elektrofahrzeugen gibt. Die WEG kann diesen Wunsch nicht einfach ablehnen.
Das „Wie“ (die Umsetzung): Aber wie diese Lademöglichkeit umgesetzt wird, darüber entscheidet die Eigentümergemeinschaft. Die WEG hat hier einen Entscheidungsspielraum, solange sie sich an die Regeln einer „ordnungsgemäßen Verwaltung“ hält. Der einzelne Eigentümer kann also nicht verlangen, dass sein ganz spezifischer Plan umgesetzt wird, wenn die WEG eine andere, ebenfalls sinnvolle Lösung bevorzugt.
Im vorliegenden Fall hatte die WEG zwar des Klägers großes Konzept abgelehnt, das auch eine öffentliche Nutzung vorsah. Aber die Gemeinschaft hatte gleichzeitig beschlossen, dass andere Eigentümer Wallboxen (kleinere Ladestationen) an ihren Stellplätzen anbringen dürfen. Das Gericht sah darin die Erfüllung des „Ob“ – es gab also eine Möglichkeit zum Laden.
Die WEG hatte entschieden, dass sie vorerst nur Wallboxen zulassen möchte, weil des Klägers Konzept viel umfangreicher war und auf die Nutzung durch viele Fahrzeuge abzielte. Das Gericht befand, dass diese Entscheidung der WEG im Rahmen ihres Ermessens lag und nicht zu beanstanden war.
Das Gericht lehnte den Anspruch auf Vorschuss für die Rückholung der Ladestation ab. Die Entfernung der Ladestation war rechtmäßig, weil der Kläger sie trotz Verbot errichtet hatte.
Die Kabelrollen, die auf seinem Stellplatz lagen und mitgenommen wurden, waren zwar nicht vom Gerichtsurteil zur Entfernung erfasst. Der Kläger hatte aber nur einen „Vorschuss“ für die Rückführung verlangt, nicht den Ersatz bereits entstandener Kosten. Außerdem hatte er die Kabelrollen inzwischen zurückerhalten. Daher gab es auch hierfür keinen Anspruch mehr.
Auch hier bekam der Kläger kein Geld. Die Firma, die die Ladestation abgebaut hatte, war von der WEG beauftragt worden, und es gab keine Anzeichen dafür, dass die WEG die falsche Firma gewählt hatte oder dass die Schäden vermeidbar gewesen wären, ohne dass die Kosten des Abbaus stark gestiegen wären. Schließlich war es ja des Klägers Verantwortung gewesen, die Ladestation selbst zu entfernen.
Lediglich bei den außergerichtlichen Anwaltskosten hatte der Kläger einen kleinen Erfolg. Weil die Kabelrollen unrechtmäßig von seinem Stellplatz entfernt wurden, entstand ihm ein kleiner Schaden, für den er Anwaltskosten geltend machen konnte. Das Gericht sprach ihm dafür einen geringen Betrag zu.
Das Urteil stärkt die Position von Wohnungseigentümergemeinschaften bei der Entscheidung über bauliche Veränderungen wie E-Ladestationen. Jeder Eigentümer hat zwar einen Anspruch auf die Möglichkeit zum Laden von E-Fahrzeugen, aber die Gemeinschaft hat das Recht zu bestimmen, wie diese Möglichkeit umgesetzt wird. Das bedeutet, dass die WEG ein bestimmtes Konzept, das einem einzelnen Eigentümer vorschwebt, ablehnen kann, wenn sie eine andere, angemessene Lösung für die gesamte Gemeinschaft wählt (z.B. Wallboxen statt einer großen, potenziell öffentlichen Ladesäule).
Für den Kläger bedeutete das Urteil, dass er seine umfassende Ladestation nicht wieder aufbauen durfte. Wenn er eine Wallbox hätte anbringen wollen, hätte er dafür einen neuen Antrag bei der Eigentümerversammlung stellen müssen, was er bisher nicht getan hatte.
Haben Sie weitere Fragen zu diesem Urteil oder zu Rechten und Pflichten in einer Wohnungseigentümergemeinschaft?
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.