Zahlungen der Eltern an ihr Kind im Gegenzug für dessen Pflichtteilsverzicht sind nicht einkommensteuerbar

November 3, 2025

Zahlungen der Eltern an ihr Kind im Gegenzug für dessen Pflichtteilsverzicht sind nicht einkommensteuerbar – Unentgeltlicher Vorgang – Begriff der „Kapitalforderung“ i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG

Das Urteil des BFH: Pflichtteilsverzicht und die Steuern

Der Bundesfinanzhof (BFH) musste in diesem Fall (Urteil vom 09.02.2010 – VIII R 43/06) klären, ob wiederkehrende Zahlungen, die ein Kind von seinen Eltern erhält, weil es im Gegenzug auf seinen zukünftigen Pflichtteil verzichtet hat, als steuerpflichtiges Einkommen gelten.


Der Sachverhalt (Worum ging es?)

Die Klägerin (das Kind) verzichtete im Jahr 1994 notariell gegenüber ihren Eltern auf ihren künftigen Pflichtteil und eventuelle Pflichtteilsergänzungsansprüche beim Tod der Eltern. Das gesetzliche Erbrecht blieb jedoch unberührt.

Im Gegenzug erhielt sie:

  1. Eine Einmalzahlung (1 Million DM).
  2. Die Zusage einer lebenslangen monatlichen Zahlung in Höhe des Grundgehalts eines Beamten der Besoldungsgruppe A 13 in der Endstufe.

Auf die Einmalzahlung und den Kapitalwert der lebenslangen Zahlung wurde bereits Schenkungsteuer festgesetzt.

Das Finanzamt (FA) vertrat jedoch die Ansicht, dass die monatlichen Zahlungen einen Zinsanteil enthalten. Es wollte diesen Zinsanteil in Höhe von 65 % der Zahlungen als steuerpflichtige Kapitalerträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) besteuern. Das Finanzgericht (FG) sah das anders und stufte die Zahlungen als nicht steuerbare Unterhaltsrente ein.


Die Entscheidung des BFH (Kurz & Knapp)

Der BFH gab der Klägerin Recht und wies die Revision des Finanzamtes zurück.

Die Kernaussage des Urteils lautet:

Verzichtet ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält es dafür im Gegenzug von den Eltern wiederkehrende Zahlungen, so liegt darin kein entgeltlicher Leistungsaustausch und keine Kapitalüberlassung des Kindes an die Eltern, so dass in den wiederkehrenden Zahlungen auch kein einkommensteuerbarer Zinsanteil enthalten ist.

Mit anderen Worten: Die monatlichen Zahlungen sind weder ganz noch teilweise als Einkommen (Zinsen oder Erträge) steuerpflichtig.


Zahlungen der Eltern an ihr Kind im Gegenzug für dessen Pflichtteilsverzicht sind nicht einkommensteuerbar

Die Begründung des BFH (Warum ist das so?)

Der BFH untersuchte zwei mögliche Gründe für eine Besteuerung:

1. Keine steuerbaren wiederkehrenden Bezüge (§ 22 Nr. 1 EStG)

  • Wiederkehrende Zahlungen als Gegenleistung für einen Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht sind grundsätzlich nicht steuerbar.
  • Der BFH stellt klar, dass allein die Zahlungsweise in Form einer Rente keine Steuerbarkeit begründet. Eine frühere, anderslautende Rechtsprechung wurde damit überholt.

2. Keine Einkünfte aus Kapitalvermögen / Zinsanteile (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG)

Hier liegt der Hauptstreitpunkt. Einkünfte aus Kapitalvermögen setzen voraus, dass privates Geldvermögen zur Nutzung an Dritte überlassen wurde und dafür ein Entgelt (Zinsen) gezahlt wird.

  • Der Vorgang ist unentgeltlich: Der Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht vor dem Erbfall ist ein erbrechtlicher Vertrag und dient der Vermögensnachfolge. Er gilt nach der Rechtsprechung (sowohl des BGH als auch des BFH) als unentgeltlicher Vorgang. Er unterliegt gegebenenfalls der Schenkungsteuer (wie im Fall geschehen), aber nicht der Einkommensteuer. Die Ansicht des FA, dass es sich um eine entgeltliche Leistung handele, wurde verworfen.
  • Keine Kapitalüberlassung: Da es sich um einen unentgeltlichen Vorgang handelt, hat das Kind seinen Eltern kein Kapital zur Nutzung überlassen. Es hat lediglich auf einen zukünftigen, noch nicht bestehenden Anspruch verzichtet.
  • Der Anspruch ist von vornherein wiederkehrend: Der BFH betont, dass nicht etwa ein in einer Summe bezifferter Anspruch des Kindes nachträglich in eine Rente umgewandelt (verrentet) wurde. Der Anspruch wurde von Anfang an in Form wiederkehrender Zahlungen eingeräumt, die zudem auf den dauerhaften Versorgungsbedarf der gesundheitlich beeinträchtigten Klägerin abzielten.

3. Keine sonstigen Einkünfte (§ 22 Nr. 3 EStG)

  • Selbst wenn man eine Entgeltlichkeit unterstellen würde, wäre der Vorgang nicht steuerbar. Die endgültige Aufgabe einer Rechtsposition im privaten Bereich (hier: der Verzicht) gilt als veräußerungsähnlicher Vorgang, der im Rahmen der sonstigen Einkünfte nicht der Besteuerung unterliegt.

Fazit für Laien

Ein Pflichtteilsverzicht ist steuerlich gesehen eine Art Schenkung an die Erbmasse (und wird daher ggf. mit Schenkungsteuer belegt), aber kein Verkauf eines Anspruchs. Die als Abfindung gezahlten lebenslangen Monatszahlungen sind deshalb kein steuerpflichtiges Einkommen beim Kind. Sie enthalten aus Sicht des Einkommensteuerrechts keinen „Zinsanteil“, weil dem keine Kapitalüberlassung zugrunde liegt.

RA und Notar Krau

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